Zwischen Fortschritt und Regression
Forschungsprojekt untersucht Geschlechterpolitik und (Anti-)Gender-Diskurse in vier europäischen Ländern
Rechte und rechtspopulistische Diskurse mobilisieren zunehmend gegen Geschlechtergleichheit und gegen progressive Wertevorstellungen wie LGBTQI*-Rechte, gleichgeschlechtliche Ehe oder die Legalisierung von Abtreibung. Damit weisen sie liberal-demokratische Werte zugunsten einer autoritären Werteorientierung zurück und erteilen der Vorstellung einer Gleichheit aller Bürger*innen eine Absage.
Warum erfährt ausgerechnet das Thema Geschlechtergleichheit diese besondere Aufmerksamkeit? Wieso entzünden sich am Gender-Thema so stark polarisierende Debatten? Zeigen sich in dieser politisierten Debatte um Geschlechtergerechtigkeit die Konturen einer zukünftigen demokratischen Gesellschaft?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Forschungsprojekt „Geschlechterpolitik und (Anti-)Gender-Diskurse – Zwischen Fortschritt und Regression. Eine vergleichende Diskurs- und Policyanalyse in vier europäischen Ländern“ (AGenDis). Es wird von der Gerda Henkel Stiftung mit rund 275.000 Euro für drei Jahre finanziert und startete am 01.November 2023. Wissenschaftlich geleitet wird es von Dr. Stefan Wallaschek und Prof. Dr. Monika Eigmüller. Mit Renée Krug und Wiebke Vendt konnten zwei Promotionsstipendiatinnen für das Projekt gewonnen werden. Zudem wird Pauline Ahlhaus, die gegenwärtig bei der Bundesstiftung Gleichstellung arbeitet, extern im Projekt promovieren.
In der Europäischen Union sind Geschlechtergleichheit und Nicht-Diskriminierung rechtlich verankert. Trotz dieser einheitlichen rechtlichen Ausgangslage unterscheiden sich die Geschlechterpolitiken in den EU-Mitgliedstaaten deutlich voneinander – während zum Beispiel Polen in den Bereichen wirtschaftliche Teilhabe und politische Repräsentation geschlechterungleich ist, ist ein Land wie Spanien zunehmend geschlechtergleich geworden. Starke Anti-Gender Mobilisierung erleben jedoch fast alle europäischen Länder. Diese führt zu einer Politisierung, aber auch Polarisierung und Radikalisierung in den Gesellschaften.
In dem Projekt untersucht das Forschungsteam verschiedene Akteursgruppen und ihr Mobilisierungspotential in vier ausgewählten Ländern. Die leitende Forschungsfrage für ihre vergleichende Diskurs- und Politikfeldanalyse in Deutschland, Irland, Polen und Spanien lautet: Unter welchen Bedingungen vollzieht sich der cultural backlash in europäischen Ländern (nicht)?
Dafür untersuchen sie für den Zeitraum von 2010 bis 2025 die politischen Gesetzgebungsprozesse um reproduktive Rechte (Schwangerschaftsabbrüche) und produktive Rechte (Zugang zum Arbeitsmarkt) und wie diese in den sozialen und traditionellen Mediendiskursen verhandelt werden. Die vergleichend angelegte Studie untersucht so vier Länder und drei Diskursebenen: Politische Ebene (Policy-Diskurs), öffentliche Ebene (Mediendiskurs) und digitale Ebene (sozialer Mediendiskurs).
Durch dieses Forschungsdesign beziehen sie die einsetzende Transformation der liberalen Demokratie einerseits auf aktuell zu beobachtende Wertekonflikte und andererseits auf die Digitalisierung politischer Kommunikation. So analysieren sie wie unterschiedlich demokratische Gesellschaften darauf reagieren, dass ein zentraler demokratischer Wert (Geschlechtergleichheit) infrage gestellt wird. Ziel ist es Faktoren herauszufiltern, die einerseits die Entwicklung verschiedenen Geschlechterpolitiken als auch die Resilienzen und Schwächen demokratischer Systeme zu erklären.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Stefan Wallaschek
Europa-Universität Flensburg
Auf dem Campus 1b
24943 Flensburg
Tel.: +49 461 805 2707
E-Mail: stefan.wallaschek@uni-flensburg.de
Weitere Informationen:
https://www.uni-flensburg.de/ices/projekte/geschlechterpolitik-und-anti-gender-diskurse