Immer mehr ukrainische Geflüchtete in Deutschland können ihre Wohnsituation verbessern
Von Spätsommer 2022 bis Anfang 2023 wechselte ein Fünftel der ukrainischen Geflüchteten ihren Wohnsitz innerhalb Deutschlands. Das zeigt die Kurzanalyse „Entwicklung der Wohnsituation ukrainischer Geflüchteter in Deutschland“, die das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) mit dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) erstellt hat. Auf Grundlage empirischer Erkenntnisse aus der IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP-Befragung lässt sich sagen, dass der Anteil derer, die in Privatunterkünften leben, von 74 auf 79 Prozent gestiegen ist. Gleichzeitig ist der Anteil derer, die in Gemeinschafts- oder anderen Unterkünften leben, um 5 Prozentpunkte zurückgegangen.
Wo und wie Menschen leben, kann einen erheblichen Einfluss auf ihre individuelle Lebensqualität und auch ihre gesellschaftliche Teilhabe haben. Der Wohnraum von Geflüchteten ist dabei häufig durch geringere Qualität und Größe sowie nachteilige Nachbarschaften geprägt, was sich negativ auf den Integrationsprozess auswirken kann. Die hohe Zahl an Geflüchteten, die im Jahr 2022 zu einem Großteil aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind, löste zunächst Bedenken in den Kommunen darüber aus, wie deren Versorgung mit ausreichend Wohnraum zu stemmen ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es erfreulich, dass bereits im Spätsommer 2022 die Mehrheit der ukrainischen Geflüchteten in Privatunterkünften wohnte. Neue Ergebnisse zeigen, dass sich dieser Trend bis zum Frühjahr 2023 fortgesetzt hat. Gut die Hälfte aller Befragten, die ihren Wohnsitz innerhalb Deutschlands gewechselt haben, tat dies, weil sie nach eigenen Angaben eine passendere Unterkunft gefunden hatte. „Trotz des Erfolgs bei der Unterbringung der ukrainischen Geflüchteten ist es entscheidend, die Entwicklung ihrer Wohnsituation weiterhin aufmerksam zu verfolgen. Denn es ist zum Beispiel nicht klar, wie viele der privaten Wohnungen langfristig und nicht nur vorübergehend zur Verfügung stehen“, gibt Dr. Manuel Siegert vom BAMF-FZ zu bedenken.
Soziale Kontakte und Beziehungen spielen eine wichtige Rolle
Bei der Wohnortwahl ukrainischer Geflüchteter kommt ihren in Deutschland lebenden Bezugspersonen wie Freunden und Familie eine große Bedeutung zu. Denjenigen, die angaben, aufgrund bereits bestehender sozialer Kontakte Deutschland als Zielland gewählt zu haben, wurde deutlich seltener ein Wohnort zugewiesen als denjenigen, die diesen Grund nicht genannt haben. Ähnlich verhält es sich auch in Bezug auf ihren Zugang zu geeignetem Wohnraum. So zeigen die Ergebnisse, dass sich die Wahrscheinlichkeit, in einer privaten Unterkunft zu leben, deutlich erhöht, wenn Deutschland als Zielland gewählt wurde, da hier bereits Bezugspersonen lebten. "Wir sehen eine bessere Wohnsituation bei denjenigen Geflüchteten, die aufgrund bereits bestehender sozialer Kontakte nach Deutschland gekommen sind. Soziale Netzwerke erleichtern den ukrainischen Geflüchteten den Zugang zum Wohnungsmarkt in Deutschland" so fasst Dr. Andreas Ette vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) die Ergebnisse zusammen.
