Immer mehr Muslim_innen lassen sich in Deutschland bestatten. AIWG veröffentlicht Expertise zu islamischen Bestattungen
Mehr als 5,5 Millionen Muslim_innen leben in Deutschland. Immer mehr von ihnen wollen auch hierzulande beerdigt werden. Die gestiegene Nachfrage nach islamischen Bestattungen stellt deutsche Kommunen und muslimische Gemeinden vor vielfältige Herausforderungen.
Ohne Sarg, ausgerichtet nach Mekka – nach diesen religiösen Vorgaben werden Muslim_innen traditionell beerdigt. Doch inwieweit werden diese Vorgaben mittlerweile auch auf deutschen Friedhöfen umgesetzt? Welche Lösungen haben Friedhofsbetreiber_innen gefunden, um Bestattungen nach islamischen Ritus zu ermöglichen?
Die heute von der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft veröffentlichte Expertise „Islamische Grabfelder und Bestattungen auf deutschen Friedhöfen“ liefert auf einer breiten Datenbasis erstmals ein genaues Bild zum aktuellen Stand von islamischen Bestattungen auf kommunalen Friedhöfen in Deutschland. Der Hauptautor, Prof. Dr. Thomas Lemmen, Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, hat im Rahmen seines Forschungsfellowships für die AIWG-Expertise eine quantitative Erhebung durchgeführt, an der sich bundesweit rund 86 Prozent der mehr als 300 Friedhofsverwaltungen, die über islamische Grabfelder verfügen, beteiligt haben. Die ausgewerteten Daten zeigen: Einer islamkonformen Beisetzung steht aus rechtlicher Sicht wenig entgegen, das deutsche Bestattungsrecht berücksichtigt weitgehend religiöse Vorstellungen von Muslim_innen.
Dennoch fehlt es auf deutschen Friedhöfen bislang oft an Wissen dazu, was bei Bestattungen von Muslim_innen und der Einrichtung von islamischen Grabfeldern zu beachten ist und an wen sich Friedhöfe wenden können. Daher präsentiert die Publikation nicht nur die empirischen Daten und Informationen zur historischen Entwicklung, sondern auch Anschauungsmaterial und Beiträge zu Ritualen und praktischen Fragen hinsichtlich der religiösen Grundlagen sowie dem Ablauf islamischer Bestattungen, verfasst von Dr. Özgür Uludağ.
„Zum Leben gehört das Lebensende mit dem Bestattungsort als letzter und ewiger Endstation. Mit der wachsenden religiösen und weltanschaulichen Heterogenität müssen sich auch Bestattungsunternehmen, kommunale Ämter und Friedhofsverwalter befassen. Für sie hält diese Expertise wichtige Informationen bereit, wie auch für Wissenschaftler_innen, die sich mit dem Themenkomplex befassen. Sie richtet sich zudem an Muslim_innen und deren Institutionen, die sich in Deutschland nicht nur mit spezifischen religiösen Fragen im Todesfall konfrontiert sehen, sondern auch mit amtlichen und praktischen Herausforderungen“, so Dr. Raida Chbib, Geschäftsführerin der AIWG.
Die vollständige Publikation kann auf der Website der AIWG heruntergeladen werden unter: https://aiwg.de/wp-content/uploads/2023/11/AIWG010_Expertise_230803_Screen.pdf
Save the date: Live Talk mit den Autoren
Am 28. November 2023 veranstaltet die AIWG ab 16 Uhr einen Live-Talk mit den Autoren. Mehr Informationen zur Veranstaltung sind in Kürze abrufbar unter: https://aiwg.de/
Über die Autoren
Prof. Dr. Thomas Lemmen ist Honorarprofessor im Fachbereich Sozialwesen der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Köln, und Studiengangleiter des berufsbegleitenden Masterstudiengangs „Interreligiöse Dialogkompetenz“. Seine Forschungsschwerpunkte sind Grundlagen und praktische Ansätze des interreligiösen Dialogs sowie aktuelle Themen muslimischen Lebens in Deutschland. Von Oktober 2021 bis Juni 2022 hat er als Forschungsfellow an der AIWG das Projekt „Islamische Bestattungen in Deutschland: Eine Bestandsaufnahme der Anpassung bestattungsrechtlicher Regelungen von Ländern und Kommunen an religiöse Bedürfnisse und Erwartungen von Muslim_innen in Deutschland“ durchgeführt. Mehr zum Forschungsfellowship der AIWG können Sie hier nachlesen.
Dr. Özgür Uludağ hat an der Universität Hamburg Islamwissenschaft, Philosophie, Politikwissenschaft, Turkologie und Migrationssoziologie studiert. An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat er mit einer Dissertation zu „Islamische Bestattungen und die Entscheidungsfindung bei der Ortswahl des Grabes“ promoviert. Neben seinem Studium hat er jahrelang als Bestatter Muslim_innen beigesetzt oder überführt. Im Rahmen seines AIWG-Praxisfellowships ist eine multimediale Webseite zu Islamischen Bestattungen in Deutschland enstanden. Die Webseite ist abrufbar unter: https://one.pageflow.io/islamische-bestattungen-in-deutschland
Über die AIWG
Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität in Frankfurt ist eine Fachakademie, die bundesweit interdisziplinäre Forschung und Transfer in den islamisch-theologischen Studien und zum muslimischen Leben in Deutschland betreibt. Sie verbindet alle Hochschulstandorte der Islamischen Theologie und Religionspädagogik in Deutschland. In ihrer gesellschaftlichen Ausrichtung befasst sie sich unter Einbindung religionsbezogener Perspektiven mit Fragen von Teilhabe und Partizipation. Die AIWG wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Pressekontakt
Stefanie Golla-Dehmamy
Koordinatorin Wissenschaftskommunikation
und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 069-798 22459
E-Mail: golla@aiwg.de
Korrekturen
24.11.2023 19:32
Bitte beachten Sie, dass es eine Korrektur der Pressemitteilung gab.
Der folgende Satz entfällt: Dennoch fehlt es auf deutschen Friedhöfen bislang oft an Wissen dazu, was bei Bestattungen von Muslim_innen und der Einrichtung von islamischen Grabfeldern zu beachten ist und an wen sich Friedhöfe wenden können.
Die korrigierte Pressemitteilung können Sie abrufen unter: https://aiwg.de/wp-content/uploads/2023/11/Korrigierte-Pressemitteilung_Immer-mehr-Muslim_innen-lassen-sich-in-Deutschland-bestatten.-AIWG-veroeffentlicht-Expertise-zu-islamischen-Bestattungen.pdf
24.11.2023 09:18
Das hohe Interesse der Friedhofsverwaltungen am Thema islamischer Bestattungen spiegelt die sich wandelnde Realität der Migrationsgesellschaft wider. Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass die Umsetzung der Bestattungsvorschriften im kommunalen Kontext im Diskurs zwischen Friedhofsverwaltungen und muslimischen Interessenvertretungen gelungen ist. „Friedhofsträger in Deutschland sind sehr gut aufgestellt, um den Herausforderungen bei der Einrichtung islamischer Grabfelder gerecht zu werden. Dass die überwältigende Mehrheit sich nicht nur an der aufwändigen Umfrage beteiligt hat, sondern dass auch sehr viele Friedhofsverwaltungen mittlerweile in einem intensiven Austausch mit muslimischen Gemeinschaften vor Ort stehen, ist ein Zeichen gelungener Integration und eines funktionierenden interreligiösen Miteinanders“, sagt Thomas Lemmen.