Erste Ergebnisse des Obstbau-Digitalisierungsprojekts »SAMSON« auf dem Digital-Gipfel 2023 der Bundesregierung in Jena
Sensorbox und mobile Messstäbe zur präzisen Erhebung von Baum- oder Flächen-spezifischen Daten – die Grundlage für eine zukünftig optimierte Bewirtschaftung von Obstanbauflächen mittels Digitalisierung und Automatisierung
Am 20. und 21. November 2023 findet in Jena der Digital-Gipfel der Bundesregierung mit dem Jahresschwerpunktthema »Digitale Transformation in der Zeitenwende. Nachhaltig. Resilient. Zukunftsorientiert.« statt. Neben Bundeskanzler Olaf Scholz und den ausrichtenden Bundesministern Dr. Robert Habeck (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, BMWK) und Dr. Volker Wissing (Bundesministerium für Digitales und Verkehr, BMDV) werden zahlreiche weitere Bundesministerinnen und -minister sowie hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft erwartet.
Am Montag, 20. November 2023 ab 10:00 Uhr geht es im Themenkontext »Nachhaltige digitale Transformation in landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten« um vier Projekte aus dem Forschungsförderprogramm des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) »Zukunftsbetriebe und Zukunftsregionen«, die zeigen, wie die digitale Transformation in der Landwirtschaft und entlang der nachgelagerten Branchen der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette nachhaltig vorangetrieben werden kann.
Das Forschungsprojekt »Smarte Automatisierungssysteme und -services für den Obstanbau an der Niederelbe«, kurz »SAMSON«, ist eines dieser vier Projekte, im Rahmen dessen ein neuer »Zukunftsbetrieb« im Alten Land in Norddeutschland entstehen soll.
Stellvertretend für die SAMSON-Verbundpartner Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW Hamburg, hochschule 21, Buxtehude, und Technische Universität Hamburg sowie den Obstbauversuchsring des Alten Landes e.V. (OVR) präsentiert Projektleiter und -koordinator Benjamin Schulze vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Stade während eines Speed Geekings die ersten FuE-Ergebnisse und steht den Teilnehmenden für fachlichen Austausch sowie Diskussion zur Verfügung.
Im Mittelpunkt stehen dabei eine eigens entwickelte, am Schlepper montierbare Sensorbox sowie mobile Messstäbe zur präzisen Erhebung von Baum- oder Flächen-spezifischen Daten, die die Grundlage für eine zukünftig optimierte Bewirtschaftung von Obstanbauflächen mithilfe von Digitalisierung und Automatisierung bieten. Besondere Bedeutung im Kontext der praxisorientierten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten mit Fokus auf den Apfelanbau hat der direkte fachliche Austausch mit Obstbaubetrieben sowie Beratungseinrichtungen vor Ort.
Digitale und automatisierte Lösungsansätze für aktuelle Herausforderungen im Obstanbau
Qualität und Quantität der Apfelernte hängen von vielen Faktoren ab, wie beispielsweise Klima, Baumschnitt, Vorjahresertrag sowie Nährstoffverfügbarkeit. Durch die Komplexität dieser Wechselbeziehungen kann es für den Anbauenden eine Herausforderung werden, Obstanbauflächen optimal zu verwalten und zu bewirtschaften – insbesondere im Hinblick auf die Zukunft mit weiteren Anforderungen durch Klimawandel und Fachkräftemangel.
Das Projekt SAMSON bietet hierfür Lösungsansätze. Es umfasst die Erforschung und Entwicklung intelligenter Automatisierungssysteme und -dienste, die den gesamten Obstanbau überwachen und saisonale Daten sammeln. Im Anschluss unterstützen diese datenbasierten Ergebnisse bei Entscheidungen für eine zukünftige Bewirtschaftung der Obstanbauflächen.
Hierbei steht im Vordergrund, den nachhaltigen Einsatz von Ressourcen im Obstanbau zu verbessern: saisonale Erntedaten wie Wachstum, Alternanz, Ernteergebnis, Wassereinsatz sowie Behandlungsmaßnahmen werden analysiert. Ziel ist es, datengestützte Einzelempfehlungen bis hin zur Behandlung des individuellen Obstbaums abzuleiten, zum Beispiel bei dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Smarte Automatisierungssysteme und -services des Projekts SAMSON können die Obstproduzenten unterstützen: die gesamte Anbaufläche wird überwacht und saisonübergreifende Kennzahlen über Ertrag, Qualität, Schädlingsbefall und Behandlungsmaßnahmen werden interaktiv auf mobilen Endgeräten angezeigt. So lässt sich eine effiziente und nachhaltige Bewirtschaftung erreichen.
