Wissenschaft ohne Grenzen? Zur Internationalisierung der Forschungseinrichtungen in Deutschland
Debattenbeitrag zur Internationalisierung des deutschen Wissenschaftssystems
Das Wissenschaftssystem in Deutschland erlebt eine Phase rasanter Internationalisierung: Globale Vernetzung gilt als Voraussetzung, Merkmal oder Garant wissenschaftlicher Spitzenforschung. Forschung ohne internationalen Einfluss und Anschluss wirkt heute undenkbar und rückständig. Doch was genau verstehen die Akteure im System eigentlich unter Internationalisierung – studentische Mobilität und globalen Ideenaustausch, oder Wettbewerb um exzellente Forschende und Spitzenplätze in Rankings?
Mitglieder der Arbeitsgruppe Internationalisierung der Jungen Akademie liefern mit „Internationalisierung im Fokus: Innenansichten aus dem deutschen Wissenschaftssystem“ einen Einblick in den Stand der Internationalisierung in Deutschland. Der Debattenbeitrag basiert auf Fokusgruppensprächen mit diversen Akteuren des deutschen Wissenschaftssystems und wird durch Kommentare von Studierenden und Forschenden und einer wissenschaftssoziologischen und historischen Einordnung des Themas ergänzt. Er zeigt divergierende Definitionen des Internationalisierungsbegriffs und verschiedene Umsetzungskonzepte auf, beleuchtet die Arbeitsweise und Zielsetzungen der Internationalisierungsbüros in deutschen Hochschulen und diskutiert die heutigen Grenzen und Hürden der Internationalisierung.
„Der Begriff der Internationalisierung der Wissenschaft ist seit langem in aller Munde. Studierende, Forschende, Hochschulleitungen und Fördereinrichtungen haben aber mitunter noch immer sehr unterschiedliche Ideen davon, was genau unter Internationalisierung zu verstehen ist, wer davon profitiert und wie sie organisiert werden sollte. Mit unserem Debattenbeitrag wollen wir diese teils sehr verschiedenen Nuancen analytisch zusammenführen.“, so Anna L. Ahlers, Alumna der Jungen Akademie und eine der Autor*innen des Debattenbeitrags.
Im Text zeichnen die Autor*innen unter anderem die historische und aktuelle Entwicklung des Internationalisierungs- und Mobilitätskonzepts nach, von der rein studentischen Mobilität bis hin zur heute gängigeren Sicht der Internationalisierung als Querschnittsaufgabe. „Internationalisierung läuft nicht nach einem klaren Drehbuch ab, sondern ist stets von externen und internen Stimuli abhängig. Nach dem zweiten Weltkrieg galt Internationalisierung als Voraussetzung für die Wiederaufnahme Deutschlands in die Völkergemeinschaft, heute sind Exzellenzstreben und Ressourceneffizienz wichtigere Faktoren. Jede Einrichtung startet dabei mit anderen Voraussetzungen und Zielsetzungen.“, so Jan Hennings, Alumnus der Jungen Akademie und einer der Verfasser*innen des Beitrags.
Als ein zentrales Spannungsfeld identifizieren die Autor*innen die Lücke zwischen dem innerwissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Wunsch und Bedürfnis nach Freiheit, Austausch und Mobilität einerseits und der administrativen Wirklichkeit föderal gewachsener Strukturen, national ausgerichteter Förderprogramme und bürokratischer Hürden andererseits.
Mit ihrem Debattenbeitrag wollen die Autor*innen zur laufenden Debatte der Ausrichtung der Internationalisierung der deutschen Wissenschaft beitragen und die vielfältigen Perspektiven innerhalb des Systems aufzeigen. Dazu Fabian Schmidt, ebenfalls Alumnus und dritter Autor des Debattenbeitrags: „In unserem Papier haben wir eine Momentaufnahme der Diskussionen im deutschen Wissenschaftssystem festgehalten. Seit der Aufzeichnung der Gespräche im Frühjahr 2021 mitten in der Coronapandemie hat die Debatte an Brisanz gewonnen – insbesondere durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine und den Terrorangriff der Hamas. Es wird interessant sein zu sehen, wie sich der Diskurs in Deutschland weiterentwickelt. Wir freuen uns über Rückmeldungen und Beiträge zum Thema Internationalisierung.“
Originalpublikation:
Internationalisierung im Fokus: Innenansichten aus dem deutschen Wissenschaftssystem.
Von Anna L. Ahlers, Jan Hennings, Fabian Schmidt.
Mit Kommentaren von Max Amann, Valerie Domcke, Valeska Huber, Jakob Lehnig, Joachim Sauer und Rudolf Stichweh.
Die Junge Akademie 2023