Planetare Gemeinschaftsgüter: Wie globale Kooperation den Schutz zentraler Funktionen des Erdsystems stärken kann
Kippelemente des Erdsystems sollten als globale Gemeinschaftsgüter betrachtet werden, argumentieren führende Fachleute der Rechts-, Sozial- und Erdsystemwissenschaften in einem neuen Papier in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS). Derzeit beziehen sich globale Gemeinschaftsgüter oder Global Commons vor allem auf die außerhalb nationaler Grenzen liegenden Teile des Planeten, wie die Hochsee oder die Antarktis. Es sei zeitgemäß, auch Systeme der Erde mit einzubeziehen, die Funktion und Zustand des Planeten bestimmen. Dies erfordert eine neue Ebene der transnationalen Zusammenarbeit, so die Forschenden.
Die Autorinnen und Autoren erörtern einen neuen Rahmen der planetaren Gemeinschaftsgüter, um gesellschaftliche Risiken zu begrenzen und kritische Funktionen des Erdsystems zu schützen.
„Die Stabilität und der Wohlstand der Nationen und unserer Zivilisation sind abhängig von der Stabilität kritischer Funktionen des Erdsystems, die über nationale Grenzen hinauswirken. Gleichzeitig stößt der Mensch durch seine Aktivitäten immer stärker an die planetaren Grenzen der Resilienz dieser biophysikalischen Prozesse und Systeme. Vom Amazonas-Regenwald bis zu den Eismassen Grönlands steigt die Gefahr, Veränderungen in der Funktionsweise des Erdsystems auszulösen, die unumkehrbar und unkontrollierbar sein könnten. Da diese Veränderungen Menschen auf der ganzen Welt betreffen, argumentieren wir, Kippelemente als planetarische Gemeingüter zu betrachten, die der Welt anvertraut wurden und daher einer gemeinsam koordinierten Steuerung bedürfen“, erklärt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor für Erdsystemwissenschaften an der Universität Potsdam.
Die Veröffentlichung ist das Ergebnis eines fast zweijährigen Forschungsprozesses, an dem 22 führende internationale Forschende aus den Rechts-, Politik- und Erdsystemwissenschaften beteiligt waren. Sie stützen sich dabei auf die bekannte Idee der globalen Gemeinschaftsgüter, erweitern sie aber erheblich, um effektivere rechtliche Antworten zu finden. Auf diese Weise könnten für die wichtige biophysikalische Systeme, wie etwa natürliche Kohlenstoffsenken und die großen Waldsysteme, besser verwaltet und geschützt werden. „Wir glauben, dass die planetaren Gemeinschaftsgüter das Potenzial haben, wirksame Steuerungsverantwortung für Staaten auf der ganzen Welt zu formulieren und zu schaffen, und zwar durch eine Erdsystem-Governance, die darauf abzielt, die planetare Widerstandskraft wiederherzustellen, zu stärken und Gerechtigkeit zu fördern. Da sich diese Gemeinschaftsgüter jedoch häufig innerhalb souveräner Territorien befinden, müssen solche Verantwortlichkeiten auch klare Gerechtigkeitskriterien erfüllen“, betont die Sozialwissenschaftlerin und Autorin Joyeeta Gupta.
Ein Wandel über nationale Grenzen hinaus, hin zu kollektiven globalen Lösungen
Globale Gemeinschaftsgüter wie die Hohe See und die Tiefsee, der Weltraum, die Antarktis und die Atmosphäre werden von allen Staaten gemeinsam genutzt. Sie liegen außerhalb der Grenzen der Gerichtsbarkeit und damit außerhalb souveräner Ansprüche. Alle Staaten und Menschen haben ein gemeinsames Interesse daran, sie zum Wohle aller zu schützen und effektiv zu verwalten, insbesondere wenn es um das Management der Ressourcengewinnung geht. Planetare Gemeinschaftsgüter erweitern die Idee der globalen Gemeinschaftsgüter, indem diese nicht nur weltweite gemeinsame geografische Regionen einbeziehen, sondern auch kritische biophysikalische Systeme, die Widerstandsfähigkeit und den Zustand und damit auch die Lebensqualität auf der Erde regulieren. Die Folgen einer solchen „planetaren Verschiebung“ in der Verwaltung und Entwicklung globaler Gemeinschaftsgüter sind potenziell tiefgreifend, argumentieren die Autorinnen und Autoren. Der Schutz dieser kritischen Erdsystemfunktionen sei eine Herausforderung auf einer einzigartigen, planetaren Ebene und erfordere gemeinsame, über nationale Grenzen hinausgehende Lösungen.
„Die kritischen Regulierungssysteme der Erde werden heute durch menschliche Aktivitäten in einem noch nie dagewesenen Ausmaß unter Druck gesetzt“, sagt Louis Kotzé, Autor der Studie und Professor für Rechtswissenschaften an der North-West University in Südafrika und der University of Lincoln, Großbritannien, sowie Forscher am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit -- Helmholtz-Zentrum Potsdam. „Unser bestehendes globales Umweltrecht und der Rahmen für eine verantwortungsvolle Regierungsführung reicht nicht aus, um die planetare Krise zu bewältigen und sicherzustellen, dass planetaren Belastungsgrenzen nicht überschritten werden. Deshalb brauchen wir dringend planetare Gemeinschaftsgüter als neuen Rechts- und Governance-Ansatz, der die kritischen Erdsystemfunktionen wirksamer schützen kann.“
Originalpublikation:
Johan Rockström, Louis Kotzé, Svetlana Milutinović, Frank Biermann, Victor Brovkin, Jonathan Donges, Jonas Ebbesson, Duncan French, Joyeeta Gupta, Rakhyun Kim, Timothy Lenton, Dominic Lenzi, Nebosja Nakicenovic, Barbara Neumann, Fabian Schuppert, Ricarda Winkelmann, Klaus Bosselmann, Carl Folke, Wolfgang Lucht, David Schlosberg, Katherine Richardson, Will Steffen (2024): The Planetary Commons: A New Paradigm for Safeguarding Earth Regulating Systems in the Anthropocene. [DOI: 10.1073/pnas.231531121]
Weitere Informationen:
https://doi.org/10.1073/pnas.2301531121 - Weblink zum Artikel in PNAS