18. Medienkunststipendium der Kirch Stiftung an HFF-Regie-Student Marc Ginolas und Historikerin Judith Grosch vergeben
Ihr Projekt KI33|44 (AT) spielt mit der Frage, wie Künstliche Intelligenzen mit Persönlichkeitsmerkmalen von heute sich in den Jahren 1933, 1940 und 1945 verhalten hätten / Dafür speisen Ginolas und Grosch zahlreiche Daten zu sich selbst und ihrem Verhältnis zueinander als Paar in eine KI ein, der sie dann den Auftrag erteilen, daraus ihre Persönlichkeiten zu berechnen und diese in die Vergangenheit zu schicken: Welche Lebensläufe hätten sie gehabt, wie hätten sie sich verhalten und wären sie auch damals ein Paar geworden?
Schon zum achtzehnten Mal wurde das „Stipendium Medienkunst der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München, ermöglicht durch die Kirch Stiftung und Frau Regina Hesselberger“ vergeben. Aus allen Einreichungen hat sich die Jury für das Konzept KI33|45 (AT) von HFF-Student Marc Philip Ginolas und der Historikerin Judith Anouschka Grosch entschieden.
Dr. Reinhard Scolik (Kirch Stiftung): „Das Projekt KI33|45 ist im besten Sinne komplex in seiner kreativen Verbindung von Künstlicher Intelligenz, Geschichte und Ethik. Es bedarf einer besonderen Sensibilität, dieses künstlerische Wagnis anzugehen – umso glücklicher ist die Fügung, dass hier eine Historikerin mit besonderem Blick auch auf ethische Fragen mit einem Filmemacher zusammenarbeitet. Ich bin sicher, die Verbindung ihrer beider Fachrichtungen bringt nicht nur ein besonderes Kunstprojekt hervor, sondern auch einen Diskurs über die Schnittstellen von Menschlichkeit, Technologie und Geschichte.“
Regina Hesselberger: „Ich freue mich, nun schon seit so vielen Jahren das Medienkunststipendium mit dem Medienkunstatelier unterstützen zu dürfen. Dieses Atelierhaus ist ein Ort, an dem Ideen entstehen und sich entfalten dürfen, bis sie hier schließlich Gestalt annehmen und betrachtet werden können. Der Kreativität junger Künstler*innen in Sendling im wahrsten Sinne des Wortes Raum geben zu können, ist und bleibt mir ein großes Anliegen.“
KI33|45 – Was hätte eine künstliche Intelligenz im Nationalsozialismus getan… wenn man sie eine Persönlichkeit von heute in der NS-Zeit imitieren ließe?
„Was macht künstliche Intelligenz im Gegensatz zum Menschen im Kern aus?“ und „Wiederholt sich gegenwärtig die Geschichte der NS?“ – diese beiden Fragen kombinieren Marc Philip Ginolas und Judith Anouschka Grosch in ihrem Medienkunstprojekt KI33|45 und geben damit der oft diskutierten Frage „Was hättest Du getan?“ eine neue Dimension. Denn bislang wird zumeist eingewandt, die eigene Persönlichkeit ließe sich nicht von der zeitgenössischen Erziehung, die sie geprägt habe, entkoppeln, um das, was dann übrigbliebe, in einen anderen historischen Kontext zu versetzen. Doch was, wenn man die KI die eigene Persönlichkeit berechnen und das Ergebnis in die Vergangenheit schicken ließe? Genau das planen Ginolas und Grosch für ihr Medienkunst-Projekt: „Wir sind ein Paar, ein Regiestudent und eine Historikerin, und wir wollen uns auf zweifacher Ebene in das Kunstprojekt einbringen: Einmal soll unsere unterschiedliche Expertise hier interdisziplinär und im kreativen Austausch zusammengebracht werden. Doch zweitens sind es auch wir als Privatpersonen, wir als Paar, die wir versuchen wollen, unsere Persönlichkeiten und unser Verhältnis zueinander in die KI einzuspeisen.“ Im ersten Schritt von KI33|45 wollen Ginolas und Grosch entsprechend die KI füttern: z.B. mit Tagebucheinträgen, Film- und Buchausschnitten, WhatsApp-Verläufen, Dialogen zwischen ihnen beiden…Dann geben sie der KI den Auftrag, auf dieser Basis ihre Persönlichkeiten zu berechnen und sie in die Jahre 1933, 1940 und 1945 zu schicken. Sie soll dann darüber informieren, welche Lebensläufe die beiden zu diesen Zeitpunkten gehabt hätten, welche Laufbahn sie eingeschlagen hätten, ob sie einander als Paar gefunden hätten. In verschiedenen Alltagssituationen soll die KI die beiden Dialoge führen lassen, Gespräche, die sich nicht nur auf Politik beziehen, sondern auch Einblicke in ein Privatleben geben. Der dritte Projektschritt ist dann die Übersetzung dieser Dialoge in kurze filmische Sequenzen, die das Künstlerpaar selbst nachspielen wird. Sie sollen dann als Video-Installation mit Virtual Reality-Brillen gezeigt werden, begleitet von durch die KI erstellen historischen Dokumenten wie Briefen, Ausweisen oder Fotos der beiden durch die Zeit geschickten Persönlichkeiten. Ginolas und Grosch hoffen, mit KI33|45 bei den Besucher*innen der abschließenden Ausstellung die Frage aufzuwerfen, wie sie selbst sich damals verhalten hätten, um vielleicht entsprechend ihr Verhalten in der heutigen politischen Situation zu überdenken. Sie wollen Diskurse anstoßen, in denen es um die individuelle Verantwortung in politischen Umbruchsituationen geht. Und natürlich auch um die Frage, was uns Menschen im Innersten eigentlich ausmacht: sind wir unvorhersehbare, emotionale Wesen mit einem freien Willen – oder beruht auch unser Verhalten letztlich nur auf berechen- und sogar programmierbaren Algorithmen?
Für die Umsetzung des Projekts wird den Preisträger*innen ein Jahr lang ein Atelier mit Wohnraum in München mietfrei zur Verfügung gestellt; zusätzlich erhalten sie eine monatliche finanzielle Unterstützung in Höhe von 800 € sowie einen einmaligen Materialkostenzuschuss über 5.000 €. Im Herbst 2024 werden Marc Philip Ginolas und Judith Anouschka Grosch die Medienkunstinstallation voraussichtlich im Atelier zeigen; ggf. auch als Kooperation mit weiteren Ausstellungsräumen. Sie folgen damit auf HFF-Studentin Felizitas Hoffmann und Performancekünstlerin Theresa Hoffmann, die gemeinsam das Kunstkollektiv Hybris bilden und in wenigen Wochen ihr Projekt fake it till you break it präsentieren.
Die Jury 2023 setzte sich zusammen aus Dr. Reinhard Scolik (Kirch Stiftung), Regina Hesselberger-Purrmann (Hesselberger Architekten GmbH), Prof. Dr. Michaela Krützen (Abteilung Medienwissenschaft HFF München), Su Steinmassl (ehemalige Stipendiatin, Medienkünstlerin und Studentin an der HFF München), Dr. Stefan Urbaschek (Kurator u.a. für die Sammlung Goetz), Prof. Heiner Stadler (ehemaliger Prof. Abteilung Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik) und Dr. Johannes Wende (ehemaliger Stipendiat und Akademischer Rat in der Abteilung Medienwissenschaft).
Weitere Informationen:
http://www.hff-muc.de