Grenzen für Quantencomputer: Perfekte Uhren sind unmöglich
Immer besser gelingt es, Rechnungen mit Quantencomputern durchzuführen. Berechnungen der TU Wien zeigen aber: Es gibt fundamentale Grenzen – nämlich die Qualität der verwendeten Uhr.
Es gibt unterschiedliche Ideen, wie man Quantencomputer bauen könnte. Aber sie alle haben eines gemeinsam: Man verwendet ein quantenphysikalisches System – zum Beispiel einzelne Atome – und verändert ihren Zustand, indem man sie für ganz bestimmte Zeit ganz bestimmten Kräften aussetzt. Das bedeutet allerdings: Um sich darauf verlassen zu können, dass die Quanten-Rechenoperation das richtige Ergebnis liefert, braucht man eine möglichst präzise Uhr.
Doch hier stößt man auf Probleme: Perfekte Zeitmessung ist nämlich unmöglich. Jede Uhr hat zwei fundamentale Eigenschaften: eine bestimmte Präzision und eine bestimmte Zeitauflösung. Die Zeitauflösung gibt an, wie klein die Zeitintervalle sind, die sich messen lassen – also wie oft die Uhr tickt. Die Präzision sagt, mit welcher Ungenauigkeit man bei jedem einzelnen Ticken rechnen muss. Das Forschungsteam konnte zeigen: Nachdem keine Uhr unendlich viel Energie zur Verfügung hat (beziehungsweise unendlich viel Entropie erzeugt), kann sie niemals gleichzeitig perfekte Auflösung und perfekte Präzision haben. Das setzt den Möglichkeiten von Quantencomputer grundlegende Grenzen. In zwei aktuellen Publikationen wurde diese Erkenntnis nun veröffentlicht.
Quanten-Rechenschritte sind wie Drehungen
In unserer klassischen Welt sind perfekte Rechenoperationen kein Problem. Man kann zum Beispiel einen Abakus verwenden, bei dem Holzkügelchen auf einem Stab aufgefädelt sind und hin und her geschoben werden. Die Holzkügelchen haben eindeutige Zustände, jedes befindet sich an einem ganz bestimmten Platz, wenn man nichts unternimmt, bleibt das Kügelchen genau dort, wo es war. Und ob man das Kügelchen schnell oder langsam verschiebt, ist für das Ergebnis egal.
In der Quantenphysik ist das aber komplizierter. „Einen Quantenzustand im Quantencomputer zu verändern, entspricht mathematisch gesehen einer Drehung in höheren Dimensionen“, sagt Jake Xuereb, der Erstautor des ersten Papers, der am Atominstitut der TU Wien im Team von Marcus Huber forscht. „Damit man am Ende den gewünschten Zustand erreicht, muss die Drehung für einen ganz bestimmte Zeitraum angewendet werden. Sonst dreht man den Zustand entweder zu kurz oder zu weit.“
Entropie: Die Zeit macht alles immer unordentlicher
Mit seinem Team untersuchte Marcus Huber ganz allgemein, welche Gesetze für jede nur denkbare Uhr immer gelten müssen. „Zeitmessung hat immer mit Entropie zu tun“, erklärt Marcus Huber. In jedem abgeschlossenen physikalischen System nimmt die Entropie zu, es wird immer ungeordneter. Genau diese Entwicklung legt die Richtung der Zeit erst fest: Zukunft ist dort, wo die Entropie höher ist, Vergangenheit ist dort, wo die Entropie noch niedriger war.
Wie man zeigen kann, ist auch jede Zeitmessung zwangsläufig mit einer Entropieerhöhung verbunden: Eine Uhr braucht zum Beispiel eine Batterie, deren Energie am Ende über die Mechanik der Uhr in Reibungswärme und hörbares Ticken umgewandelt wird – ein Prozess, bei dem ein ziemlich geordneter Zustand in der Batterie zu einem ziemlich ungeordneten Zustand von Wärmestrahlung und Schall umgewandelt wird.
Auf dieser Basis konnte das Forschungsteam ein mathematisches Modell erstellen, dem grundsätzlich jede denkbare Uhr gehorchen muss. „Bei gegebener Entropiezunahme gibt es einen Tradeoff zwischen Zeitauflösung und Präzision“, sagt Florian Meier, der Erstautor der zweiten Publikation. „Das heißt: Entweder die Uhr arbeitet schnell oder sie arbeitet exakt – beides gleichzeitig ist nicht möglich.“
Grenzen für Quantencomputer
Diese Erkenntnis bringt nun eine natürliche Grenze für Quantencomputer mit sich: Die Auflösung und Präzision, die man mit Uhren erreichen kann, limitiert die Geschwindigkeit und die Zuverlässigkeit, die mit Quantencomputern erreichbar sind.
„Derzeit ist das noch kein Problem“, sagt Marcus Huber. „Momentan ist die Genauigkeit von Quantencomputern noch durch andere Größen limitiert, zum Beispiel durch die Präzision der verwendeten Bauteile oder elektromagnetischen Felder. Aber unsere Rechnungen zeigen auch: Man ist heute nicht mehr weit von dem Bereich entfernt, in dem die fundamentalen Grenzen der Zeitmessung die entscheidende Rolle spielen.“
Wenn also die Technik der Quanten-Informationsverarbeitung weiter verbessert wird, dann wird man unweigerlich mit dem Problem nicht-optimaler Zeitmessung kämpfen müssen. Doch wer weiß: Vielleicht lässt sich dann genau dadurch wieder etwas Interessantes über die Welt der Quanten lernen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Marcus Huber
Atominstitut
Technische Universität Wien
+43 1 58801 141881
marcus.huber@tuwien.ac.at
Originalpublikation:
J. Xuereb et al., The Impact of Imperfect Timekeeping on Quantum Control, Phys. Rev. Lett. 131, 160204. Frei zugängliche Version: https://arxiv.org/abs/2301.10767, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster
F. Meier et al., Fundamental accuracy-resolution trade-off for timekeeping devices, akzeptiert in Physical Review letters (noch nicht erschienen), frei zugängliche Version:
https://arxiv.org/abs/2301.05173