Sensorbox – Die erste Entwicklung
Die Forschenden des Fraunhofer IFAM in Stade haben ein Multi-Sensorsystem, die sogenannte »Sensorbox«, für die Datenaufnahme in den Obstanlagen aufgebaut,
welches über die klassische Dreipunktaufnahme an jeden Schlepper montiert werden kann. In diesem Aufbau ist Sensorik zur Erfassung von Kamerabildern und präzisen GPS-Signalen integriert. Auf Grundlage der Bilddaten werden Künstliche Intelligenz- (KI-) Systeme zur Detektion von beispielsweise Schädlingsbefall entwickelt. Durch die GPS-Signale lassen sich die gesammelten Informationen einem Einzelbaum zuordnen. Zusätzlich werden in der Sensorbox verschiedene dreidimensionale Laserscanner (LiDAR) erprobt, die helfen können, ein dreidimensionales Abbild des Obstbaums zu erstellen.
Die Sensorbox ist dabei so konzipiert, dass sie bei üblichen Arbeiten und normalen Fahrgeschwindigkeiten in der Obstbaufläche mitgenommen werden kann und dort parallel sowie automatisiert Daten der Obstbäume erhoben werden können.
Von der Datenerhebung über die systematische Datenablage und den digitalen Zwilling bis zur praktischen Handlungsempfehlung
Mit dem Sensoraufbau wurden bereits während der Blütephase im Mai 2023 erste Datensätze im Alten Land gesammelt. Seit der Blütephase 2023 konnte auf dem Obstbauversuchsbetrieb der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und einem weiteren regionalen Praxisbetrieb in regelmäßigen Versuchsreihen zur Begleitung der Vegetationsphasen bereits eine große Datenmenge gesammelt werden.
Für eine eindeutige Zuordnung der erhobenen Sensordaten aus der Sensorbox zu den jeweiligen Flächen und einzelnen Bäumen wird an der Entwicklung einer Softwarelösung gearbeitet, die in Zusammenarbeit mit einem mobilen Messstab genutzt werden kann, um die Anbauflächen präzise einzumessen. Die Obstbauexpertinnen und -experten des Obstbauversuchsringes des Alten Landes e.V. testen diese speziell für den Kernobstanbau entwickelte Lösung in der Praxis und decken dabei weitere Anwendungspotenziale, wie beispielsweise die Einmessung von Bewässerungs- und Drainageleitungen, auf.
Die Forschenden der Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW Hamburg haben zudem ein erstes Datenmodell entwickelt, welches die strukturierte Ablage aller Daten und Informationen gewährleistet. Vergleichbar mit dem Ordnersystem eines Computers oder eines Aktenschrankes werden die automatisiert erhobenen Daten gemäß einer systematischen Vorgehensweise abgelegt und bereitgestellt. Die daraus resultierenden Datenbanken enthalten Kenntnisse über die Beziehungen der Datenpunkte zueinander und bieten das Potenzial zum effizienten Einsatz von Algorithmen und Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI). Die systematische Ablage aller anbaurelevanten Informationen stellt das Rückgrat des Digitalen Zwillings dar, sodass darauf aufbauend Vorhersagemodelle, Handlungsempfehlungen und automatisierte Dokumentationsarbeiten abgeleitet werden können.
Ausblick
Auf Basis der Datenerhebung während der Vegetationsphasen der Saison 2023 befassen sich die Forschenden zum einen mit der Optimierung der Sensorbox und zum anderen mit der Auswertung der Daten sowie dem intensiven Training der KI-Modelle. Für die Saison 2024 stehen zwei Sensorboxen mit unterschiedlichen Sensorbestückungen zur Verfügung, die kontinuierlich auf dem Zukunftsbetrieb SAMSON und bei weiteren interessierten Obstproduzenten eingesetzt werden. Zudem können sich die Teilnehmenden der im Januar 2024 angebotenen Workshops im Alten Land über den Einsatz präziser GPS-Systeme sowie die Funktionsweise und den praktischen Einsatz nicht nur von mobilen Messstäben sondern auch der Sensorbox informieren.
Auftraggeber
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert das Forschungsprojekt »Smarte Automatisierungssysteme und -services für den Obstanbau an der Niederelbe« (»SAMSON«; Förderkennzeichen: 28DE201B21). Die Laufzeit des Projekts beträgt drei Jahre und endet im Dezember 2025. Im Namen aller Projektpartner bedankt sich das Fraunhofer IFAM bei dem Bundesministerium für die Förderung sowie bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) als Projektträger für deren Unterstützung.
Weitere Informationen:
http://www.de.digital
http://www.samson-projekt.de
http://www.ifam.fraunhofer.de/stade
http://www.haw-hamburg.de
http://www.hs21.de
http://www.tuhh.de/itl
http://www.esteburg.de
http://www.ble.de/DE/Projektfoerderung/Foerderungen-Auftraege/Zukunftsbetriebe/Zukunftsbetriebe.html