150. Patient mit CAR-T-Zell-Therapie erfolgreich am Universitätsklinikum Leipzig behandelt
Im November ist am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) der 150. Patient mit einer CAR-T-Zelltherapie behandelt worden. Der 59-jährige Leipziger leidet an einem aggressiven B-Zell-Lymphom, von dem er nun im besten Fall vollständig geheilt sein könnte.
Im Juni 2019 war diese noch immer neuartige Zelltherapie am UKL erstmals bei einem Patienten angewendet worden. Mittlerweile sind die Einsatzmöglichkeiten um ein Vielfaches höher.
Prof. Uwe Platzbecker, Direktor der Klinik und Poliklinik für Hämatologie, Zelltherapie, Hämostaseologie und Infektiologie, ist stolz auf die Zahl von 150, aber auch auf die „extrem hohe Qualität unserer medizinischen Versorgung“, was sich in der Akkreditierung seiner Klinik für sämtliche derzeit verfügbaren CAR-T-Zelltherapie-Produkte wiederspiegele.
Jens Wußmann ist vor kurzem 59 Jahre geworden. Er feierte diesen Tag im Kreis seiner Familie – zu Hause. Einen Tag zuvor konnte er von Oberarzt Dr. Vladan Vucinic entlassen werden – für Patient wie für Arzt ein Moment der Freude.
Mitte November hatte Wußmann die womöglich lebensrettende Infusion erhalten. Im besten Fall ist er von seiner Krankheit, einem aggressiven B-Zell-Lymphom, nun endgültig geheilt. Seine Leidensgeschichte begann schon einige Jahre zuvor.
CAR-T Zellen sind ein innovativer zelltherapeutischer Ansatz in der Hämatologie und Onkologie. Hier werden körpereigene T-Zellen der Patient:innen isoliert und mittels Gentechnologie so verändert, dass sie die Krebszellen erkennen und zerstören können. Im Oktober waren die eigenen Lymphozyten des Leipzigers mittels Apherese (Blutwäsche) abgesammelt worden. In einem Speziallabor in den USA erhielten diese Zellen dann binnen drei Wochen ihre „Neuprogrammierung“. Per Infusion wurden die genetisch veränderten Lymphozyten dann wieder in Wußmanns Körper zurückgeführt, um die Krankheit anzugreifen und zu vernichten.
Das aggressive B-Zell-Lymphom zeigt sich vor allem durch schmerzlose Lymphknotenschwellungen, aber auch durch Nachtschweiß und Gewichtsverlust. Bei dem Leipziger war es allerdings etwas anders – er nahm an Gewicht stark zu. „Geschwollene Lymphknoten können andere Organe beeinträchtigen. Bei Herrn Wußmann drückten sie aufs Herz“, berichtet Dr. Vucinic. „Dadurch war die Herzfunktion gestört, im Körper lagerte sich Wasser ab, was zu einer Gewichtszunahme mit Wasserüberlagerung führte.“ Bereits seit 2021 war Wußmann deswegen an anderen Krankenhäusern in Behandlung, Immunchemotherapien schlugen nur kurzzeitig an.
Seit Februar dieses Jahres und einer sogenannten Hochdosistherapie und der Verabreichung eigener Stammzellen ist er nun Patient von Oberarzt Vucinic am UKL. „Hier habe ich auch von ihm zum ersten Mal von einer CAR-T-Zelltherapie gehört“, erzählt Wußmann. „Dr. Vucinic hat mir das Prinzip sehr genau erläutert, das hat mich überzeugt.“ Er habe sich am Leipziger Universitätsklinikum sehr gut aufgehoben gefühlt: „Alle arbeiten Hand in Hand.“
Nebenwirkungen wie Fieberschübe und Entzündungen unter Kontrolle gebracht
Rückschläge seien natürlich nie ganz auszuschließen, erklärt UKL-Arzt Vucinic. Der für das CAR-T-Zell-Programm des Bereichs Hämatologie und Zelltherapie seiner Klinik zuständige Oberarzt beschreibt daher den Blick in die Zukunft seines Patienten folgendermaßen: „Erlebt Herr Wußmann nun ein Jahr ohne Rückschläge, bin ich sehr zufrieden, nach zwei Jahren wäre ich extrem zufrieden.“
In den ersten Tagen nach der Rückführung der veränderten körpereigenen Zellen können sich auch schwerere Nebenwirkungen bemerkbar machen. Auch Jens Wußmann musste dies erleben. Er litt kurzzeitig an starkem Fieber und einer entzündlichen Reaktion, ausgelöst durch die CAR-T-Zellen, weil sie zu viele sogenannte Botenstoffe ausschütten. „Das kann zu Fieberschüben führen, gleichwohl können diese Entzündungen, auch bekannt als Zytokinsturm, gut medikamentös behandelt werden“, erklärt Dr. Vucinic.
Doch, weil auch schon eine minimale Dosis dieser Botenstoffe die Hirnfunktion beeinträchtigen können, gehen die Mediziner:innen auf Nummer sicher: „Herr Wußmann musste täglich einen oder zwei Fragebögen mit zehn Fragen ausfüllen. So prüfen wir, ob die Hirnfunktion beeinträchtig ist. Zusätzlich baten wir ihn, täglich einen bestimmten Satz mit der Hand zu schreiben. Wir schauten, ob der Satz korrekt geschrieben war und ob Veränderungen bei der Handschrift zu bemerken wären, was ebenfalls auf eine Störung der Hirnfunktion hindeuten könnte“, beschreibt Dr. Vladan Vucinic.
Jens Wußmann überstand auch diese kritische Phase und konnte sich am Geburtstag zu Hause über die Bastelarbeiten seiner Enkelkinder freuen – „das schönste Geschenk überhaupt“, wie der 59-Jährige selbst sagte.
Klinikdirektor Platzbecker: Ein wenig wie Fahrrad fahren – von Stützrädern zum Rennrad
Was an vielen Stellen bereits fast nach Routine im klinischen Alltag klingt, unterscheidet sich bei näherem Hinsehen jedoch noch immer sehr von anderen Therapien in der Hämatologie. „Der gesamte Prozess CAR-T-Zelltherapie gestaltet sich viel aufwändiger als andere Behandlungen“, sagt Dr. Vucinic. „Angefangen bei der Patient:innenaufklärung über die Koordination mit anderen Kliniken, den Herstellern der Produkte, den Krankenkassen, Apotheken und weiteren Behandler:innen. Nicht zu vergessen die noch immer sechsstelligen Kosten einer CAR-T-Zelltherapie.“
2019 der erste, im November 2023 der 150. Patient – zur eigenen Einordnung greift Klinikdirektor Prof. Uwe Platzbecker auf einen bildhaften Vergleich zurück: „Ein wenig ist es vergleichbar mit Fahrrad fahren. Nutzten wir vor vier Jahren noch Stützräder, sitzen wir heute auf einem Rennrad.“ Er sieht den von ihm geleiteten Fachbereich bei den erfahrensten Kliniken mit dieser neuen Therapie in Deutschland: „Unser Anspruch ist – bei aller Quantität – die höchste Qualität! Der Zugang zu solch kostenintensiver Innovation bedeutet auch eine hohe Verantwortung, unsere Patient:innen gut auszuwählen“, betont Prof. Platzbecker und schließt einen Wunsch an: „In Zukunft muss dieser enorm gewachsene Aufwand auch im Leistungskatalog der Krankenkassen abgebildet werden. Vielleicht gelingt das mit der geplanten Krankenhaus-Reform“, so der UKL-Experte.