Still und starr ruht der See? Von wegen! Das tun Wasserlebewesen im Winter
Nein, ganz still ist es in der kalten Jahreszeit weder im Wasser noch unter dem Eis, auch wenn einige Lebewesen in diesem Lebensraum ruhen oder erstarren. Wie sich Tiere und Pflanzen an die harten Bedingungen angepasst haben und wie es ihnen gelingt, den Winter im See, Teich oder Tümpel zu überstehen, lesen Sie hier von Forschenden des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Außerdem: Wie wir den Tieren und Pflanzen im Gartenteich helfen können, gut durch die Kälte zu kommen.
Wenn die Luft kälter wird, sinkt auch die Wassertemperatur. Aufgrund der besonderen Dichteeigenschaften des Wassers vermischen sich die Wasserschichten, bis das gesamte Gewässer eine Temperatur von 4°C erreicht hat. Wird es noch kälter, bildet sich eine Eisdecke, während das Wasser darunter bei vier Grad Celsius bleibt. In flacheren, gut durchmischten Seen kühlt das Wasser noch weiter ab; aber nur sehr flache Gewässer können bis zum Grund durchfrieren. Die bei uns heimischen Tiere und Pflanzen sind an diese Bedingungen angepasst. Viele Tiere nutzen auch den Gewässergrund, das Sediment, als Winterquartier. Es gibt aber auch kälteangepasste Organismen, wie einige Fischarten, die erst im Winter so richtig munter werden, oder aber im Winter aktiv fressen, wie Hechte.
Frösche im Gewässer müssen nicht auftauchen, sondern atmen über die Haut:
Amphibien – wie Frösche, Kröten und Molche – halten eine Winterstarre. Frösche und Kröten können, je nach Art, an Land oder im Wasser überwintern, nur feucht oder nass muss es sein. Wasser-, Teich- und Grasfrösche verbringen die Winterstarre häufig im Gewässer, aber eher nicht im Wasser selbst, sondern im Bodenschlamm. Einige Arten können, ebenso wie einige Fische „Frostschutzmittel“ in ihre Gewebe einlagern und regelrecht einfrieren, ohne zu sterben.
Da ausgewachsene Amphibien meist keine Kiemen haben, müssen sie eigentlich zum Luftholen an die Wasseroberfläche kommen. In der Ruhephase im Winter genügt ihnen jedoch die Atmung über die Haut. Wasserpflanzen und Phytoplankton produzieren normalerweise genügend Sauerstoff für die Tiere. Werden sie jedoch aktiv, müssen sie auftauchen, um Luft zu holen. Ist das Gewässer allerdings zugefroren, kann das für die Tiere tödliche Folgen haben. Gleiches gilt für sauerstoffarme Situationen, wie in übermäßig nährstoffreichen Gewässern und nach langen Eisbedeckungen.
Teichmolche und Grasfrösche flirten früh:
Teich- und andere heimische Molche überwintern oft an Land, häufig in Laubhaufen. Sie wandern im Spätherbst in ihre Winterquartiere, aber meist nicht weiter als hundert Meter. Nach oder zeitgleich mit den Grasfröschen beginnen sie als eine der ersten heimischen Amphibienarten im Februar ihre Laichwanderung zurück zum Gewässer. Zuerst machen sich die Männchen, dann die Weibchen auf den kurzen Weg zum Teich. Steigt die Wassertemperatur auf über 5 °C, beginnt schon die Balz, ein verhaltensbiologisch hochinteressantes Geschehen, das einem „Tanz unter Wasser“ gleicht.
Muscheln hören im Winter auf zu wachsen:
Auch Süßwassermuscheln überwintern. Sie liegen am Gewässergrund und fahren ihren Stoffwechsel herunter. Dadurch wachsen sie viel weniger. So bilden sie ähnlich wie Bäume Jahresringe auf ihrer Schale aus, an denen man das Alter ablesen kann.
Fische sind trotz Kälte meist wach und manche auch geselliger als im Sommer:
Fische bleiben im Winter wach, verhalten sich aber meist ruhiger – dachte man jedenfalls. Das Team von IGB-Forscher Robert Arlinghaus hat mittels Telemetrie das Verhalten von Karpfen im jahreszeitlichen Verlauf in einem gesamten See untersucht. Dabei zeigte sich, dass das Verhalten der Tiere über das Jahr variierte. Im Winter schwammen die Karpfen im Durchschnitt erstaunlicherweise etwa doppelt so schnell wie im Sommer, gruppierten sich eher im Schwarm und verbrachten tagsüber mehr Zeit miteinander.
