Neue BfG-Studie rückt die Funktion der Flusssedimente als Senke für Mikroplastik in ein neues Licht
Nach aktuellem Stand der Wissenschaft ist die Konzentration von Mikroplastik in Flusssedimenten deutlich höher als im Wasser. Forschende der BfG haben jetzt Daten zur Verteilung von Mikroplastik in Flüssen neu bewertet. Die Ergebnisse widerlegen diese Annahme und relativieren damit die Funktion der Flusssedimente als Mikroplastik-Senke. Die BfG-Wissenschaftler/-innen veröffentlichten die Studie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Water Research“.
Der geringere Unterschied der Konzentrationen in der Wassersäule und in den Sedimenten am Flussbett liege an den unterschiedlichen Bezugseinheiten, die bis jetzt für die Konzentration von Mikroplastik im Wasser und in den Flusssedimenten herangezogen wurden, so die BfG-Forschenden. Für die aktuelle Studie haben die Forschenden Daten aus 92 wissenschaftlichen Publikationen ausgewertet.
„Die Mehrheit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gibt hier die Anzahl der Mikroplastikpartikel in der Wassersäule pro Volumen Wasser an. Bei Sedimenten wird die Anzahl der Mikroplastikpartikel auf die Masse der Sedimente bezogen“, erklärt David Range, Hauptautor der Studie „Hydrogeomorphic perspectives on microplastic distribution in freshwater river systems: A critical review“. Mithilfe von Daten des Schwebstoffmessnetzes der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes konnten die Wissenschaftler/-innen die Anzahl der Mikroplastikpartikel im Wasser auf die Masse der Schwebstoffe beziehen und somit in dieselbe Masseneinheit wie bei Sedimenten umrechnen. „Unsere neuen Berechnungen zeigen, dass bei gleicher Einheit, also Anzahl der Teilchen pro Masse Sediment / Schwebstoff, die Zahl der Mikroplastikteilchen in den Flusssedimenten nicht mehr signifikant größer sind als die im Wasser, wie bisher angenommen“, so der Geograph. Die Ergebnisse setzen frühere Erkenntnisse – auch der BfG – dass Flusssedimente eine entscheidende Senke für Mikroplastik sind, somit in ein neues Licht. Natürlich gäbe es punktuelle „Hot-spots“ in den Sedimenten im Flussbett, aber es finde hier keine generelle Anreicherung von Mikroplastik im Vergleich zur Wassersäule statt, so Range. Die Funktion des Flussbettes als Mikroplastik-Senke sei daher deutlich reduziert.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Studie ist, dass räumliche und zeitliche Veränderungen des Mikroplastiktransports, wie z. B. Konzentrationsverteilungen in verschiedenen Wassertiefen, in den analysierten Studien meist eine untergeordnete Rolle spielen. „Da Mikroplastik in Flüssen den gleichen hydraulischen Bedingungen ausgesetzt ist wie auch andere Schwebstoffe, wurde in der BfG-Studie das Thema Mikroplastik in Flüssen mit einem hydrologischen und geomorphologischen Blickwinkel beleuchtet“, beschreibt David Range den Forschungsansatz. Somit konnten aus dem seit vielen Jahren etablierten Forschungsfeld der Schwebstoffe Rückschlüsse auf das vergleichsweise junge Forschungsfeld des Mikroplastiktransports gezogen werden. Ein Beispiel: Wissenschaftlicher Konsens ist, dass Schwebstoffkonzentrationen in den meisten Flüssen mit dem Abfluss steigen, da bei erhöhtem (Oberflächen-)Abfluss auch mehr Schwebstoffe eingetragen und transportiert werden. Dieses Verhältnis sei, laut David Range, auch auf die Mikroplastikkonzentration in Flüssen übertragbar. Zudem werde in zahlreichen Studien angenommen, dass Mikroplastik nur im oberen Bereich der Wassersäule, also in der Nähe der Oberfläche, transportiert werde. „Durch Turbulenzen und Dichteunterschiede muss man sich aber die gesamte Wassersäule anschauen“, so Range.
In den letzten Jahren ist eine Vielzahl an Studien zum Thema Mikroplastik in Flüssen erschienen. Hauptkritikpunkt der BfG-Forscherinnen und -Forscher: Häufig werde hierbei nur ein grober Eindruck in die Belastung mit den Plastikpartikel ermöglicht, da es weder standardisierte Probenahmetechniken noch standardisierte Analyse- und Berechnungsmethoden gäbe und, verglichen mit der Erfassung von Schwebstoffkonzentrationen, der Arbeitsaufwand ungleich höher sei. Einen wissenschaftlichen Konsens bei der Methodik und Bilanzierung von Mikroplastik in Flüssen gibt es bis heute nicht. Die Betrachtung der Quellen- und Senkenbeziehung und möglicher Transportpfade des Mikroplastiks in der Umwelt ist daher nur unzureichend möglich. Die aktuelle Studie der BfG beschreibt und prüft daher Ansätze, um einheitliche Standards zu entwickeln.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
David Range (range@bafg.de)
Dr. Thomas Hoffmann (thomas.hoffmann@bafg.de)
Originalpublikation:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0043135423010072#ack0001