Deutsches Engagement in Afghanistan: Lebensbedingungen verbessert, demokratischer Staatsaufbau gescheitert
Neben dem Militäreinsatz wollte die internationale Gemeinschaft mit zivilem Engagement zum Aufbau einer rechtsstaatlichen Demokratie in Afghanistan beitragen. Diesem übergeordneten Ziel war die Bundesregierung und damit auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verpflichtet. Das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) hat dabei im Rahmen einer ressortgemeinsamen Evaluierung (AA, BMI, BMZ) auch die Maßnahmen des BMZ untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass das Ziel des Staatsaufbaus klar verfehlt wurde, während die Lebensbedingungen von Teilen der Bevölkerung zeitweise deutlich verbessert werden konnten.
Aufbau eines demokratischen Afghanistans fehlgeschlagen
Insgesamt zeigt die Evaluierung, dass das internationale Engagement zum Aufbau eines demokratischen und prosperierenden Afghanistans der vergangenen 20 Jahre nicht erfolgreich war. Das BMZ (wie auch die Bundesregierung insgesamt) unterschätzte die komplexen gesellschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen und überschätzte den eigenen Gestaltungsspielraum. „Das gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft angestrebte Ziel, einen demokratisch legitimierten Rechtsstaat in Afghanistan aufzubauen, wurde klar verfehlt“, so DEval-Direktor Jörg Faust. „Dieses Ziel war überambitioniert für ein von Gewaltkonflikten geprägtes Umfeld mit in weiten Teilen klientelistisch strukturierten und anhaltend reformunwilligen Eliten. Zudem erschwerten sowohl international wie auch in Deutschland unzureichende Koordinations- und Lernprozesse der beteiligten Akteure ein wirksameres Engagement.“
Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung wurden zeitweise verbessert
In anderen Bereichen jedoch war das BMZ-Engagement erfolgreicher. Die Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung konnte temporär verbessert werden, insbesondere im Norden des Landes sowie in Kabul. Dabei wurde der Zugang zu Wasser, Energie, Gesundheitsversorgung und Bildung auch für Frauen und Mädchen im Zeitraum zwischen 2013 und 2021 substanziell verbessert. So hat das BMZ, gemeinsam mit den anderen Ressorts (AA und BMI) über 20 Jahre das Leben der afghanischen Bevölkerung positiv mitgeprägt. Jedoch gelang es nicht, der Bevölkerung in Afghanistan durch strukturelle Staats- und Wirtschaftsreformen langfristig eine Perspektive jenseits von Armut, Flucht, Migration und Extremismus zu bieten.
Empfehlungen
Um Herausforderungen wie denen in Afghanistan in Zukunft besser zu begegnen, sollten die in der ressortgemeinsamen Evaluierung adressierten Ministerien (AA, BMI, BMZ) in hochfragilen und von Gewaltkonflikten geprägten Kontexten die Grenzen des eigenen Einflussbereichs realistisch bewerten und diese bei der Zielformulierung und der Portfoliogestaltung berücksichtigen. Wichtig ist hier die notwendige Flexibilität, sodass unter derart prekären Rahmenbedingungen Ziele und Strategien geändert sowie Instrumente des zivilen Engagements angepasst werden können. Zudem sollten die beteiligten Ressorts ein stärkeres Augenmerk auf potenzielle negative Wirkungen des Engagements legen und sich besser koordinieren.
Über die Evaluierung
Der ressortspezifische Bericht des DEval zum zivilen Engagement des BMZ ist Teil der ressortgemeinsamen strategischen Evaluierung des zivilen Engagements der Bundesregierung in Afghanistan zwischen 2013 und 2021. Die gesamte Evaluierung wurde im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft durchgeführt. Das DEval evaluierte dabei in Federführung das Portfolio des BMZ, die Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol) das Portfolio des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) und ein Konsortium unter Führung der GFA Consulting Group GmbH (GFA) das Portfolio des Auswärtigen Amtes (AA).
Der Bericht „Ressortgemeinsame strategische Evaluierung des zivilen Engagements der Bundesregierung in Afghanistan. Ressortspezifischer Bericht zum Engagement des BMZ in Afghanistan“ ist auf der Website des DEval abrufbar.
Die Zusammenfassung des ressortgemeinsamen Berichtes „Ressortgemeinsame strategische Evaluierung des zivilen Engagements der Bundesregierung in Afghanistan. Ressortgemeinsamer Bericht“ ist auf der Website des DEval abrufbar.
Über das DEval
Das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) ist vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mandatiert, Maßnahmen der deutschen Entwicklungs¬zusammenarbeit unabhängig und nachvollziehbar zu analysieren und zu bewerten. Mit seinen strategischen und wissenschaftlich fundierten Evaluierungen trägt das Institut dazu bei, die Entscheidungsgrundlage für eine wirksame Gestaltung des Politikfeldes zu verbessern und Ergebnisse der Entwicklungszusammenarbeit transparenter zu machen. Das Institut gehört zu den Ressortforschungseinrichtungen des Bundes und wird von Prof. Dr. Jörg Faust geleitet.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Stefan Leiderer
Leiter Staatliche EZ, Governance
Tel: +49 (0)228 336907-940
E-Mail: stefan.leiderer@DEval.org
Originalpublikation:
file:///I:/06%20Presse_%C3%96ffentlichkeitsarbeit/Publikationen/01_Berichte/2023_Afghanistan/Layout/2023_DEval_Bericht_Afghanistan_ressortspezifisch_web.pdf
Weitere Informationen:
https://www.deval.org/de/evaluierungen/laufende-und-abgeschlossene-evaluierungen/ressortgemeinsame-strategische-evaluierung-des-zivilen-engagements-deutschlands-in-afghanistan