Grundsätzlich ist es aber schon die Regel, dass sich auch viele Fische im Winter weniger bewegen, weil der Stoffwechsel temperaturgesteuert ist. Kaltangepasste Fischarten hingegen sind gerade im Winter aktiv, wie beispielsweise Forellen. Einige, wie die Quappen, laichen sogar in dieser Zeit oder fressen sich rund, um über den Winter die Geschlechtsorgane ausbilden, wie Hechte, die im Winter ähnlich aktiv umher schwimmen wie im Sommer. Fast alle Fische sind an kalte Temperaturen angepasst und haben daher auch mit langen kalten Temperaturen keine Probleme. Im Gegenteil – der Klimawandel, der die Winterwassertemperaturen erhöht, kann beispielsweise bei Barschen zu Problemen mit der Eireifung und zu einer verringerten Fortpflanzung im nächsten Frühjahr führen.
Wasserflöhe haben jahreszeitlich betrachtet nur vor dem Winter Sex:
Wasserflöhe haben mit dem Tier- oder Menschenfloh nichts gemein. Sie gehören zu den kleinsten Vertretern der Krebstiere, leben im Süßwasser und haben eine faszinierende Überlebensstrategie: Wenn es stressig wird und die Lebensbedingungen schlecht sind, legen sie Dauereier, die noch nach 100 Jahren wieder geweckt werden können. Als Dauerei überstehen sie auch die kalte Jahreszeit.
Normalerweise produziert der weibliche Wasserfloh unbefruchtete Eier, aus denen sich nur weibliche Tiere entwickeln. Im Herbst oder bei ungünstigen Lebensbedingungen entwickeln sich aus diesen Eiern jedoch auch Männchen, die sich mit den Weibchen paaren. So entstehen für das Überwintern robuste Dauereier mit einer festen Hülle. Im nächsten Frühjahr entwickeln sich aus den befruchteten Dauereiern wieder weibliche Tiere und der Fortpflanzungszyklus beginnt von Neuem.
Algen können auch im Winter „blühen“:
Berichte über Massenentwicklungen von Algen kennt man eher aus dem Sommer. Im Winter sind die Algenmengen durch geringes Lichtangebot und niedrige Temperaturen meist gering. Gelegentlich wachsen einige Algen aber auch im Winter kräftig, sogar unter (schneefreiem) Eis. Dies kann vor allem in Kleinstgewässern wie dem Gartenteich geschehen, wenn viel Laub oder abgestorbene Pflanzenteile das Wasser mit Nährstoffen belasten. Die im Winter wachsenden Algen weisen jedoch bestimmte Charakteristika auf: Sie haben eine breite Temperaturtoleranz und besondere Überlebensstrategien für kalte Temperaturen entwickelt – wie beispielsweise Kälteschock- und Gefrierschutzproteine oder eine kälteresistente Zellwand aus ungesättigten Fettsäuren.
Wo sind die Wasserpflanzen im Winter?
Die meisten unserer heimischen Wasserpflanzen bilden sich zum Spätherbst weitgehend zurück und überdauern die kalte Jahreszeit als Samen, in Dauerstadien oder Winterknospen (Turionen) am Gewässerboden. Die Samen und Turionen brauchen, bevor sie im Frühjahr wieder auskeimen, eine Kälteperiode.
Die Sauerstoffproduktion durch die Unterwasserpflanzen fehlt daher im Winter weitgehend, und unter Eis sind Perioden mit sauerstofffreien Bedingungen in Seen mit hohen sommerlichen Pflanzenbiomassen häufiger als in Seen, die durch Algen dominiert werden. Einige Wasserpflanzenarten sind jedoch wintergrün und können die im Winter geringere Konkurrenz um Ressourcen für ihr Wachstum nutzen. So braucht das Quellmoos freies CO2, das im Frühjahr und Sommer auch stark durch die Photosynthese der Algen genutzt wird. Es wächst daher im Winter besonders gut. Auch einige Arten von Armleuchteralgen sind wintergrün. Dichte Wiesen, die den Gewässergrund bedecken, können so auch im Winter zur Sauerstoffproduktion beitragen
Wasservögel: Wärmetauscher in den Beinen, bitte auch im Winter nicht füttern:
Viele Wasservögel verbringen den Winter in unseren Breiten. Tatsächlich sind Schwäne Zugvögel, aber die meisten europäischen Schwäne verspüren wenig Drang, im Winter fortzuziehen. Außer in den nördlichen Ländern wie Island, wo die Vögel bei Kälte aufbrechen. Auch Stockenten ziehen nicht immer ins Warme.
