Europäisches Forschungsprojekt untersuchte in drei Ländern die Akzeptanz von Insekten als Lebensmittel
Heuschrecken und Mehlwürmer essen – igitt
Die Akzeptanz gegenüber Lebensmitteln, die aus Insekten sind, ist in Deutschland, Italien und Portugal sehr niedrig. Das ergab eine repräsentative Erhebung in diesen drei Ländern, die im Rahmen des EU-Forschungsprojektes „Sustainable Insect Chain“ (SUSINCHAIN) durchgeführt worden ist. Die Befragten sind kaum bereit, für Lebensmittel aus Insekten Geld auszugeben. „Ganz im Gegenteil: Sie sind sogar der Meinung, dass es einen finanziellen Anreiz oder eine Art Prämie geben sollte, damit man zu insektenbasierten Lebensmitteln greift“, sagt Mariam Nikravech, wissenschaftliche Mitarbeiterin am TU-Fachgebiet Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft, die für die repräsentative Studie verantwortlich war.
Angesichts des erwarteten Wachstums der Weltbevölkerung auf 9,1 Milliarden Menschen im Jahr 2050 müssen andere Eiweißquellen sowohl für Lebens- als auch für Futtermittel erschlossen werden. Insekten könnten sich dafür eignen. Sie sind reich an Proteinen, Mineralien und Vitaminen. Und ihre Produktion wäre weniger belastend für die Natur als die herkömmliche Haltung von Rindern und Schweinen. Um ein Kilogramm Mehlwürmer zu produzieren, werden nur zehn Prozent der Fläche gebraucht, die für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch benötigt wird.
Zustimmung leicht höher
Die Befragten sollten sich unter anderem entscheiden zwischen Fleischbällchen, die als Hauptzutat aus Heuschrecken und Mehlwürmern bestanden, und Fleischbällchen aus Fleisch von Hühnern, die mit Insekten gefüttert worden waren. Da zeigte sich, dass die Akzeptanz für Fleisch von Hühnern, die mit Insekten gefüttert worden waren, leicht höher war als für Fleischbällchen, die nur aus Insekten hergestellt worden waren.
„Die Ergebnisse unserer Stichprobe haben Befunde anderer Befragungen hinsichtlich der geringen Akzeptanz in Europa bestätigt. Wir wollten jedoch auch herausfinden, ob und wie man die Akzeptanz erhöhen könnte“, sagt Mariam Nikravech.
Zusatzinformationen können positiv wirken
Die Wissenschaftlerinnen* stellten den Befragten deshalb zusätzliche Informationen zur Verfügung zum Beispiel diese, dass Hackfleisch durch fleischlose Alternativen, einschließlich Insektenproteine ersetzt werden kann und dadurch Treibhausgasemissionen reduziert werden können und man nachhaltiger isst. In Portugal erhöhten diese Angaben die Akzeptanz gegenüber Fleischersatz aus Mehlwürmern. In Italien wirkte sich die Zusatzinformation zur Nachhaltigkeit nur auf die Akzeptanz von Mehlwürmern positiv aus und in Deutschland auf mit Insekten gefütterte Hähnchen und auf die Akzeptanz von Heuschrecken. „Der Verweis auf den Insektenproteingehalt bewirkte dagegen weder in Deutschland noch in Italien einen Akzeptanzschub“, resümiert Mariam Nikravech.
Es zeigte sich zudem, dass Vertrauen ein wichtiger Faktor ist, der die Akzeptanz beeinflusst. „Bei Menschen, die Lebensmittel aus Insekten als sicher ansehen, sie also nicht als gesundheitsschädlich einschätzen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie solche Lebensmittel auch kaufen“, so die Politikwissenschaftlerin.
Unerklärliches Gefälle bei „Never-Takern“
Und dann gibt es noch die sogenannten „Never-Takers“, diejenigen also, die niemals Lebensmittel aus Insekten essen würden. „In Deutschland und Portugal waren es von den jeweils 500 Befragten eine Mehrheit: 64 Prozent in Deutschland und 58 Prozent in Portugal. In Italien machten diese ‚Never-Takers‘ aber nur zwei Prozent aus. Das war überraschend, erklären können wir uns das Gefälle zwischen den Ländern aber noch nicht“, sagt die Wissenschaftlerin.
Es sind Ekel und Angst, Angst von solchen Lebensmitteln krank zu werden, die die Ablehnung begründen. Aussagen darüber, dass insektenbasierte Lebensmittel Ausdruck eines modernen städtischen Lifestyles sind, ließen Deutsche, Portugiesen und Italiener gleichermaßen unbeeindruckt.
Doch auch bei dieser Gruppe versuchte das Forschungsteam herauszufinden, ob es einen Hebel gibt, die Verweigerung aufzubrechen. Mariam Nikravech: „Es war vor allem die Information, dass Insekten reicher an Proteinen und Mineralien sind als Fleisch, die die ‚Never-Takers‘ offener machte.“ Um die grundsätzliche Ablehnung der „Never-Takers“ aufzuweichen, sei es vor allem wichtig, dass sie in Kontakt kommen mit insektenbasiertem Essen und die Möglichkeit haben, es zu kosten.
Ihr Fazit: Zusätzliche Informationen sind durchaus ein Hebel, die Akzeptanz von Insekten als Lebensmittel in Europa zu erhöhen.
In allen drei Ländern wurden jeweils 500 Menschen befragt, 51 Prozent Frauen, 49 Prozent Männer im Alter zwischen 18 und 65 Jahren.
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Mariam Nikravech
TU Berlin
Fachgebiet Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft
E-Mail: mariam.nikravech@tu-berlin.de