Auswirkung von Aerosolpartikeln auf Wolken und Klima besser erfasst
Weltweite Messungen und Modellrechnungen zeigen, dass komplexer Zusammenhang zwischen Chemie und Klimaeffekten von Aerosolpartikeln durch einfache Formel gut erfasst wird.
Leipzig/Mainz. Wie stark Aerosolpartikel das Klima beeinflussen, hängt davon ab, wieviel Wasser die Partikel in der Atmosphäre aufnehmen können. Die Fähigkeit zur Wasseraufnahme wird Hygroskopizität (K) genannt und hängt wiederum von weiteren Faktoren ab – insbesondere von der Größe und chemischen Zusammensetzung der Partikel, welche hoch variabel und komplex sein kann. Durch umfangreiche Untersuchungen konnte ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPIC) und des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) den Zusammenhang zwischen chemischer Zusammensetzung und Wasseraufnahme von Aerosolpartikeln auf eine einfache lineare Formel reduzieren. In einer Studie, die im Fachjournal „Nature Communications“ erschien, zeigten sie, dass die Hygroskopizität global gemittelt im Wesentlichen durch den Anteil organischer und anorganischer Stoffe an der Aerosolzusammensetzung bestimmt wird.
Die Hygroskopizität von Aerosolpartikeln ist ein wichtiger Faktor für den Effekt von Aerosolpartikeln auf das Klima und somit auch für die Vorhersage von Klimaänderungen durch globale Klimamodelle. „Die Wasseraufnahme hängt von der Zusammensetzung der Aerosolpartikel ab, die in der Atmosphäre stark variieren kann. Wir konnten in unserer Studie jedoch zeigen, dass man für die Berücksichtigung der Hygroskopizität in Klimamodellen vereinfachte Annahmen treffen kann“, erläutert Mira Pöhlker. Sie leitet am TROPOS die Abteilung „Atmosphärische Mikrophysik“ und ist Professorin an der Universität Leipzig. Dies sei die erste Studie, die anhand von Messergebnissen aus der ganzen Welt zeige, dass eine einfache lineare Formel verwendet werden kann, ohne große Unsicherheit in Klimamodelle zu bringen, resümiert die Aerosol- und Wolkenforscherin.
Dazu wertete das Team um Mira Pöhlker Daten aus 16 Messkampagnen zwischen 2004 und 2020 aus, bei denen die Hygroskopizität mittels Wolkenkondensationskeimmessungen und die chemische Zusammensatzung der Partikel mittels Aerosol-Massenspektrometrie (AMS) bestimmt wurde. Diese umfangreichen Daten deckten verschiedenste Regionen und Klimazonen der Erde ab: vom tropischen Regenwald am Amazonas über Großstadtregionen mit starker Luftverschmutzung in Asien bis hin zum borealen Nadelwald am Polarkreis in Europa.
Die Auswertung dieser Datensätze ergab: Die effektive Aerosol-Hygroskopizität (κ) kann aus den Massenanteilen organischer Stoffe (ϵorg) und anorganischer Ionen (ϵinorg) durch eine einfache, lineare Formel (κ = ϵorg ⋅ κorg + ϵinorg ⋅ κinorg) abgeleitet werden. „Trotz der chemischen Komplexität der organischen Materie wird ihre Hygroskopizität durch die einfache Formel gut erfasst“, erläutert Christopher Pöhlker, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie und Co-Autor der Studie. Im globalen Durchschnitt liege die Hygroskopizität für organische Partikelanteile bei κorg=0,12 ± 0,02 und für anorganischen Ionen bei κinorg = 0,63 ± 0,01.
Effekt der neuen Formel auf Klimavorhersagen
Um die neue Formel zu testen, nutzten die Forschenden das globale Aerosol-Klimamodell ECHAM-HAM. „Wir konnten in unserer Studie experimentell zeigen, dass an dieser Stelle vereinfachte Annahmen getroffen werden können, ohne große Unsicherheiten in den Modellergebnissen zu verursachen. Dadurch werden Untersuchungen und Vorhersagen zum Klimawandel zuverlässiger“, fasst Mira Pöhlker zusammen. „Ermöglicht wurde unsere Studie durch Messkampagnen mit internationalen Partnern an verschiedensten Standorten weltweit sowie durch langfristige Beobachtungen an besonderen Forschungsstationen wie beispielsweise dem ATTO-Observatorium im brasilianischen Regenwald“, betont Christopher Pöhlker vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz.
Wissenschaftlicher Hintergrund:
Die Wechselwirkungen atmosphärischer Aerosole mit Sonnenstrahlung und Wolken sind nach wie vor nur unzureichend verstanden und zählen zu den größten Unsicherheiten in der Modellbeschreibung und Vorhersage von Klimaänderungen. Ein Grund dafür sind viele offene Fragen um die Wasseraufnahme der Aerosolpartikel. Je nach Größe und chemischer Zusammensetzung können die winzigen Aerosolpartikel unterschiedlich viel Wasser aufnehmen. Dies ist wichtig sowohl für die Streuung von Sonnenstrahlung an den Aerosolpartikeln selbst, als auch für die Bildung von Wolkentropfen. Partikel, die mehr Wasser aufnehmen, streuen mehr Sonnenlicht zurück in das Weltall und können auch durch die Bildung von mehr Wolkentropfen kühlend wirken.