Um auch bei niedrigen Temperaturen nicht auf dem zugefrorenen See anzufrieren, ist der Blutkreislauf in den Beinen von Wasservögeln wie ein Wärmetauscher angelegt. Die feinen Blutgefäße liegen dort dicht beieinander, so dass das warme Blut vom Körper das kalte Blut von den Füßen erwärmt.
Wichtig ist, die Wasservögel auch im Winter nicht zu füttern. Sie finden in der Regel in ihrer Umgebung, genug zu fressen. Das Füttern birgt nämlich gesundheitliche Risiken für die Tiere, beeinträchtigt die Wasserqualität und ist zudem in einigen Gegenden, z.B. Städten wie Berlin, eine Ordnungswidrigkeit.
Damit im Winter im Teich keine Tiere sterben oder Algenblüten entstehen:
Wer selbst einen Teich oder Tümpel im Garten hat, findet in Gartenbüchern oder auf entsprechenden Internetseiten viele Ratschläge, wie man sein kleines Gewässer winterfest machen kann. Deshalb hier nur die wichtigsten Tipps: Für Fische muss der Teich mindestens 80 bis 100 Zentimeter tief sein, damit die Tiere nicht erfrieren, und die Wasseroberfläche darf nicht komplett zufrieren. Faulschlamm entfernen und vermeiden, denn er verbraucht im Winter den dringend benötigten Sauerstoff. Dazu auch Laub beseitigen und Wasserpflanzen zurückschneiden. Aber nicht alles Grün muss raus, denn wintergrüne Pflanzenarten sind auch in der kalten Jahreszeit wichtige Sauerstofflieferanten für die Fische und Röhrichte bei geschlossener Eisdecke nützlich für den Gasaustausch und als Kinderstube für Insektenlarven. Warum kleine Gewässer so wichtig sind, ist hier nachzulesen.
Ach ja, wo wir gerade von Eis sprechen: Hier nochmal ein Sicherheitshinweis!
Bitte im Winter nicht die Eisdecke eines natürlichen Gewässers betreten (Pfützen ausgenommen). Strömungen, Einleitungen, Risse und unterschiedliche Eisqualitäten können dazu führen, dass trotz ausreichender Dicke das Eis nicht sicher trägt. Also: Besser auf eine Eisbahn ausweichen oder für eine Schneeballschlacht am Ufer bleiben.
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Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Winterstarre, Winterschlaf und Winterruhe?
Die Winterstarre ist eine Überlebensstrategie von wechselwarmen Tieren wie Amphibien, Reptilien und Insekten. Ihre Körpertemperatur passt sich der Außentemperatur an. Natürlich nur in gewissen Grenzen. Sinkt die Temperatur unter 10°C, verfallen die Tiere in eine Winterstarre. In der Winterstarre verharren die Tiere während der gesamten kalten Jahreszeit. Erst durch die Wärme der Sonne werden die Körperfunktionen wieder aktiviert und die Tiere erwachen aus diesem Zustand.
Kleinere Säugetiere wie Igel oder Siebenschläfer halten Winterschlaf. Während des Winterschlafs werden die Körperfunktionen extrem heruntergefahren, die Körpertemperatur und die Stoffwechselaktivität sinken, das Herz schlägt langsamer. Im Gegensatz zur Winterstarre sind die Tiere nach oder während des Winterschlafs in der Lage, ihre Körperfunktionen selbst wieder zu aktivieren und auch zwischendurch aufzuwachen und Nahrung aufzunehmen.
Rein äußerlich unterscheidet sich die Winterruhe nicht vom Winterschlaf. Tiere die Winterruhe halten, wie der Bär oder der Dachs, ziehen sich zu Beginn der kalten Jahreszeit für mehrere Monate in geeignete Unterschlüpfe zurück. Im Gegensatz zum Winterschlaf werden die Körperfunktionen jedoch nicht so stark reduziert. Die Tiere sind daher schnell wieder auf den Beinen, wenn sie beispielsweise angegriffen werden.
Weitere Informationen:
https://www.igb-berlin.de/news/still-und-starr-ruht-der-see