Leibniz-Promotionspreise gehen nach Bremen und Berlin
Die ausgezeichneten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschten zu einem Verfahren zur Bestimmung von Werkstoffeigenschaften sowie zu Effekten familienpolitischer Maßnahmen.
Die diesjährigen Leibniz-Promotionspreise gehen in der Kategorie Natur- und Technikwissenschaften an die Materialforscherin Nicole Mensching vom Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien in Bremen sowie an den Wirtschaftswissenschaftler Jonas Jessen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin in der Kategorie Geistes- und Sozialwissenschaften.
Dr.-Ing. Nicole Mensching (30) vom Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien (IWT) in Bremen erhält den Promotionspreis 2023 der Leibniz-Gemeinschaft in der Kategorie Natur- und Technikwissenschaften für ihre Arbeit „Charakterisierung metallischer Werkstoffe durch partikel-orientiertes Strahlen“, mit der sie an der Universität Bremen promoviert wurde. Das von Nicole Mensching im Zuge der Dissertation entwickelte und erforschte Verfahren des „partikel-orientierten Strahlens“ zur Charakterisierung der Eigenschaften von Werkstoffzusammensetzungen und -zuständen ermöglicht eine im Vergleich zu konventionellen Verfahren signifikant weniger kosten-, zeit- und materialintensive Bestimmung von Materialeigenschaften. In seiner Durchführung ähnelt das Verfahren dem sogenannten „Kugelstrahlen“, einer Methode zur Behandlung von Oberflächen mit Hilfe aufgestrahlter Partikel, basiert im Gegensatz dazu aber auf der gezielten Beschleunigung und anschließender Analyse eines einzelnen Partikels. Auswertungen von Partikelflug und -deformation in Folge des Aufpralls gestatten Rückschlüsse auf zentrale Eigenschaften und Kennzahlen des gestrahlten Materials, wie etwa die Streck- und Dehngrenze oder die Martens-Härte, einer Kenngröße der instrumentierten Eindringprüfung entsprechend der Norm DIN EN ISO 14577.
Rainer Fechte-Heinen, Vorsitzender des IWT-Direktoriums und Direktor der Amtlichen Materialprüfungsanstalt der Freien Hansestadt Bremen, hält fest: „Fachübergreifend hat sich Frau Dr. Mensching in ihrer Arbeit mit höchstem wissenschaftlichen Anspruch sowohl fertigungstechnischen als auch werkstoffkundlichen und verfahrenstechnischen Aspekten gewidmet“ und betont, dass „aufgrund der Vielzahl untersuchter Eisen- und Nichteisenmetalle und einem damit verbundenen breiten Eigenschaftsspektrum“ in Menschings Dissertation „Zusammenhänge identifiziert [wurden], die im Rahmen der Entwicklung neuartiger Werkstoffe für anspruchsvolle Anforderungsprofile im Maschinen- und Anlagenbau, in der Luft- und Raumfahrt, in der Medizintechnik und im Automobilbau genutzt werden können.“
Nicole Mensching, geb. Wielki, studierte „Produktionstechnik - Maschinenbau und Verfahrenstechnik“ an der Universität Bremen, wo sie 2017 den Titel Master of Science erlangte. Die anschließende Promotion erfolgte an der Universität Bremen und am Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien, wo sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Hauptabteilung „Fertigungstechnik“ tätig ist. Seit 2019 ist Mensching am IWT Leiterin des Teams „Mechanische Oberflächenbehandlungen“.
Publikationen (Auswahl):
• M. Steinbacher, G. Alexe, M. Baune, I. Bobrov, I. Bösing, B. Clausen, T. Czotscher, J. Epp, A. Fischer, L. Langstädtler, D. Meyer, S. Raj Menon, O. Riemer, H. Sonnenberg, A. Thomann, A. Toenjes, F. Vollertsen, N. Wielki, N. Ellendt: Descriptors for High Throughput in Structural Materials Development, High-Throughput 8 (2019), https://www.doi.org/10.3390/ht8040022 (Open Access)
• N. Wielki, M. Steinbacher, D. Meyer: Multiscale Material Characterization Based on Single Particle Impact Utilizing Particle-Oriented Peening and Single-Impact Peening, Materials 13 (2020), https://www.doi.org/10.3390/ma13040904 (Open Access)
• N. Wielki, H. Sonnenberg, D. Meyer, B. Clausen: Particle-oriented peening as method to investigate the material dependent deformation behavior, Journal of Materials Processing Technology (2020), https://doi.org/10.1016/j.jmatprotec.2020.116960
• N. Ellendt, B. Clausen, N. Mensching, D. Meyer, C. Plump, H. Sonnenberg, M. Steinbacher, A. Toenjes: Experimental Methods to Enable High-Throughput Characterization of New Structural Materials, JOM (2021), https://doi.org/10.1007/s11837-021-04901-w
Dr. rer. pol. Jonas Jessen (33) wird für seine am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Freien Universität Berlin entstandene Dissertation „Unintended Consequences and Spill-over Effects of Family Policies: Six Essays in Labour and Family Economics” (Unbeabsichtigte Folgen und Übertragungseffekte familienpolitischer Maßnahmen) mit dem Leibniz-Promotionspreis 2023 in der Kategorie Geistes- und Sozialwissenschaften ausgezeichnet. In ihr untersuchte er familienpolitische Maßnahmen wie Elternzeit oder frühkindliche Betreuung und deren teils unerwünschte Effekte und Nebeneffekte.