Publikation:
Mira L. Pöhlker, Christopher Pöhlker, Johannes Quaas, Johannes Mülmenstädt, Andrea Pozzer, Meinrat O. Andreae, Paulo Artaxo, Karoline Block, Hugh Coe, Barbara Ervens, Peter Gallimore, Cassandra J. Gaston, Sachin S. Gunthe , Silvia Henning, Hartmut Herrmann, Ovid O. Krüger, Gordon McFiggans, Laurent Poulain, Subha S. Raj, Ernesto Reyes-Villegas, Haley M. Royer, David Walter, Yuan Wang, Ulrich Pöschl: Global organic and inorganic aerosol hygroscopicity and its effect on radiative forcing. Nat Commun 14, 6139 (2023).
https://doi.org/10.1038/s41467-023-41695-8
Die Untersuchungen wurden gefördert von: Deutsches Klimarechenzentrum (DKRZ; project ID bb1036), Max Planck Society (MPG), Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF contracts 01LB1001A, 01LK1602B, and 01LK2101B (ATTO project)), European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme (grant No 821205 (FORCES)), French National Research Agency (grant no. ANR-17-MPGA-0013), NERC & Newton Fund through (grant ref. NE/P016480/1 (PROMOTE project of APHH-Delhi programme).
Kontakte für die Medien:
Prof. Dr. Mira Pöhlker
Leiterin Abteilung Atmosphärische Mikrophysik (AMP), Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) und Universität Leipzig
Tel. +49 341 2717-7431
https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/mira-poehlker
und
Dr. Christopher Pöhlker
Gruppenleitung, Multiphasenchemie , Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC), Mainz
Tel. +49-6131-305-7800
https://www.mpic.de/4493444/christopher-poehlker
und
Prof. Dr. Johannes Quaas
Universitätsprofessor für Theoretische Meteorologie, Universität Leipzig
Tel. +49-341-97-32931
https://www.uni-leipzig.de/personenprofil/mitarbeiter/prof-dr-johannes-quaas
oder
Tilo Arnhold, Öffentlichkeitsarbeit, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig
Tel. +49-341-2717-7189
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/
und
Susanne Benner/ Claudia Dolle/ Anne Reuter, Kommunikation, Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC), Mainz
Tel. +49-6131-305-3000, -3001, -3003
https://www.mpic.de/3477744/press-releases
und
Medienredaktion, Stabsstelle Universitätskommunikation, Universität Leipzig
Tel.: +49-341-97-35025
https://www.uni-leipzig.de/universitaet/service/medien-und-kommunikation
Messkampagnen, die in die Studie eingeflossen sind:
- ATTO 2014-2015 (tropischer Regenwald in Brasilien)
- PRIDE-PRD2006 (Guangzhou: ländliche Umgebung einer Megacity in China)
- CAREBeijing-2006 (Beijing: Vorstadt einer Megacity in China)
- Delhi-2018 (New Delhi: starke Luftverschmutzung in Indien)
- BACO-2020 (Barbados: saubere Meeresluft mit Ferntransport aus Afrika)
- PRACS-2004 (Puerto Rico: saubere Meeresluft mit etwas Luftverschmutzung)
- FACE-2005 (Feldberg im Taunus: ländlicher Hintergrund in Deutschland)
- CLACE-2006 (Jungfraujoch: hochalpin in der Schweiz)
- AMAZE-08 (tropischer Regenwald in Brasilien)
- EUCAARRI-2007 & 2009-2012 (Hyytiälä: borealer Wald in Finnland)
- MIRAGE-2006 (Flugzeugmessungen über in Mexiko)
- MILAGRO-2006 (Mexico-City: Megacity in Mexiko)
- INTEX-B-2006 (Flugzeugmessungen über den USA)
- Taunus-Observatorium-2012 (ländlicher Hintergrund in Deutschland)
- BEACHON-2010-2011 (Colorado: semi-arider Gebirgswald in den USA)
Weitere Informationen und Links:
Minerva Fast Track Project “Cloud Condensation Nuclei”
https://www.mpic.de/4484428/team-poehlker
CLACE - CLoud and Aerosol Characterization Experiment
https://www.mpic.de/3583800/clace
Laborstudien zum Zusammenhang zwischen hygroskopischem Wachstum und Tropfenaktivierung
https://www.tropos.de/forschung/aerosol-wolken-wechselwirkungen/prozessstudien-auf-kleinen-zeit-und-raumskalen/aerosol-und-wolken-mikrophysikalische-prozesse/aktivierung-von-wolkentropfen/laborstudien-zum-zusammenhang-zwischen-hygroskopischem-wachstum-und-tropfenaktivierung
Prozessstudien zum direkten und indirekten Strahlungsantrieb
https://www.tropos.de/institut/abteilungen/experimentelle-aerosol-und-wolkenmikrophysik/ag-troposphaerisches-aerosol/prozessstudien-zum-direkten-und-indirekten-strahlungsantrieb
Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 97 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.
Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Der Gesamtetat der Institute liegt bei 2 Milliarden Euro. Finanziert werden sie von Bund und Ländern gemeinsam. Die Grundfinanzierung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) getragen. Das Institut wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
http://www.leibniz-gemeinschaft.de
https://www.bmbf.de/
https://www.smwk.sachsen.de/
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
siehe Haupttext
Originalpublikation:
siehe Haupttext
Weitere Informationen:
https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/auswirkung-von-aerosolpartikeln-auf-wolken-und-klima-besser-erfasst