FH Kiel und tk MS wollen KI für die Erstellung von Arbeitsplänen nutzen
Bis zu 80.000 Arbeitspläne müssen für den Prototyp eines U-Bootes erstellt werden. Nicht nur bei der thyssenkrupp Marine Systems (tk MS) bindet die Erstellung von Arbeitsplänen viele Ressourcen: Die Aufgabe ist komplex und zeitaufwändig, fundiertes Fachwissen und viel Erfahrung sind nötig. Die Fachhochschule Kiel möchte diesen Ablauf mithilfe Künstlicher Intelligenz zum Teil automatisieren. Fürs Training der KI können die Forscher*innen auf den riesigen Datensatz des Projektpartners tk MS zurückgreifen.
Das Land Schleswig-Holstein fördert ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungsprojekt der FH Kiel und der thyssenkrupp Marine Systems GmbH (tk MS). Im Rahmen des auf drei Jahre ausgelegten Projekts „OfferAI“ wollen die Projektpartner eine teilautomatische Erstellung von Arbeitsplänen entwickeln. Digitalisierungsminister Dirk Schrödter überreichte Freitag (12. Januar 2024) den Förderbescheid in Höhe von rund 340.000 Euro.
Arbeitspläne sind in der Produktion und insbesondere im Maschinenbau sehr wichtig. In ihnen sind alle Schritte zur Herstellung eines Produktes aufgelistet. Ihre Erstellung ist sehr komplex und zeitaufwändig. Sie erfordert nicht nur technisches Wissen, sondern auch die Berücksichtigung von Produktionskapazitäten wie Personal und verfügbaren Anlagen sowie Fertigungstechnologien. Im Rahmen des Projekts „OfferAI“ möchten die Beteiligten Künstliche Intelligenz (KI) nutzen, um aus vorhandenen Daten Arbeitspläne schneller und präziser zu erstellen. Für das Training der KI kann das Team um Prof. Daniel Böhnke auf den riesigen Datenpool von Marine Systems zurückgreifen. Hier entstehen pro Boot zehntausende von Arbeitsplänen, die sich aufgrund individueller Kundenwünsche von Projekt zu Projekt unterscheiden. Eine sehr gute Ausgangslage für den Einsatz datenhungriger KI. Um die Daten nutzbar zu machen, verwendet das Team unter anderem Technologien, die bereits für die Sprachverarbeitung genutzt werden, erklärt Böhnke. „KI wird bislang bei der Erstellung von Arbeitsplänen kaum eingesetzt. Aber es gibt durchaus vielversprechende Technologien in diesem Bereich. Wir untersuchen unter anderem auch den Einsatz von Transformern, welche z.B. in den großen Sprachmodellen à la Chat GPT verwendet werden.“
Ein Großteil der Daten besteht aus Geometrien, die technische Bauteile beschreiben. Das Team arbeitet nun daran, die bereits bewährten Technologien auf die Verarbeitung von Geometrien mit KI zu übertragen. Für Böhnke die größte Herausforderung des Projekts: „Ingenieur*innen speichern technische Bauteile in Form von 3D-Modellen und technischen Zeichnungen ab. Für uns ist eine der spannenden und bislang nicht vollständig gelösten Fragestellungen, wie diese Informationen für den Einsatz von KI aufgearbeitet werden können.“
Insgesamt strebt Böhnke eine Vorhersagegenauigkeit von mehr als 85 Prozent an. Eine solche Genauigkeit könnte die Arbeitsplanung erheblich beschleunigen und sowohl die Angebotserstellung als auch den Produktionsbeginn optimieren. Insbesondere im spezialisierten Prototypenbau bei Marine Systems existiert ein hoher Bedarf in der Arbeitsplanung. Für den Prototyp eines U-Bootes müssen im Verlauf einer mehrjährigen Planung bis zu 80.000 Pläne erstellt und zahlreiche Arbeitskapazitäten gebunden werden. Das Einspar- und Entlastungspotential ist also enorm, betont Dr. Dirk Steinbrink, Chief Operating Officer von thyssenkrupp Marine Systems: „Der Arbeitsplanassistent birgt ein gutes Potenzial und wird uns in Zukunft einen Teil der Arbeit abnehmen können. In Bezug auf den Fachkräftemangel ist das eine sinnvolle Ergänzung der ohnehin knappen Personalressourcen im spezialisierten Marineschiffbau. Neben der sinnvollen Ergänzung für unsere Mitarbeitenden und Produktionsplanung, erhoffen wir uns auch eine Verbesserung der Datenqualität durch die Vorbefüllung der Arbeitspläne.“
„Die Erstellung von Arbeitsplänen ist für einen reibungslosen Ablauf im Maschinenbau eine ebenso wichtige wie zeitraubende Aufgabe“, weiß auch Digitalisierungsminister Dirk Schrödter. „Je größer das Unternehmen, desto mehr Daten fallen an und desto deutlicher wird die Notwendigkeit, Produktionsprozesse zu automatisieren und zu optimieren. Durch den Einsatz und die Anwendung von KI kann die Arbeit effektiver geplant, Angebote schneller erstellt, die Qualität erhöht sowie zugleich Ressourcen geschont werden. Das Projekt Offer-AI zeigt außerdem, wie sich durch das funktionierende, stetig wachsende KI-Ökosystem im Land Forschung und Wirtschaft gegenseitig befruchten und der Wissenstransfer gelingt. Ein starkes Zeichen für unsere KI-Strategie und den Digitalstandort Schleswig-Holstein.“
Von einer teil-automatisierten Erstellung von Arbeitsplänen könnte aber nicht nur der Projektpartner Marine Systems profitieren. Die Methode könnte für diverse Branchen von Nutzen sein. Ein großer Bedarf besteht z.B. in der Lohnfertigung in der zerspanenden Industrie. Hier müssen die Anbieter in hoher Taktung Angebote für technische Prozessen erstellen. Aber auch für das Handwerk existieren Anwendungsszenarien, z.B. die teil-automatisierte Erstellung einer Ablaufplanung für Arbeiten an denkmalgeschützten Bauten, insbesondere, wenn formale Anforderungen für eine Förderung einzuhalten sind.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Daniel Böhnke
E-Mail: daniel.boehnke@fh-kiel.de