Der Kampf gegen die „Aufschieberitis“ - Wie man (nicht nur im Studium) den inneren Schweinehund besiegt!
Der Emaileingang quillt über, daheim stapelt sich die Wäsche und für die Prüfung müsste man auch lernen? Statt aber die Dinge endlich konsequent anzugehen, checken Sie lieber ihre Nachrichten auf Instagram oder kucken ihre Lieblingsserie auf Netflix? Damit sind Sie nicht allein, im Gegenteil: Das Phänomen hat sogar einen wissenschaftlichen Namen und ist sehr weit verbreitet: „Prokrastination“ heißt, was uns hindert, konsequent mit unseren Aufgaben zu beginnen. Wie man der „Aufschieberitis“ begegnet, erläutert jetzt ein Kurs für Studierende an der Hochschule Hof. Dozentin Prof. Dr. Cynthia Sende gibt dabei ganz praktische Tipps zur persönlichen Verhaltensänderung.
Prokrastinieren - der Begriff stammt vom lateinischen „procrastinare“, was „Aufschieben“ oder schlicht „auf Morgen verlegen“ bedeutet – ist ein weit verbreitetes Phänomen, das keinesfalls mit dem reinen Mangel an Disziplin gleichzusetzen ist. Gemeint ist vielmehr: Anstehende berufliche oder private Pflichten werden durch Übersprungshandlungen und Ersatztätigkeiten möglichst weit hinausgezögert. Prokrastinierende putzen also etwa lieber die Wohnung, bevor sie sich an die Steuererklärung setzen oder den Vorsorgetermin beim Arzt wahrnehmen.
Schlechtere Noten durch mehr Zeitstress
Auch und gerade im Studium kann die „Aufschieberitis“ schnell zum Problem werden, wenn zum Beispiel Prüfungen nach hinten verlegt oder Hausarbeiten erst „auf den letzten Drücker“ angefertigt werden: „Aus Umfragen unter unseren Studierenden wissen wir: Gerade am Anfang des Studiums fehlen oft Lernstrategien und das richtige Zeitmanagement. Im Ergebnis wird mehr Stress wahrgenommen, nicht selten verschlechtern sich die Klausurergebnisse und die Prüfungsangst nimmt immer weiter zu“, so Prof. Dr. Cynthia Sende. Insbesondere während der Corona-Zeit hätten sich diese Probleme zunehmend verschärft, so die Professorin für Wirtschaftspsychologie, die dazu in der Vergangenheit auch viele Gespräche mit ihren Kolleginnen und Kollegen führte. Befragungen der Hofer Studierenden ergaben, dass rund die Hälfte eine mittlere bis hohe Prokrastination aufweisen. Manche nationalen und internationale Studien sprechen gar davon, dass 70 bis 90 Prozent aller Studierenden prokrastinieren. „Nicht selten wird auch bereut, sich nicht frühzeitig mit dem Thema Zeitmanagement auseinandergesetzt zu haben“, so Prof. Dr. Sende.
Hilfe zur Selbsthilfe
Grund genug, künftig den Studierenden der Hochschule Hof ab sofort ganz praktische Hilfe anzubieten: Nach einem Pilottraining im Fach Wirtschaftspsychologie im letzten Sommersemester, steht nun allen Studierenden im ersten bis zum dritten Semester ein in zwei Blöcke geteiltes Training offen, um das eigene Selbstmanagement zu verbessern: „Wir arbeiten dabei besonders auch mit Ansätzen und Übungen aus der kognitiven Verhaltenstherapie - schließlich sind es ja in der Regel unangenehme Aufgaben, die mit besonders negativen Emotionen belegt sind, welchen man bevorzugt aus dem Weg geht. Diese Emotionen und Gedanken muss man besprechen und bearbeiten – auch mit anderen Betroffenen“, so die Dozentin.
Arbeit mit Belohnung
Doch was heißt das konkret – wie kann man sich selbst ganz praktisch dazu bringen, seine Aufgaben zu erledigen? „Das Ziel muss es immer sein, mit allem früher zu beginnen, um so möglichst bald das gute Gefühl zu haben, dass etwas bereits erledigt ist. Dabei kann man zum Beispiel mit einem persönlichen Belohnungssystem arbeiten“, so Prof. Dr. Sende. Was als Belohnung aufgefasst wird, könne dabei ganz individuell sein: „Für den Einen ist es schon der Haken an eine erledigte To-Do-Liste, für den Anderen ist es der Wochenendausflug, den man sich ansonsten zeitlich gar nicht erlauben könnte – das ist ganz unterschiedlich.“ Problem sei aber, dass Belohnungen in Form einer Leistungsbewertung oft zu spät kämen, um das Verhalten nachhaltig zu verändern: „Zudem ist problematisch, dass auch Ersatzhandlungen positive Konsequenzen haben können und befriedigen, während die negativen Konsequenzen des Aufschiebens erst später zutage treten.“
Soziale Kontrolle stärken
Darum sei es im Studium zudem hilfreich, die soziale Kontrolle zu stärken. „Das Bilden von Lerngruppen, die sich gemeinsame Ziele oder Deadlines setzen, ist ein sehr effektives Mittel, um gegen das persönliche Aufschieben vorzugehen“, rät Prof. Dr. Sende. So könne man sich gegenseitig oft am besten unterstützen, Verhaltensbarrieren auflösen, eigene Ausreden „enttarnen“ und sich Anregungen von anderen holen. Denn: „Hilfreich ist es in jedem Fall, von guten Studierenden höherer Semester zu lernen. Auch diesen Austausch fördern wir gezielt. Zudem vermitteln wir, sich statt Ergebniszielen - z.B. diese oder jene Note im Fach XY - lieber kontrollierbare Verhaltensziele – also z.B. Jeden Mittwoch eine Stunde XY üben - zu setzen. Während Ergebnisziele häufiger zu Frustrationen führen, können bei Verhaltenszielen schon während des Handelns Erfolgserlebnisse auftreten.
Auch das richtige Priorisieren von Aufgaben und die Vermeidung von Ablenkungen sei ein wichtiges Thema: „Die emotionale Befreiung ist nach dem Erledigen der schwierigsten Aufgabe am höchsten, so dass auch kleinere Anforderungen schließlich viel einfacher von der Hand gehen. Das habe ich auch persönlich immer als enorm motivierend empfunden“, so die Dozentin abschließend.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Cynthia Sende
+49 9281 409 - 4155
cynthia.sende(at)hof-university.de