Archäologische Untersuchungen auf dem Magdeburger Domplatz erbringen erstmals Mauerreste eines ottonischen Großbaus
Seit dem 16. Oktober 2023 führt das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt eine archäologische Forschungsgrabung auf dem Magdeburger Domplatz durch. Sie soll eine Lücke zwischen zwei älteren Grabungen schließen und zur Klärung von Forschungsfragen beitragen, die derzeit in einem in Kooperation mit der Universität Heidelberg durchgeführten Forschungsprojekt erörtert werden. Mit der erstmals möglichen Identifizierung von Mauerresten eines repräsentativen und monumentalen Gebäudes der Ottonenzeit erbrachte die Untersuchung ein herausragendes Ergebnis.
Otto der Große und der Magdeburger Domhügel
Angesichts des Stellenwerts, den die Stadt Magdeburg im 10. Jahrhundert für Kaiser Otto I. (912 bis 973), genannt der Große, innehatte, kommt der heutigen Landeshauptstadt weit über die Grenzen Sachsen-Anhalts hinaus eine besondere historische Bedeutung zu. Hier stiftete der Begründer des Heiligen Römischen Reiches das Moritzkloster und den ersten Magdeburger Dom, stattete die neuen Bauten mit importierten antiken Marmorsäulen prächtig aus und begründete den Aufstieg Magdeburgs zu einer der wichtigsten Städte des Mittelalters. Die Frage nach den Kirch- und Herrschaftsbauten dieser frühen Blütezeit gehört noch heute zu den wichtigen und viel diskutierten Themen der Mittelalterforschung. Archäologischen Untersuchungen auf dem Magdeburger Domhügel, der sich als Plateau über dem Westufer der Elbe erhebt, kommt daher stets besondere Bedeutung zu.
Forschungsstand und Fragestellung
Der Platz im Norden des Magdeburger Domes war erstmals zwischen 1959 und 1968 Gegenstand archäologischer Ausgrabungen unter der Leitung von Ernst Nickel. Sie erbrachten die Fundamentspuren eines eindrucksvollen Monumentalbaus. Er stammt im Wesentlichen aus dem 12. Jahrhundert, nimmt jedoch bauliche Strukturen älterer, karolinger- und ottonenzeitlicher Baustrukturen wieder auf, von denen lediglich beraubte Fundamentgräben vor allem am Ostrand des Domplatzes angetroffen wurden. Weitere Spuren dieser Baulichkeiten erbrachte eine Ausgrabung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt in den Jahren 2001 bis 2003 im Straßenbereich östlich des Domplatzes, die allerdings nicht unmittelbar an die Fläche der älteren Grabung anschloss. Der detaillierten Auswertung der archäologischen Ausgrabungen insbesondere der 2000er Jahre sowohl auf dem Domplatz als auch innerhalb des Domes zu Magdeburg widmet sich derzeit ein Forschungsprojekt des LDA Sachsen-Anhalt in Kooperation mit dem Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg (Projektleitung: Prof. Dr. Matthias Untermann; Bearbeitung: Sandra Kriszt M. A., Lena Schulten M. A.).
Während die Gebäudestrukturen auf dem Domplatz vom ersten Ausgräber zunächst als ottonische Königspfalz und Palatium Ottos des Großen angesprochen wurden, sehen die aktuellen wissenschaftlichen Bearbeiter in ihnen die Überreste mehrerer aufeinanderfolgender Bauten: die Hinterlassenschaften eines karolingischen Herrschaftssitzes, eines ottonischen Abts- und später Bischofssitzes sowie eines Bischofspalastes aus dem 12. Jahrhundert.
Im Zusammenhang mit der Neubewertung der älteren Ausgrabungen steht auch die aktuelle Sondage in der Südostecke des Domplatzes, in der bislang ungestörte und undokumentierte Befunde der mittelalterlichen Bebauung angetroffen wurden. Die Fläche schließt eine Lücke zwischen den Grabungen der 1960er und 2000er Jahre und dient dem Ziel, die Aufteilung der baulichen Überreste auf dem Domplatz auf die verschiedenen Phasen sowie die genaue Zeitstellung, Gestalt und Funktion der ottonischen Bauwerkstrukturen zu verifizieren.
Ergebnisse der aktuellen Untersuchungen
Die aktuelle Forschungsgrabung des LDA Sachsen-Anhalt, die seit dem 16. Oktober 2023 unter der Leitung von Dr. Holger Grönwald durchgeführt wird, erbrachte trotz ihrer geringen Ausdehnung herausragende Ergebnisse, die für die weitere Auswertung der Bauten auf dem Domplatz von erheblicher Bedeutung sind.
So wurden erstmals tatsächliche bauliche Überreste in Form zweier Mauerzüge – die Außenmauer eines halbkreisförmigen Raumes (Apsis) sowie ein an dessen Nordende ansetzender, nach Westen verlaufender Mauersockel – angetroffen, die dem Bauwerk der ottonischen Zeit zugewiesen werden können. An der einstigen Außenseite des Gebäudes ist beiden Mauern nach Westen hin ein angeschrägter Sockel aus Gipsmörtel vorgesetzt, der vorrangig wohl dem Schutz vor Feuchtigkeit diente. Die Außenwand der Apsis scheint durch Halbsäulen oder Pilaster repräsentativ gegliedert gewesen zu sein. Sie gehörte zum westlichen Abschluss des Gebäudes, das sich parallel zum Vorgängerbau des gotischen Domes nach Osten erstreckte.
Trotz seiner massiven und hochwertigen Ausführung hatte der ottonenzeitliche Bau, zu dem die Apsis gehörte, nicht lange Bestand. Seine Hinterlassenschaften werden durch Mauerzüge und den Überrest einer Türwange deutlich überlagert, die dem von Nickel ergrabenen jüngeren Monumentalbau, mutmaßlich dem Bischofspalast Norberts von Xanten (1126 bis 1134 Erzbischof von Magdeburg), auf dem Domplatz zugewiesen werden können. Brandspuren am Fundamentsockel dieses jüngeren Bauwerks können vermutlich mit dem Stadtbrand Magdeburgs von 1207 in Verbindung gebracht werden. Dem entspricht die Beobachtung eines Brandhorizontes, der die innerhalb des jüngeren Gebäudes dokumentierte Schichtenabfolge abschließt und wiederum von einer Planierungsschicht des 13. Jahrhunderts überlagert wird.
Die obigen Beobachtungen bezeugen die Aufteilung des wesentlichen mittelalterlichen Baubestandes auf dem Domplatz in zwei kurz aufeinander folgende Phasen der Ottonenzeit (10./11. Jahrhundert) und des 12. Jahrhunderts. Insbesondere konnten in der aktuellen Untersuchungsfläche erstmals in Magdeburg nicht nur die Ausbruchsgruben, sondern gesicherte steinerne Baubefunde eines repräsentativen ottonenzeitlichen Bauwerks dokumentiert werden. So versinnbildlichen die jetzt dokumentierten Befunde den weitestgehend verloren geglaubten, nun jedoch nachgewiesenen erhaltenen Baubestand ottonischer Zeit und damit auch das erhebliche Potenzial archäologischer Forschung an diesem historisch hoch bedeutenden Ort.