Neue Herausforderungen in der Mukoviszidose-Behandlung und wachsende Heterogenität der Patientengruppen
Die jährlich vom Mukoviszidose e.V. ausgerichtete Deutsche Mukoviszidose Tagung (DMT) war wieder sehr gut besucht: 682 Teilnehmende aus allen an der Mukoviszidose-Behandlung beteiligten ärztlichen und nicht-ärztlichen Berufsgruppen diskutierten in Würzburg über aktuelle Forschungs- und Therapieansätze. Besonders im Fokus standen die zahlreichen neuen Themen und Herausforderungen in der Mukoviszidose-Versorgung und die wachsende Heterogenität der Patientengruppen, die sich daraus ergibt, dass nicht alle Betroffenen gleichermaßen von den neuen Therapieoptionen profitieren. (Mukoviszidose: Cystische Fibrose, CF)
Neues Thema in der Diagnostik – wie umgehen mit CFSPID-Fällen?
Seit der Einführung des Neugeborenen-Screenings auf Mukoviszidose in 2016 wird die Krankheit früher erkannt und kann früher effizient behandelt werden. Das Neugeborenen-Screening und die damit verbundene detaillierte Genanalyse haben aber auch dazu geführt, dass Ergebnisse zutage treten, die keine eindeutige Diagnose zulassen. Diese Fälle (CFSPID: CF Screening Positive Inconclusive Diagnosis) werden weltweit gesammelt und auf Fachtagungen diskutiert, so auch auf der diesjährigen DMT. Im Fokus steht hier u.a. die Frage, ob davon betroffene Neugeborene überhaupt als Patienten angesehen werden sollten und wie ihre medizinische Versorgung aussehen kann. Denn: Ein gewisser Anteil der CFSPID-Betroffenen wird im Lauf des Lebens eine Mukoviszidose entwickeln, andere werden CF-ähnliche Syndrome bekommen, aber die meisten werden als gesunde Menschen leben. Die Betreuung dieser CFSPID-Betroffenen ohne eigentliche Diagnose ist daher weiter zu diskutieren, ebenso die Bedeutung einer personalisierten Diagnostik der komplexen Stoffwechselerkrankung.
Neue Herausforderungen bei der Betreuung erwachsener CF-Patienten
Viele mit CFTR-Modulatoren behandelte Patienten profitieren enorm von dieser Therapie, wie die aktuellen Auswertungen des Deutschen Mukoviszidose-Registers zeigen. Die Effekte scheinen auch längerfristig bestehen zu bleiben und führen zu einer deutlichen Verbesserung der Lungenfunktion, des Ernährungszustands und der Atemwegs- und Magen-Darm-Symptome. Zeitgleich mit diesen positiven Entwicklungen entstehen jedoch neue Fragen, die in weiteren Studien untersucht werden müssen, um die Auswirkungen der Modulatortherapie u.a. auf die Wechselwirkungsprofile von Medikamenten, die Eradikation verschiedener mikrobieller Infektionen, die Fruchtbarkeit/Schwangerschaft, die Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten sowie auf die Notwendigkeit von Transplantationen und die psychische Gesundheit zu verstehen.
Aus der steigenden Lebenserwartung der Betroffenen ergibt sich eine neue Notwendigkeit für Vorsorgeuntersuchungen, die bei CF-Patienten bisher kaum relevant erschienen. So sind inzwischen nicht nur Krebsvorsorge und Herzkreislauf-Check-ups sinnvoll, sondern auch das Screening auf Fettstoffwechselstörungen. Neben Diabetes, Hypertonus und Adipositas entwickelt sich nicht selten das Bild eines metabolischen Syndroms bei CF. Darüber hinaus erfordert die wachsende Anzahl von geplanten und ungeplanten Schwangerschaften von CF-Patientinnen unter Modulatortherapie die Etablierung eines neuen klinischen Versorgungsmodells in diesem Bereich sowie die Erforschung von Arzneimittelrisiken während der Schwangerschaft. Die CF-Erwachsenen-Versorgung sieht daher vielen neuen Herausforderungen entgegen.
