Einstein Stiftung Berlin vergibt mit 500.000 Euro dotierten Einstein Foundation Award 2023
Die Einstein Stiftung Berlin zeichnet den belgischen Bioinformatiker Yves Moreau, die Berkeley Initiative for Transparency in the Social Sciences und die Initiative Responsible Research Assessment mit dem Einstein Foundation Award for Promoting Quality in Research 2023 aus.
Yves Moreau von der Katholieke Universiteit Leuven erhält den Individual Award. Moreau ist einer der vehementesten Verfechter ethischer Standards bei der Nutzung menschlicher DNA-Daten in Zeiten von Künstlicher Intelligenz und Big Data. Er entwickelt Algorithmen für die Analyse genetischer Daten, die den Schutz der Privatsphäre wahren. Der Institutional Award geht in diesem Jahr an die Berkeley Initiative for Transparency in the Social Sciences (BITSS). Die Inititative setzt sich global für eine robuste, transparente und reproduzierbare sozialwissenschaftliche Forschung ein, indem sie Open-Science-Praktiken etabliert, dafür notwendige Infrastrukturen entwickelt und Metastudien durchführt. Der Early Career Award geht an das Projekt Responsible Research Assessment unter der Leitung von Anne Gärtner von der Technischen Universität Dresden. Das Projekt will neue Kriterien für die Bewertung von Forschungsleistung entwickeln, die Qualität statt Quantität in den Vordergrund stellen, diese testen und in den Verhaltens-, Kognitions- und Sozialwissenschaften etablieren.
Der mit insgesamt 500.000 Euro dotierte Einstein Foundation Award for Promoting Quality in Research würdigt Wissenschaftler:innen sowie Institutionen, die maßgeblich zur Verbesserung der Qualität von Forschung und der Belastbarkeit von Forschungsergebnissen beitragen. Er wird in Kooperation mit dem QUEST Center for Responsible Research des Berlin Institute of Health (BIH) verliehen. „Als weltweit einziger Preis rückt der Einstein Foundation Award zum nunmehr dritten Mal Personen und Projekte ins Rampenlicht, die sich um Forschungsqualität verdient machen – durch außergewöhnliches Engagement, aber auch durch den Mut, kritisch auf die Forschungspraxis zu blicken“, so Martin Rennert, Vorstandsvorsitzender der Einstein Stiftung. „Dies wollen wir würdigen und als Impuls in die Öffentlichkeit tragen. Denn Zuverlässigkeit und Transparenz von Forschungsarbeit stärken das Vertrauen in die wissenschaftliche Arbeit insgesamt, auf die sich Gesellschaft und Politik immer stärker beziehen müssen, wenn es um die Bewältigung großer Herausforderungen geht.“ Der Preis wird in drei Kategorien vergeben: an Einzelpersonen, Institutionen und Nachwuchsforschende. Eine hochkarätig besetzte Jury, die verschiedene Disziplinen und Regionen der Welt repräsentiert, wählt die Preisträger:innen aus.
„Die Jury hatte die schwierige Aufgabe, die Gewinner aus der sehr großen Anzahl von exzellenten internationalen Nominierungen auszuwählen. Dies zeigt uns, dass weltweit sehr aktiv an der Verbesserung der Qualität in vielen Wissenschaftsbereichen gearbeitet wird“, sagt Ulrich Dirnagl, Gründungsdirektor des QUEST Center am BIH. „Der Einstein Foundation Award macht diese Bemühungen sichtbar, ehrt ihre Champions und stimuliert so Forscher:innen, sich ebenfalls zu engagieren.“
Jurymitglied Michel Cosnard, Informatiker an der Université de Nice Sophia-Antipolis, sieht die Auszeichnung von Yves Moreau als wichtige Anerkennung seines fachlichen wie ethischen Engagements. „Moreau verbindet tiefgreifende Forschung im Bereich der DNA-Analyse und der Künstlichen Intelligenz mit Ethik, Integrität und Menschenrechten“, so Cosnard. „Seine Arbeit und seine Errungenschaften sind ein Grundstein für die Auseinandersetzung mit den schwierigen sozialen Fragen, die sich aus der rasanten technologischen Entwicklung ergeben.“
Der Wirtschaftswissenschaftler Alvin Roth von der Stanford University, ebenfalls Jurymitglied, bekräftigte die Entscheidung für den Gewinner des Institutional Award. „Die Berkeley-Initiative für Transparenz in den Sozialwissenschaften spielt eine aktive und kreative Rolle bei der ‚Glaubwürdigkeitsrevolution‘ in der Wissenschaft, indem sie sorgfältige Experimente fördert und die Bemühungen unterstützt, Replikation und Verifizierung zur Regel zu machen.“
Der Einstein Foundation Award wird von der Damp Stiftung über einen Zeitraum von zehn Jahren finanziert und zusätzlich vom Land Berlin gefördert. Die Verlage Nature Portfolio und Public Library of Science (PLOS) und die Max-Planck-Förderstiftung unterstützen die Einstein Stiftung Berlin bei der internationalen Etablierung und Umsetzung des Preises.
Die Frist für internationale Nominierungen und Bewerbungen für den Einstein Foundation Award 2024 wird im Januar unter award.einsteinfoundation.de veröffentlicht.
