Methanol statt Wasserstoff: Alternativer Energieträger wäre wirtschaftlich konkurrenzfähig und überall einsatzbar
Simulationsstudie der TU Berlin vergleicht Kosten über 71 Jahre an Wetterdaten
Methanol könnte als Energieträger für die Zwischenspeicherung von Strom aus erneuerbaren Energien bis zu 40 Prozent Kosten sparen im Vergleich mit Wasserstoff – jedenfalls dann, wenn dieser nicht unterirdisch in Salzkavernen gespeichert werden kann. Das ist das zentrale Ergebnis einer Simulationsstudie von Forscher*innen der TU Berlin und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Sie fordern vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), auch Methanol in seine Kraftwerksstrategie aufzunehmen. Dessen Vorteile könnten vor allem im Zusammenspiel mit einer neuartigen Turbinenart genutzt werden: der Allam-Turbine.
Um die Überschussproduktion von Strom aus Windrädern und Solarzellen zwischenzuspeichern für Zeiten, in denen diese erneuerbaren Energien weniger liefern können als benötigt, braucht man Energiespeicher. Batterien sind ab einer bestimmten Menge von zu speichernden Kilowattstunden zu teuer und so hat man sich auf Wasserstoff festgelegt, denn er kann in großen Mengen gelagert werden. Mittels Elektrolyse kann Wasserstoff aus Wasser und Strom hergestellt, gespeichert und anschließend in Brennstoffzellen oder in großem Maßstab mit Gasturbinen wieder in Strom umgewandelt werden, allerdings mit erheblichen Verlusten.
Es kommt darauf an, wo der Wasserstoff gespeichert wird
„Was in den Diskussionen und auch in der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung bisher zu kurz kommt, ist der Einbezug der Speicherorte in die Überlegungen“, sagt Prof. Dr. Tom Brown vom Fachgebiet Digitale Transformation in Energiesystemen der TU Berlin. Zu sehr habe man sich auf die Möglichkeit fokussiert, Wasserstoff in unterirdischen Salzkavernen zu speichern. „Solche natürlichen, geologischen Salzablagerungen finden sich aber vor allem in Norddeutschland“, erklärt Brown. Zudem bräuchte man ein Leitungsnetz, um den Wasserstoff über weite Strecken transportieren und so die industrielle Nachfrage bedienen zu können. Brown beschreibt ein bisher wenig bedachtes Szenario: Was wäre, wenn sich energieintensive Industrien wie zum Beispiel die Stahlproduktion dahin verlagern, wo es sowohl Rohstoffe wie auch billigen Strom aus erneuerbaren Energien vor dem Werkstor gibt? Im Falle des Stahls also zum Beispiel nach Schweden, Mauretanien in Afrika oder gar Australien, wo sowohl Eisenerz als auch günstiger grüner Wasserstoff das ganze Jahr über verlässlich verfügbar sind. „Dann könnte es schlicht nicht wirtschaftlich sein, in Deutschland ein Wasserstoffnetz zu betreiben, das das Gas aus den Salzkavernen in Norddeutschland in die Industriezentren in Mittel- und Süddeutschland transportiert.“ Für solche Fälle sollte man einen Plan B haben, findet der Wissenschaftler.
Methanol als Alternative
Als alternativer Energieträger zu Wasserstoff bietet sich Methanol an. Dieser einfachste organische Alkohol muss nicht erst energieaufwändig verdichtet werden wie Wasserstoff und hat gegenüber diesem einen fünfmal so hohen Energieinhalt pro Volumen. Das ist nicht nur für den Transport günstig, sondern vor allem für die Speicherung. „Dort, wo es keine Salzkavernen gibt, muss Wasserstoff in Stahltanks gespeichert werden. Aufgrund des hohen Drucks des verdichteten Wasserstoffs müssen diese besonders dickwandig sein und sind deshalb um ein Vielfaches teurer als einfache Tanks für Methanol“, erklärt Brown.
