Viele Geflüchtete wünschen sich die deutsche Staatsangehörigkeit
Im Jahr 2021 besaß bereits ein Prozent der Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland eingereist waren, die deutsche Staatsangehörigkeit. Das zeigt der Forschungsbericht „Einbürgerungspotenziale bei Geflüchteten in Deutschland“ des Forschungszentrums des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ). Von denjenigen, die zu diesem Zeitpunkt nicht eingebürgert waren, hatten sechs Prozent bereits einen Antrag auf Einbürgerung gestellt und weitere 92 Prozent konnten sich vorstellen, dies in Zukunft zu tun.
Mit dem Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit sind auch eine Reihe von Rechten verbunden, wie beispielsweise das Wahlrecht. Die Einbürgerung ist damit ein zentrales Instrument der Demokratie und kann maßgeblich zur Förderung des Zugehörigkeitsgefühls von Personen mit Migrations- beziehungsweise Fluchthintergrund und zur Steigerung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes beitragen. Dennoch sind in Deutschland auch trotz Reformen des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts Einbürgerungen relativ selten. So betrug in den letzten 20 Jahren das sogenannte ausgeschöpfte Einbürgerungspotenzial, bezogen auf die ausländische Bevölkerung, die am 31.12. des Vorjahres jeweils mindestens 10 Jahre in Deutschland gelebt hat, jährlich nur zwei bis drei Prozent. „Mit dem hohen Zuzug von Personen mit Fluchthintergrund in den Jahren 2015 und 2016 kann sich dieser stagnierende Trend aber bald in eine andere Richtung entwickeln“, berichtet Dr. Kerstin Tanis. „So ist von anerkannten Schutzsuchenden bekannt, dass sie zumeist eine hohe Bleibewahrscheinlichkeit und – anders als beispielsweise Erwerbsmigrantinnen und -migranten – aufgrund der Fluchtumstände, wie z. B. drohender Verfolgung, eine niedrigere Identifikation mit ihrem Herkunftsland aufweisen“, erklärt Frau Dr. Tanis weiter. Die Einbürgerungsabsichten von Geflüchteten spiegeln sich auch in der Einbürgerungsstatistik wider. Nach dieser stellten im Jahr 2022 Personen aus Syrien mit 29 Prozent unter den 168.000 in Deutschland eingebürgerten Personen mittlerweile die größte Gruppe dar. Analysen auf Basis der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten für das Jahr 2021 zeigen darüber hinaus, dass sich bereits 64 Prozent der Geflüchteten über den Einbürgerungsprozess informiert hatten. Als Informationsquellen wurden dabei am häufigsten das Internet und Kontakte zu Freunden genutzt.
Viele Geflüchtete erfüllen eine oder mehrere Voraussetzungen für eine Einbürgerung, nur wenige erfüllen alle
Für den Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit müssen nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz mehrere Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt werden. Der Bericht konzentriert sich für die Auswertungen auf vier Voraussetzungen: Aufenthaltsstatus, Aufenthaltsdauer, Lebensunterhalt und Deutschkentnisse. Die Analysen der Angaben zu diesen Voraussetzungen zeigen, dass im Jahr 2021 71 Prozent der Geflüchteten, die zu diesem Zeitpunkt keinen Einbürgerungsantrag gestellt hatten, über einen erforderlichen Aufenthaltsstatus verfügten. Gut jede vierte Person (43 Prozent) dieser Gruppe konnte eine ausreichende rechtmäßige Aufenthaltsdauer vorweisen. Über die Hälfte (57 Prozent) konnte ihren eigenen Lebensunterhalt sichern, ohne Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II beziehen zu müssen, und knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) verfügte über ausreichende Deutschkenntnisse. „Allerdings konnte mit 16 Prozent nur ein geringer Anteil der Geflüchteten alle vier Einbürgerungsvoraussetzungen gleichzeitig erfüllen und wäre damit für eine Einbürgerung in Frage gekommen“, so Wenke Niehues. Dies entsprach bundesweit rund 103.000 Personen. Ergänzend zu diesen volljährigen Personen hätten sich im Jahr 2021 weitere 115.000 Minderjährige zusammen mit ihren Eltern einbürgern lassen können.