Genetische Therapien sind in der klinischen Forschung angekommen – bald auch in Deutschland?
Ein weiterer Fokus der Tagung galt der Patientengruppe, die derzeit noch ohne wirksame Modulatortherapie und daher auf die Entwicklung alternativer Behandlungskonzepte angewiesen ist. Eine interessante und hoffnungsvolle Option für sie sind genetische Therapien. In den USA laufen bereits erste klinische Studien, in Europa und vermutlich auch Deutschland sollen in 2024 erste Studien beginnen, die entweder eine CFTR-Gen-Kopie stabil in Zellen einbringen sollen (Boehringer Ingelheim) oder über mRNA eine Abschrift des Gens in die Zellen schleusen sollen (Vertex Pharmaceuticals). Beide Ansätze sind mutationsunabhängig, damit könnte die Anwendung grundsätzlich für alle Menschen mit Mukoviszidose in Frage kommen.
Beide Therapien sollen inhalativ verabreicht werden, was für Mukoviszidose naheliegend erscheint, aber auch klar zeigt, dass zunächst die Lunge adressiert wird – eine Heilung im klassischen Sinne wäre das nicht. Ob eine dauerhafte Heilung aller von der Stoffwechselerkrankung betroffenen Organe bei Mukoviszidose jemals möglich ist, ist nach heutigem Stand des Wissens schwer vorherzusagen, denn dafür müsste es gelingen, das CFTR-Gen in alle Körperzellen stabil einzubringen – oder zumindest in die Stammzellen, die als Vorläuferzellen neue Zellen ausbilden. Die Inhalation von CFTR-mRNA oder einer CFTR-Kopie – jeweils verpackt in spezielle Vektoren als Transport-Vehikel – ist erstmal ein Weg, einige Zellen in den Atemwegen zu erreichen. Ob hiermit ein klinisch relevanter Effekt zu erzielen sein wird, müssen die Studien nun zeigen.
Die Deutsche Mukoviszidose Tagung
Auf der jährlich vom Mukoviszidose e.V. in Würzburg ausgerichteten Fachtagung diskutieren Vertreter aller an der Mukoviszidose-Behandlung beteiligten ärztlichen und nicht-ärztlichen Berufsgruppen aktuelle Ansätze aus Mukoviszidose-Forschung und -Therapie. Die Deutsche Mukoviszidose Tagung ist die größte interdisziplinäre Fachtagung zur Mukoviszidose im deutschsprachigen Raum. In 2024 findet die Tagung vom 21. bis 23. November statt.
Weitere ausführliche Berichte über die diesjährige DMT finden Sie in Kürze auch auf unserer Website unter https://www.muko.info
Hintergrund-Informationen
Über Mukoviszidose
In Deutschland sind mehr als 8.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene von der unheilbaren Erbkrankheit Mukoviszidose betroffen. Durch eine Störung des Salz- und Wasserhaushalts im Körper bildet sich bei Mukoviszidose-Betroffenen ein zähflüssiges Sekret, das Organe wie die Lunge und die Bauchspeicheldrüse irreparabel schädigt. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 150 bis 200 Kinder mit der seltenen Krankheit geboren.
Über den Mukoviszidose e.V.
Der Mukoviszidose e.V. vernetzt die Patienten, ihre Angehörigen, Ärzte, Therapeuten und Forscher. Er bündelt unterschiedliche Erfahrungen, Kompetenzen sowie Perspektiven mit dem Ziel, jedem Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben mit Mukoviszidose ermöglichen zu können. Damit die gemeinsamen Aufgaben und Ziele erreicht werden, ist der gemeinnützige Verein auf die Unterstützung engagierter Spender und Förderer angewiesen. Die Mukoviszidose Institut gGmbH ist eine hundertprozentige Tochter des Mukoviszidose e.V.
Pressekontakt:
Mukoviszidose e.V.
Carola Wetzstein
Telefon: +49 (0)228 9 87 80-22
Mobil: +49 (0)171 958 23 82
E-Mail: CWetzstein@muko.info