Ein Wald für Forschung, Lehre und Transfer: Start für Aufforstungsprojekt der KU
Der Klimaschutz und Anpassungen an den Klimawandel stellen zentrale Herausforderungen im 21. Jahrhundert dar. Ein wirksamer und naturbasierter Ansatz zum Klimaschutz ist die Aufforstung. Durch die wissenschaftliche Begleitung der Aufforstung eines etwa 2500 Quadratmeter großen Waldstücks nur wenige Kilometer vom Eichstätter Campus der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) entfernt erhoffen sich Forschende der KU nun neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit solcher Maßnahmen. In einem ersten Schritt haben freiwillige Helferinnen und Helfer der KU jetzt unter fachkundiger Anleitung Baumzöglinge auf der Fläche gepflanzt.
Nicht nur als Ort der Forschung fungiert das Areal, der Forschungswald wird auch in der Lehre verankert und bietet zudem Raum für Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Für das Aufforstungsprojekt kooperieren die Professur für Physische Geographie/Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung unter Leitung von Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette mit der Gemeinde Nassenfels, dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ingolstadt-Pfaffenhofen an der Ilm sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Das Projekt „Mensch in Bewegung“ der KU will sich wiederum Fragen einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) annehmen und das Areal neben dem Eichstätter Kapuzinergarten zusammen mit weiteren Bereichen in ein Netzwerk von Bildungsorten für BNE integrieren.
Die Initiative für das Projekt geht zurück auf den Kanzler der KU, Eckhard Ulmer. Im Austausch mit Professorin Jochner-Oette hatte er Überlegungen dazu angestellt, wie man nicht nur symbolisch an entfernten Orten der Welt eine Aufforstung unterstützen könne, sondern ganz praktisch im direkten Umfeld der Region. Im Austausch mit verschiedenen Stellen fiel die Wahl dann auf ein Areal in der Gemeinde Nassenfels, östlich des Ortes Möckenlohe. Auf einem 2500 Quadratmeter großen Waldstück hatte der Borkenkäfer einen Fichtenbestand vernichtet. „Das war bislang der Brotbaum der Forstwirtschaft“, schilderte Peter Birkholz (Bereichsleiter Forsten beim AELF) zu Beginn der Pflanzaktion. Doch diese Sorte ist absehbar anfällig für die Folgen des Klimawandels, sodass die Strategie für die Wälder der Zukunft darin bestehe, das Risiko bei der Wahl der Bäume zu streuen. Entsprechend breit ist die Vielfalt an Sorten, die nun in dem Gebiet ausgebracht worden sind. Neben Eichen und Hainbuchen finden sich dort nun auch Elsbeeren und Flatterulmen. Letztere zeichnen sich zum Beispiel dadurch aus, dass ihre Wurzeln besonders tief reichen und sie so bessere Chancen haben, auch in trockeneren Perioden an Wasser zu gelangen.
Für die über 40 Studierenden und Mitarbeitenden der KU als Freiwillige der Pflanzaktion galt es, etwa 1500 Zöglinge auszubringen. Doch damit diese zu kräftigen Bäumen heranwachsen, genügt es nicht, wahllos ein Loch zu graben und die Pflanzenkinder darin einfach mit Erde zu bedecken. Forstwirtschaftsmeister Andreas Böhm erläuterte den Teilnehmenden deshalb den sachgerechten Umgang mit dem Hohlspaten. Mit diesem kratzt man zunächst das Blattwerk und den Rohhumus beiseite, der aufgrund seiner sauren Beschaffenheit nicht ins Pflanzloch gelangen darf. Mit dem Arbeitsgerät, dessen Schild die Form eines Halbmondes hat, wird mit zwei kräftigen Stichen ein Ballen ausgehoben. In das Loch muss der Zögling dann so eingebracht werden, dass die Wurzel nicht gestaucht wird und senkrecht wächst. Der Wurzelhals muss wiederum tief genug im Boden sein, damit die Jungpflanzen nicht binnen kurzer Zeit vertrocknet. Die mit dem Hohlspaten abgestochene Erde wird abschließend wieder in das Pflanzloch gekrümelt und sanft festgetreten. Die anwesenden Forstprofis hatten zur Orientierung Peilstäbe auf dem Areal platziert, damit die Pflanzreihen gleichmäßig verteilt sind. Für die Versorgung der fleißigen Helferinnen und Helfer sorgte die Gemeinde Nassenfels, dessen Bürgermeister Thomas Hollinger von einer Win-Win-Situation sprach, um den zukunftsfähigen Ausbau des Waldes voranzutreiben.
Wälder erbringen viele Ökosystemdienstleistungen, die für den Menschen und die Gesellschaft wichtig sind – von der Kohlenstoffspeicherung bis zur Reduktion von Temperatur. Der in dem Areal nun von Grund auf neu wachsende Wald bietet Professorin Susanne Jochner-Oette Gelegenheit, dessen Entwicklung von Anfang an unter einer Vielfalt von Gesichtspunkten langfristig wissenschaftlich zu begleiten. Dazu werden diverse Messgeräte im Forschungswald platziert, um über die Jahre hinweg Datenreihen zu sammeln. Die Fragestellungen des Monitorings, das sie zusammen mit ihrem Team und Studierenden betreiben wird, reichen von der Bodenfeuchte und der Temperatur im Vergleich zu Freiflächen über Pollenverteilung und Biodiversität bis hin zur Menge an CO2, die auf der Fläche aufgenommen wird. „Ich bin der Meinung, dass der Wald ein bioklimatisches Refugium mit niedrigeren Temperaturen und besserer Luftqualität darstellt. Wälder werden im Zuge des Klimawandels künftig häufiger aufgesucht werden“, sagt Professorin Susanne Jochner-Oette. In die kontinuierlichen Untersuchungen werden bewusst die Studierenden eingebunden, die nicht nur bei der Anpflanzung unterstützen, sondern etwa auch die Messreihen begleiten werden.
Generell spielen nicht nur langfristige forstwirtschaftliche und wissenschaftliche Aspekte bei dem Projekt eine Rolle, wie der Amtschef des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Hubert Bittlmayer betonte: „Neben dem Wissen zur Auswahl der Pflanzen brauchen wir auch ein Verantwortungsgefühl für Wald und Natur, das kann man nicht nur an Profis delegieren. Was wir heute pflanzen, müssen wir zwei Generationen pflegen!“ Deshalb sei es auch ein Anliegen aller Beteiligten, ein Bewusstsein für die große Bedeutung von Wäldern zu vermitteln – etwa auch als Anregung für weitere solcher Initiativen. Deshalb wird der Forschungswald nicht für ein Ort von Lehre und Forschung, sondern auch des Transfers in die Gesellschaft sein. Vor diesem Hintergrund hatten Studierende – darunter viele aus dem Masterstudiengang Bildung für Nachhaltige Entwicklung – im Zuge eines Service-Learning-Projektes verschiedene Lernstationen entwickelt, die begleitend zur Pflanzaktion nicht nur über Boden- und Baumarten oder den Borkenkäfer informierten, sondern auch zur Diskussion darüber anregten, was der Baum für jeden individuell für eine Bedeutung hat. Betreut wurden sie dabei von der „Mensch in Bewegung“-Mitarbeiterin Johanna Umbach, die bereits die Arbeiten im Eichstätter Kapuzinergarten als bürgerschaftliches Projekt für Nachhaltigkeit und Bildung für Nachhaltige Entwicklung koordiniert.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette (Professur für Physische Geographie/Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung; susanne.jochner@ku.de)