So konnte Jonas Jessen mit Blick auf Mutterschutz und Elternzeiten zeigen, dass die daraus meistens bei (werdenden) Müttern entstehenden Kosten für die Firmen steuerfinanziert ausgeglichen werden sollten. So könnten negative Konsequenzen durch statistische Diskriminierung verhindert werden, die nicht nur werdende Mütter, sondern alle jungen Frauen treffen, da die Firmen der statistischen Wahrscheinlichkeit, dass diese schwanger werden, dadurch begegnen, dass sie ihnen generell niedrigere Löhne zahlen, um höhere Kosten durch Mutterschutzzahlungen einzupreisen.
Mit Blick auf Kindertagesbetreuung als familienpolitische Maßnahme für ein entwicklungsförderndes Umfeld für Kinder ergab sich, dass Kinder von weniger gebildeten Eltern oder Eltern mit Migrationshintergrund eine um 37 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit hatten, eine Kita zu besuchen. Für Eltern mit niedrigerem Bildungshintergrund sorgten der Ausbau von Betreuungsplätzen und eine Reduzierung der elterlichen Gebühren für geringe Unterschiede in den Nutzungsquoten. Bei Kindern mit Migrationshintergrund zeigte dies hingegen weniger Wirkung, so dass Jonas Jessen zusätzlich ein transparentes, unabhängiges Bewerbungssystem empfiehlt, um mögliche Diskriminierungseffekte auszuschließen.
Bei der Untersuchung von Langzeiteffekten durch unterschiedliche Normen zur Erwerbstätigkeit von Müttern zwischen der Bundesrepublik und der DDR sowie deren Ausstrahlung auf die Zeit nach der Wiedervereinigung zeigte sich unter anderem, dass Mütter in der DDR trotz erhöhter bezahlter Erwerbstätigkeit immer noch einen Großteil der unbezahlten Hausarbeit verrichteten. Andererseits hatten die negativen Effekte von Elternschaft („child penalities“) geringere Auswirkungen bei Ostdeutschen, was Jonas Jessen auf langfristige Effekte durch eine deutlich positivere Einstellung zur mütterlichen Erwerbsbeteiligung zurückführt. Daraus schließt er, dass familienpolitische Maßnahmen auch langfristige Effekte über einen Wandel von Normen haben können.
Zusammenfassend plädiert er bei familienpolitischen Maßnahmen für eine ganzheitliche Perspektive, die nicht nur die unmittelbar Betroffenen in den Blick nimmt, sondern auch andere Akteure wie zum Beispiel Firmen und ihre Anreize in Betracht zieht.
Die Betreuerin und Erstgutachterin der Dissertation, C. Katharina Spieß, ehemalige Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW Berlin und heute Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, lobt die Arbeit als „zweifelsohne einen wichtigen Beitrag zu den vier wirtschaftswissenschaftlichen Bereichen Familie, Arbeit, Geschlecht und Bildung.“
Jonas Jessen studierte Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, woran sich ein Masterstudium am University College London anschloss. Nach der Dissertation an DIW Berlin und Freier Universität folgte eine PostDoc-Position an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Seit 2023 ist Jonas Jessen als Research Associate am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Berlin tätig.
Publikationen (Auswahl):
• Jonas Jessen, Sophia Schmitz, Sevrin Waights: “Understanding Day Care Enrolment Gaps", Journal of Public Economics 190 (2020), 104252. https://doi.org/10.1016/j.jpubeco.2020.104252
• Jonas Jessen: “Culture, Children and Couple Gender Inequality", European Economic Review 150 (2022), 104310. https://doi.org/10.1016/j.euroecorev.2022.104310
• Jonas Jessen, Robin Jessen, Jochen Kluve: “Punishing Potential Mothers? Evidence for Statistical Employer Discrimination from a Natural Experiment", Labour Economics (2019), S. 164-172. https://doi.org/10.1016/j.labeco.2019.04.002.
Der Promotionspreis der Leibniz-Gemeinschaft:
Der Promotionspreis der Leibniz-Gemeinschaft wird jährlich für die besten Doktorarbeiten aus Leibniz-Instituten – im Jahr 2022 etwa 900 in den Kategorien „Geistes- und Sozialwissenschaften“ und „Natur- und Technikwissenschaften“ vergeben. Die prämierten Arbeiten müssen sich neben einer herausragenden Bewertung durch eine fächerübergreifende Bedeutung, einen Anwendungsbezug und Publikation in Fachzeitschriften oder Präsentationen auf Fachkonferenzen auszeichnen. Er ist mit jeweils 5.000 Euro dotiert. Die Auswahl der Preisträgerinnen und Preisträger trifft die elfköpfige Leibniz-Preisjury, die aus Personen des öffentlichen Lebens und leitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter dem Vorsitz von Leibniz-Präsidentin Martina Brockmeier besteht, aus den Vorschlägen der wissenschaftlichen Sektionen der Leibniz-Gemeinschaft.
www.leibniz-gemeinschaft.de/karriere/karriere-in-der-wissenschaft/promotion-in-der-leibniz-gemeinschaft/promotionspreis
Pressefotos der Ausgezeichneten finden Sie unter www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/neues/presse/pressefotos.html
Pressekontakt für die Leibniz-Gemeinschaft:
Christoph Herbort-von Loeper
Tel.: 030 / 20 60 49 - 471
Mobil: 0174 / 310 81 74
herbort@leibniz-gemeinschaft.de
Die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 97 eigenständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Finanzvolumen liegt bei zwei Milliarden Euro.
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