Wichtige Ansätze und offene Fragen: SVR zu Staatsangehörigkeitsreform
Am heutigen Freitag berät der Bundestag abschließend über den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts. Prof. Dr. Hans Vorländer, Vorsitzender des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR), erklärt dazu:
„Die geplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts hat großes Potenzial. Zentrale Einbürgerungshürden werden dadurch beseitigt. Das ist ein wichtiges Signal für die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die ihren Lebensmittelpunkt dauerhaft in Deutschland gefunden haben. Dass Mehrstaatigkeit nun auch bei Einbürgerung grundsätzlich akzeptiert werden soll, stellt einen Paradigmenwechsel dar, den wir begrüßen. Die unlimitierte Weitergabe der doppelten Staatsangehörigkeit an nachfolgende Generationen wirft dagegen demokratiepolitische Fragen auf: Dass sich Nachkommen von Eingebürgerten vermehrt an politischen Entscheidungsprozessen in anderen Ländern beteiligen können, kann problematisch werden – sowohl für das Land der Einbürgerung wie das Land der weiteren Staatsangehörigkeit.
Die geplante Verschärfung zur Lebensunterhaltssicherung als Einbürgerungsvoraussetzung sieht der SVR ebenfalls kritisch. Bestimmte Gruppen hätten demnach keinen Anspruch mehr auf Einbürgerung – darunter Menschen mit Behinderung, Studierende und Alleinerziehende, die Sozialleistungen beziehen, weil sie nicht oder nur in Teilzeit erwerbstätig sein können. Deren Berücksichtigung als Härtefälle im Rahmen der Ermessenseinbürgerung stellt keinen ausreichenden Ersatz dar. Auch Neuregelungen zur Verringerung von Staatenlosigkeit fehlen. Der SVR empfiehlt einen automatischen ius soli-Erwerb der Kinder von Staatenlosen, wenn die Eltern mindestens fünf Jahre rechtmäßig in Deutschland leben.
Zudem sieht der SVR große Herausforderungen in der Rechtsumsetzung: Zum Beispiel ist unklar, wie die zuständigen Behörden antisemitisch oder rassistisch motivierte Handlungen als Ausschlussgrund für eine Einbürgerung feststellen sollen. Auch ist die vorgesehene Dauer von drei Monaten bis zum Inkrafttreten des Gesetzes für die Anpassung von Verwaltungsabläufen knapp bemessen. Bereits jetzt sind Einbürgerungsbehörden stark belastet. Damit Prozesse beschleunigt werden können, braucht es mehr Ressourcen sowie weitere Digitalisierung – sonst besteht die Gefahr, dass die mit der Reform auf dem Papier abgebauten Einbürgerungshürden in der Realität von einem größer werdenden Antragsstau in den Ämtern wieder aufgefressen werden.“
Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium der wissenschaftlichen Politikberatung. Mit seinen Gutachten soll das Gremium zur Urteilsbildung bei allen integrations- und migrationspolitisch verantwortlichen Instanzen sowie der Öffentlichkeit beitragen. Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Hans Vorländer (Vorsitzender), Prof. Dr. Birgit Leyendecker (Stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Havva Engin, Prof. Dr. Birgit Glorius, Prof. Dr. Marc Helbling, Prof. Dr. Winfried Kluth, Prof. Dr. Matthias Koenig, Prof. Sandra Lavenex, Ph.D., Prof. Panu Poutvaara, Ph.D.
Weitere Informationen unter: https//:www.svr-migration.de
Originalpublikation:
https://www.svr-migration.de/publikation/positionspapier-weiterentwicklung-staatsangehoerigkeitsrecht/