Der Großteil der Wohnortwechsel erfolgte innerhalb derselben Stadt oder Gemeinde
Vergleichsweise wenige der ukrainischen Geflüchteten hatten Deutschland im Frühjahr 2023 wieder verlassen. Von denjenigen, die einen Wohnortswechsel innerhalb Deutschlands vornahmen, ist nur etwa jede zehnte Person über die Stadt- bzw. die Gemeindegrenze hinausgezogen. „Wohnsitzwechsel scheinen hauptsächlich zur Verbesserung der Wohnsituation vorgenommen worden zu sein. Zum Beispiel, weil der Partner oder die Partnerin umgezogen ist oder aus einem bereits bestehenden Haushalt in einen eigenen gewechselt werden konnte“, berichtet Dr. Lenore Sauer vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. „Behördlich angeordnete Wohnsitzwechsel scheinen dagegen eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.“
Langfristig betrachtet wird es auch zukünftig von Bedeutung sein, die Wohnsituation der ukrainischen Geflüchteten, die planen in Deutschland zu bleiben, weiter im Blick zu behalten. Hierbei sollte sich die Forschung auch auf Zusammenhänge zwischen der Wohnsituation und weiteren integrationsrelevanten Aspekten wie Arbeitsmarktpartizipation, Sprachkenntnisse sowie soziale Integration in die deutsche Mehrheitsgesellschaft konzentrieren.
Ergänzend weist Dr. Kerstin Tanis vom BAMF-FZ darauf hin: „Die Ergebnisse beziehen sich auf ukrainische Geflüchtete, die zwischen Ende Februar und Anfang Juni 2022 nach Deutschland gekommen sind. Ob sie sich auch auf jene übertragen lassen, die danach in Deutschland angekommen sind, können wir momentan nicht sagen. Es ist aber zu befürchten, dass sich die Situation für diese Gruppe aufgrund der angespannten Lage am Wohnungsmarkt herausfordernder gestaltete und gestaltet.“
Die Kurzanalyse 03/2023 des Forschungszentrums des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) basiert auf der zweiten Welle der IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP-Befragung „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“ aus dem Jahr 2023. Von August bis Oktober 2022 wurden Interviews mit 11.225 Geflüchteten ukrainischer Staatsangehörigkeit im Alter von 18 bis 70 Jahren durchgeführt. Eine zweite Befragung von 6.754 Personen, die auch bereits an der ersten Erhebung teilgenommen hatten, fand zwischen Januar und März 2023 statt.
Weitere Informationen:
Die Publikation kann hier heruntergeladen werden: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Kurzanalysen/kurzanalyse3-2023-wohnen-ukr-gefluechtete.html?nn=282388
Informationen zur IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP-Befragung „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“: https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Integration/projekt-ukr.html?nn=282388
Ansprechpartner für Medienanfragen:
Jochen Hövekenmeier
Pressestelle Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Telefon: +49 911 943 17799
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Über das BAMF-Forschungszentrum (BAMF-FZ):
Mit der Arbeit des 2005 gegründeten Forschungszentrums kommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seiner gesetzlichen Aufgabe nach, wissenschaftliche Forschung zu Migrations- und Integrationsthemen zu betreiben. Das Forschungszentrum betrachtet das Migrationsgeschehen nach und von Deutschland und analysiert die Auswirkungen der Zuwanderung. Es begleitet Integrationsprozesse und trägt mit seinen Erkenntnissen entscheidend zur Weiterentwicklung von Integrationsmaßnahmen auf Bundesebene bei. Weitere Forschungsschwerpunkte sind u. a. Erwerbs- und Bildungsmigration, Fluchtmigration, Rückkehr und sicherheitsrelevante Aspekte der Zuwanderung. Damit leistet das BAMF-Forschungszentrum einen grundlegenden Beitrag zum Informationstransfer zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Weitere Informationen unter: www.bamf.de/DE/Themen/Forschung/forschung-node.html
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Manuel Siegert, Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (über die BAMF-Pressestelle)
Originalpublikation:
Siegert, M., Tanis, K., Ette, A. & Sauer, L. (2023). Entwicklung der Wohnsituation ukrainischer Geflüchteter in Deutschland (Kurzanalyse 03|2023). Nürnberg. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
https://doi.org/10.48570/bamf.fz.ka.03/2023.d.11/2023.ukrwohnsituation.1.0