Langfristige Folgen von Infektionen im Fokus: Internationales Symposium des Leibniz Center Infection
Das Auftreten von Long COVID hat das Bewusstsein für Langzeitfolgen von Infektionen gestärkt. Doch auch andere Infektionen können Langzeitfolgen nach sich ziehen, auch wenn der Erreger erfolgreich bekämpft wurde. Im Rahmen des 13. LCI-Symposiums "Long-term Consequences of Infections" des norddeutschen Forschungsverbunds Leibniz Center Infection (LCI) werden internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenkommen, um spätere Auswirkungen von Infektionskrankheiten zu diskutieren. Die Veranstaltung findet am 1. und 2. Februar 2024 am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg statt.
Langfristige Folgen einer Infektion können erhebliche Konsequenzen für die Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen haben. Nicht nur das akute Stadium der Infektion, sondern auch die postinfektiöse Phase rückt vermehrt in den Fokus der medizinischen Forschung. Langzeitfolgen können vielfältig sein und reichen von persistierenden Symptomen bis zu gesundheitlichen Komplikationen, aber auch sozialen und ökonomischen Problemen.
Bei Post-COVID sind Fatigue (krankhafte Erschöpfung) und Belastungsintoleranz die häufigsten Symptome. „Wir haben zudem herausgefunden, dass ein Teil der Betroffenen nach einer SARS-CoV-2-Infektion an Myalgischer Enzephalomyelitis / Chronischem Fatigue-Syndrom, kurz ME/CFS, erkrankt ist - eine schwere, komplexe und meist chronische Erkrankung aufgrund einer Fehlregulation des zentralen und autonomen Nervensystems, des Immunsystems und des Stoffwechsels“, erklärt Prof. Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Charité Berlin und eingeladene Sprecherin. ME/CFS werde nicht nur durch Corona-, sondern auch andere Viren ausgelöst. Auch vor der Pandemie waren laut Querschnittsdaten verschiedener Studien aus den Jahren 2011 bis 2020 schon 150.000 bis 300.000 Menschen in Deutschland daran erkrankt, schreibt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in seinem Abschlussbericht 2023. „Doch die Erkrankung wurde kaum wahrgenommen und somit gab es auch kaum Forschungsförderung“, so Scheibenbogen.
Prof. Gülşah Gabriel, Leiterin der Abteilung Virale Zoonosen – One Health am Leibniz-Institut für Virologie (LIV) untersucht ebenfalls mögliche Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung. Insbesondere stehen Geschlechtshormone im Fokus aktueller Forschungsarbeiten, welche eine geschlechtsabhängige Erkrankungs-schwere beeinflussen können. Sie betont: „Der Einfluss respiratorischer Virusinfektionen auf das endokrine System mit möglichen Langzeitkonsequenzen ist ein neues Forschungsfeld, das besondere Aufmerksamkeit benötigt.“
Auch bakterielle Infektionskrankheiten, wie die Tuberkulose, können Langzeit-folgen haben. Forschende des Forschungszentrums Borstel (FZB) untersuchen im BMBF-Afrika geförderten Netzwerk TB-Sequel II unter Leitung der LMU München zusammen mit Partnern in vier afrikanischen Ländern die Spätfolgen der Tuberkulose. Prof. Andrea Rachow von der LMU München und Sprecherin des TB-Sequel II Netzwerks wird dazu referieren.
Forschung im ganzheitlichen Kontext
Das vielfältige Programm der Veranstaltung beleuchtet in drei Themenblöcken die Langzeitfolgen von Infektionen auf das Immunsystem, auf die betroffenen Organe sowie auf die sozioökonomische Lage der Betroffenen.
In der Session Sozioökonomische Folgen einer Infektion erörtern Wissenschaftler:innen wie Prof. César Muñoz-Fontela, Leiter der Arbeitsgruppe Virus Immunologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), wie fehlgesteuerte Kommunikation oder Desinformationskampagnen in der Vergangenheit Epidemien verschlimmert haben. „Die globale Erwärmung, die Notwendigkeit, die Welt zu ernähren, und die Botschaften der Politik sind Faktoren, die einen großen Einfluss auf das Auftreten zoonotischer Virusinfektionen haben“, betont Muñoz-Fontela.
„Es ist unser Ziel als LCI, die Dynamik von Infektionen zu untersuchen und herauszufinden, warum Langzeitfolgen bei einigen Erkrankten entstehen, um innovative Strategien zur Bewältigung der langfristigen Konsequenzen zu entwickeln“, sagt LCI-Sprecher und Direktor am FZB, Prof. Ulrich Schaible. Dieses Symposium markiere einen weiteren Schritt in Richtung eines umfassenden Verständnisses und effektiverer Maßnahmen im Umgang mit Infektionskrankheiten weltweit.
Höhepunkte des Symposiums sind Vorträge renommierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler:
Prof. Dr. Tobias Welte von der Medizinischen Hochschule Hannover geht darauf ein, wie virale Infektionen den Verlauf und die Symptome chronischer Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen verschlechtern können, und welche Rolle Impfungen als wichtigste Präventionsmaßnahme spielen.
Dr. Tom Wingfield von der Liverpool School of Tropical Medicine erörtert die sozialen Dimensionen der Tuberkulose und zeigt Möglichkeiten auf, wie präventive Maßnahmen und Pflegestrategien effektiver gestaltet werden können.
Prof Dr. Cecilie Svanes von der Universität Bergen referiert über die pränatalen Ursprünge von Atemwegserkrankungen, und welche Rolle Infektionen dabei spielen.
Prof. Dr. Susanne Nylén vom Karolinska-Institut in Stockholm präsentiert ihre Forschung zur Interaktion von Parasiten mit dem Wirt. Dabei liegt ihr Schwerpunkt darauf, wie Darmnematoden langfristig die Immunlandschaft formen und welche Auswirkungen dies auf Infektionen und Impfungen hat.
Zudem hat das FZB einen Spezialgast aus Kapstadt eingeladen – Dr. Zolelwa Sifumba, Ärztin und ehemalige Tuberkulosepatientin, die sich als Aktivistin bei der NGO TB Proof engagiert und mit dem Beitrag „Tuberkulose und ich“ über ihre Erfahrungen mit der Erkrankung und den Spätfolgen berichten wird.
Über das Leibniz Center Infection:
Das Leibniz Center Infection (LCI) ist eine dynamische Allianz der Leibniz-Institute Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum (FZB) und dem Leibniz-Institut für Virologie (LIV). Als Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft betreiben die Institute strategische, themenorientierte Forschung wissenschaftlicher Fragestellungen von gesellschaftlicher Relevanz. Die Allianz dient vor allem dazu, den Forschungsschwerpunkt Global and Emerging Infections als Kernkompetenz im norddeutschen Wissenschaftsraum zu fördern. Ziel ist es, zusammen mit lokalen universitären Partnern und Großforschungseinrichtungen ein nationales Kompetenzzentrum der Infektionsforschung zu erschaffen.
Weitere Informationen finden Sie unter www.lc-infection.de.