Die Preisträger:innen 2023:
Individual Award I Yves Moreau, Katholieke Universiteit Leuven
Der Bioinformatiker Yves Moreau ist Professor für Ingenieurwissenschaften an der Katholieke Universiteit im belgischen Leuven. Moreau zählt zu den Pionier:innen der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Analyse von DNA, um seltene genetische Krankheiten zu diagnostizieren und Medikamente zu entwickeln. Er entwirft Algorithmen für Big-Data-Analysen, die den Schutz der Privatsphäre garantieren. Moreau setzt sich für ethische Standards beim Umgang mit sensiblen Daten in der Wissenschaft ein. An der Katholieke Universiteit Leuven unterrichtet er Big-Data-Ethik. Als "concerned scientist" mischt er sich in öffentliche Debatten ein, spricht sich gegen genetische Überwachungstechnologien aus und stellt seine Expertise unter anderem für Journalist:innen und Menschenrechtsaktivist:innen bereit. Sein Ziel ist es, ein starkes ethisches Bewusstsein unter Datenwissenschaftler:innen zu etablieren, was in Zeiten von KI, Sprachmodellen wie ChatGPT und Massenüberwachung essenziell ist. Moreau will das Preisgeld des mit 200.000 Euro dotierten Individual Award nutzen, um diesen kulturellen Wandel in den Datenwissenschaften voranzutreiben.
Institutional Award I Berkeley Initiative for Transparency in the Social Sciences
Die Berkeley Initiative for Transparency in the Social Sciences (BITSS) setzt sich für eine ethische, transparente und reproduzierbare Forschung in den Sozialwissenschaften ein, um der Glaubwürdigkeitskrise der Wissenschaften entgegenzuwirken und eine verlässliche Basis für politische Entscheidungen zu schaffen. BITSS entwickelt die nötige Infrastruktur für eine transparente sozialwissenschaftliche Forschungspraxis, etwa den Preprint-Service MetaArXiv oder die Social Science Reproduction Platform (SSRP) für Crowdsourcing-Projekte zu Reproduzierbarkeit. Die Initiative führt selbst Metastudien durch, um die Validität wissenschaftlicher Ergebnisse zu überprüfen. Mit Fortbildungen und Lernmaterialien zu Open-Science-Praktiken hat BITSS Zehntausende Sozialwissenschaftler:innen weltweit erreicht. Die Initiative wurde 2012 vom Center for Effective Global Action (CEGA) an der University of California in Berkeley gegründet und hat sich zu einer der weltweit aktivsten im Bereich der Open Science in den Sozialwissenschaften entwickelt. Die Preissumme für den Institutional Award beträgt 200.000 Euro.
Early Career Award I Preisträgerin und Shortlist
Aus 160 Einreichungen für den Early Career Award ging das Projekt Responsible Research Assessment als Gewinner hervor. Anne Gärtner von der Technischen Universität Dresden will damit neue Bewertungskriterien für Forschungsleistung entwickeln, die Qualität, Transparenz und Reproduzierbarkeit in den Vordergrund stellen, statt nur auf quantitative Indikatoren zu schauen. Die Kriterien sollen getestet und in den Verhaltens-, Kognitions- und Sozialwissenschaften etabliert werden. Die Preissumme beträgt 100.000 Euro.
Unter den Finalisten waren zudem folgende vier Initiativen:
1. Global Analytical Robustness Initiative zielt darauf ab, die Verlässlichkeit und Transparenz der Forschung in den Verhaltens- und Sozialwissenschaften durch die Etablierung verbesserter analytischer Standards zu steigern. Die Leitung der Big-Team-Science-Initiative liegt bei Barnabás Szászi von der Eötvös Loránd University Budapest (Ungarn).
2. Disentangling large-scale disease association data will die Datenbasis für präzisionsmedizinische Modelle komplexer Krankheiten aufschlüsseln, um eine gezieltere Medikamentenentwicklung und Nutzung erprobter Arzneimittel zu ermöglichen. Leitung: David B. Blumenthal, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
3. FORRT Replications Team – Tracking and Mainstreaming Replications across the Social, Behavioral and Cognitive Sciences möchte Replikationsstudien sichtbarer machen und deren Ergebnisse aufbereiten, damit sie leichter auffindbar und analysierbar werden. Leitung: Flavio Azevedo, Rijksuniversiteit Groningen (Niederlande).
4. Scholars in the Global South: Between Precarity and Persecution hat das Ziel, die Wissenschaftsfreiheit und Wissensproduktion im Globalen Süden zu stärken und eine Plattform für einen transparenten und disziplinenübergreifenden Diskurs von Aktivist:innen und Wissenschaftler:innen zu schaffen. Leitung: Cynthia Farid, University of Hong Kong.
Die Einstein Stiftung Berlin ist eine gemeinnützige, unabhängige und wissenschaftsgeleitete Einrichtung, die 2009 als Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet wurde. Sie fördert Wissenschaft und Forschung fächer- und institutionenübergreifend in und für Berlin auf internationalem Spitzenniveau. Mehr als 200 Wissenschaftler:innen – unter ihnen drei Nobelpreisträger –, über 70 Projekte und sieben Einstein-Zentren wurden bislang gefördert.
Die Damp Stiftung wurde von dem früheren Haupteigentümer der Klinikgruppe Damp, Dr. Walter Wübben, gegründet. Sie fördert insbesondere die medizinische Forschung und Lehre sowie soziale Projekte. Neben dem Einstein Foundation Award unterstützt die Damp Stiftung das Förderformat der Einstein-Profil-Professuren der Einstein Stiftung.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Ulrike Pannasch
Koordinatorin Einstein Foundation Award
up@einsteinfoundation.de
Weitere Informationen:
https://www.einsteinfoundation.de/medien/pressemitteilungen/2023/14112023-1023/