Abschiebungen und ihre Alternativen
EU-Forschungsprojekt zu rückkehrorientierter Politik gestartet
Der Umgang mit zugewanderten Menschen wird heiß diskutiert und kritisiert. Viele Freiwillige engagieren sich für geflüchtete und geduldete Menschen, um deren erzwungene Rückführung zu vermeiden und gesellschaftliche Lösungen zu finden. Forschende der Universität Göttingen wollen nun in einem Forschungsprojekt mit internationaler Beteiligung die Umsetzung und Auswirkungen einer rückkehrorientierten Politik untersuchen und Alternativen aufzeigen.
Das Projekt „MORE: Motivations, Experiences, and Consequences of Returns and Readmission Policy: Revealing and developing effective Alternatives“ wird von der Universität Barcelona koordiniert und im Rahmen des EU-Programms Horizon Europe gefördert. Beteiligt sind elf Institutionen in Europa und dem Vereinigten Königreich.
In drei Projektphasen werden die Forschenden in den folgenden drei Jahren zunächst die Rationalitäten und Begründungen erforschen, die der Ausgestaltung der europäischen Rückführungsrichtlinien auf den nationalen Ebenen unterliegen. Im nächsten Schritt untersuchen sie die konkrete Umsetzung, um im letzten Schritt alternative Wege aus der rückkehrorientierten Politik zu ermitteln. So wollen sie herausfinden, wo das Potenzial einer anderen Politik liegt, wie diese ausgestaltet sein kann und welche Hindernisse ihrer Umsetzung entgegenstehen. Dabei greifen sie auf das Wissen der Zivilgesellschaft und Betroffenen zurück, die mit Folgen der rückkehrorientierten Politik konfrontiert sind.
„Rückkehrpolitiken erreichen ihre Ziele nicht. Das ist allen Menschen bekannt, die mit Abschiebungen zu tun haben – von Geflüchteten, Mitarbeitenden der Behörden bis hin zu Beteiligten der Politik“, erklärt Prof. Dr. Sabine Hess vom Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie der Universität Göttingen. Sie leitet die Projektmitarbeit an der Universität. „Immer wieder scheitern Abschiebungen sowie Politiken der Abschreckung und Rückkehrförderung aus vielfältigen Gründen und auf verschiedenen Ebenen. Zwei Drittel aller Abschiebungen sind 2022 in Deutschland gescheitert. Und dieses Jahr erreichen die Kosten für Abschiebungen bei uns bereits fast vier Millionen Euro. Dazu kommen frustrierte Mitarbeitende in den Behörden und im Vollzug sowie zahlreiche Menschen, die bei und durch Abschiebemaßnahmen verletzt werden oder zu Tode kommen.“ Eine Politik, die auf Abschiebungen und Rückkehr setzt, verhindere die Integration einzelner Personen und ganzer Familien nachhaltig, kritisieren die Forschenden. Dies zeige die Forschung seit Jahren. Hess sagt: „Menschen werden durch Angst und Abschreckung jenseits ihres Potenzials in einer wartenden Situation der Unsicherheit gehalten. Das erschwert ihre Integration in die Gesellschaft oder macht sie sogar unmöglich.“
Mehr Informationen zum Projekt sind unter www.moreproject-horizon.eu/ zu finden.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Sabine Hess
Georg-August Universität Göttingen
Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie
Heinrich-Düker-Weg 14, 37073 Göttingen
Telefon: 0551 39-25349
E-Mail: shess@uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/208718.html
Weitere Informationen:
https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=7263 weitere Fotos