Die geplante Modernisierung des Gesetzes würde das Einbürgerungspotenzial erhöhen
Wenn sich die für die Einbürgerung vorausgesetzte Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes in Deutschland entsprechend der geplanten Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, das heißt gemäß dem aktuell im Bundestag diskutierten Entwurf von August 2023, auf fünf beziehungsweise drei Jahre reduzieren würde, hätten im Jahr 2021 85 Prozent statt 43 Prozent der Geflüchteten für eine Einbürgerung bereits ausreichend lange in Deutschland gelebt. 61 Prozent der Geflüchteten statt 57 Prozent hätten nach den Voraussetzungen ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern können und 21 Prozent statt 16 Prozent hätten alle vier Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllt. Zum Befragungszeitpunkt 2021 hätte dies hochgerechnet rund 135.000 volljährige Personen entsprochen. Durch die geplante Anpassung des Gesetzes wären also rund 32.000 mehr volljährige Personen für eine Einbürgerung in Frage gekommen. Ergänzend hierzu hätte sich die Anzahl potenziell miteinzubürgernder Minderjähriger im Jahr 2021 um 70.000 auf 185.000 erhöht.
Bestimmte Merkmale erhöhen die Einbürgerungswahrscheinlichkeit
Die Analysen zeigen weiterhin, dass bestimmte Personengruppen eine höhere Wahrscheinlichkeit aufwiesen, alle vier Einbürgerungsvoraussetzungen zu erfüllen. Demnach hätten Männer, jüngere Personen, Personen, die aus Syrien stammen, Personen mit höherem Bildungsniveau sowie Geflüchtete, die mehr Kontakt zu deutschstämmigen Personen haben, bessere Chancen auf eine erfolgreiche Antragsstellung gehabt. Dies würde auch nach einer Umsetzung der geplanten Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz gelten.
Datenbasis
Der Forschungsbericht 49 basiert auf der sechsten Welle der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten aus dem Jahr 2021. Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten ist eine seit 2016 laufende bundesweite Längsschnittbefragung von Personen, die im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis einschließlich 31. Dezember 2019 nach Deutschland gekommen sind und hier einen Asylantrag gestellt haben, unabhängig von Verlauf und Ausgang des Asylverfahrens. Zusätzlich werden die Haushaltsmitglieder dieser Personen befragt. Grundlage für die Stichprobenziehung war das Ausländerzentralregister (AZR). In diesem Forschungsbericht wurden überwiegend Daten von 2.540 volljährigen Befragten aus der sechsten Erhebungswelle des Jahres 2021 verwendet. Unter Zuhilfenahme von Gewichten können die Ergebnisse auf 816.000 volljährige Personen hochgerechnet werden.
Weitere Informationen:
Die Publikation kann hier heruntergeladen werden: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Forschungsberichte/fb49-einbuergerung.html
Informationen zur IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten: https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Integration/iab-bamf-soep-befragung-gefluechtete.html
Ansprechpartner für Medienanfragen:
Jochen Hövekenmeier
Pressestelle Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Telefon: +49 911 943 17799
E-Mail: pressestelle@bamf.bund.de
Über das BAMF-Forschungszentrum:
Mit der Arbeit des 2005 gegründeten Forschungszentrums kommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seiner gesetzlichen Aufgabe nach, wissenschaftliche Forschung zu Migrations- und Integrationsthemen zu betreiben. Das Forschungszentrum betrachtet das Migrationsgeschehen nach und von Deutschland und analysiert die Auswirkungen der Zuwanderung. Es begleitet Integrationsprozesse und trägt mit seinen Erkenntnissen entscheidend zur Weiterentwicklung von Integrationsmaßnahmen auf Bundesebene bei. Weitere Forschungsschwerpunkte sind u. a. Erwerbs- und Bildungsmigration, Fluchtmigration, Rückkehr und sicherheitsrelevante Aspekte der Zuwanderung. Damit leistet das BAMF-Forschungszentrum einen grundlegenden Beitrag zum Informationstransfer zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Mehr unter: www.bamf.de/DE/Themen/Forschung/forschung-node.html
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Kerstin Tanis, Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (über die Pressestelle)
Originalpublikation:
Niehues, W. & Tanis, K. (2023). Einbürgerungspotenziale bei Geflüchteten in Deutschland (Forschungsbericht 49). Nürnberg. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
https://doi.org/10.48570/bamf.fz.fb.49.d.2023.einbuergerung.1.0