Simulation der Energiespeicherung über 71 Jahre mit schwankenden Wetterdaten
Um all diese Überlegungen in konkrete Zahlen umsetzen zu können, haben sich die Forscher*innen Daten der dänischen Energie-Agentur besorgt sowie Wetterdaten der letzten 71 Jahre und damit die von ihnen entwickelte Simulationssoftware PyPSA gefüttert. Herzstück der Analyse ist dabei eine neuartige Turbine zur Stromproduktion, deren besondere Eigenschaften den alternativen Energieträger Methanol wieder ins Spiel bringen könnten. Die sogenannte Allam-Turbine wird bereits in einem Kraftwerk in Texas genutzt. In ihr findet die Verbrennung mit reinem Sauerstoff statt, sodass die Abgase nur aus Wasser und CO2 bestehen. Dieses kann daher leicht abgeschieden und gespeichert werden, um daraus später mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien und Wasserstoff wieder Methanol herzustellen. Dadurch entsteht ein geschlossener CO2-Kreislauf und das Speicherkonzept kann quasi CO2-neutral arbeiten. „Die Wirtschaftlichkeit kann noch weiter verbessert werden, wenn der bei der Wasserstoffproduktion mit Hilfe von Elektrolyse als Nebenprodukt entstehende Sauerstoff ebenfalls gespeichert wird. Dieser kann dann in der Allam-Turbine für die Verbrennung des Methanols genutzt werden“, sagt Brown.
Ohne Salzkavernen ist Stromspeicherung mit Methanol wirtschaftlicher als mit Wasserstoff
„Da die Allam-Technik noch nicht im großen Stil verwendet wird, sind unsere Preisabschätzungen sehr konservativ. Denn es ist zu erwarten, dass sie mit weiterer Verbreitung wesentlich billiger wird“, erklärt Tom Brown. Umso erstaunlicher, dass schon unter den jetzigen Voraussetzungen Methanol sehr gut gegenüber Wasserstoff abschneidet: Kann dieser nicht in Salzkavernen gespeichert werden, sondern benötigt Drucktanks aus Stahl, so ist der Strom mit Methanol als Speichermedium 29 bis 43 Prozent billiger, je nach Wetterbedingungen. Sind Salzkavernen in der Nähe der Wasserstoff-Erzeugung, so hat Wasserstoff die Nase vorn und der Strom mit Methanol als Speichermedium ist 16 bis 20 Prozent teurer. „Wir erwarten, dass mit sinkenden Kosten aufgrund fortschreitender Verbreitung der Allam-Technik diese Lücke auf sechs bis sieben Prozent schrumpft“, erklärt Tom Brown. Interessant an den Simulationen ist auch, dass die Allam-Turbinen in Deutschland nur für knapp zehn Prozent der benötigten elektrischen Energie aufkommen müssten, der Rest könnte immer sofort durch die erneuerbaren Energien beziehungsweise durch kleinere Kurzzeit-Batteriespeicher gedeckt werden.
Methanol auch als strategische Reserve für Notfälle geeignet
„Unsere Studie soll die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft vor allem dazu anregen, weiterhin offen zu sein für die Vor- und Nachteile der verschiedenen Energieträger“, sagt Tom Brown. Weitergehende, auch EU-weite Simulationen seien nötig, um Eckdaten für strategische Entscheidungen zu erhalten. „Als Plan B sollte man Methanol auf jeden Fall auf dem Schirm haben. Auch als mögliche strategische Reserve für Krisen wie Vulkanausbrüche mit Beeinträchtigung der Sonneneinstrahlung oder Attacken auf die Netzinfrastruktur.“
Link zur Studie (veröffentlicht online im Fachmagazin Joule am 31.10.2023):
https://doi.org/10.1016/j.joule.2023.10.001
Bericht im Fachmagazin IEEE Spectrum:
https://spectrum.ieee.org/methanol-energy-storage
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Prof. Dr. Tom Brown
Technische Universität Berlin
Institut für Energietechnik
Fachgebiet Digitale Transformation in Energiesystemen
Tel.: +49 (0) 30 314-22890
E-Mail: t.brown@tu-berlin.de