Einblick in Archive der Natur | Universität Vechta entwickelt neue wissenschaftliche Theorie
An der Universität Vechta wird ab dem Jahreswechsel eine neue wissenschaftliche Theorie entwickelt. Sie soll einen neuen Blick auf menschliche Einflüsse auf der Erde ermöglichen und damit beispielsweise helfen, ein besseres Verständnis für den Klimawandel zu gewinnen. Grundlage der neuen Theorie sind „Archive der Natur“ – erdgeschichtliche Orte und Aufzeichnungsmedien, an denen der Verlauf menschlicher Einflüsse nachvollziehbar wird – und wie sie in kulturellen Erzeugnissen wie Literatur oder Film dargestellt werden. Das dreijährige Projekt entsteht im Fachbereich Kulturwissenschaften und wird von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) gefördert.
Ein Eisbohrkern spricht Bände über den menschlichen Einfluss auf unserem Planeten. Naturwissenschaftler*innen ziehen aus den Bohrlöchern Jahrtausende alte Eisschichten und gewinnen damit Erkenntnisse etwa über die Veränderung der CO2-Belastung seit der Industrialisierung. „Seit der frühen Neuzeit betrachten wir die Natur eher als Ressource, die wir nutzen oder gar ausbeuten können“, erklärt Prof. Dr. Gabriele Dürbeck aus dem Fachbereich der Kulturwissenschaften. So sei unsere Gesellschaft eine klare Trennung zwischen der Kultur des Menschen und der Natur gewohnt. Gleichzeitig gibt es fast nur noch eine durch den Menschen überformte Natur. Das macht es notwendig, die Beziehungen zur Natur als wesentlichen Teil unserer Geschichte zu verstehen.
Kultur betrachtet Archive der Natur
Zum 1. Januar 2024 startet nun an der Universität Vechta ein Projekt, das dazu beitragen soll, unsere historisch gewachsenen Verbindungen zur Natur stärker in die Wahrnehmung zu rücken. Dabei geht es um die Entwicklung einer neuen wissenschaftlichen Theorie. Das Projekt „Das naturkulturelle Gedächtnis im Anthropozän. Archive, Literaturen und Medien der Erdgeschichte“ konzentriert sich auf kulturelle Erzeugnisse wie Filme, Literatur und Ausstellungen, in denen sogenannte Archive der Natur zum Thema werden. Als Beispiel für die Darstellung solcher Archive, von Baumringen bis zu geologischen Sedimenten, nennt Projektleiterin Gabriele Dürbeck die Werke des Naturschriftstellers Robert MacFarlane. In seinen Büchern nimmt er die Leserschaft mit auf seine Expeditionen, auf denen er unter die Oberfläche des grönländischen Eises hinabsteigt oder die Pilzgeflechte im Waldboden erkundet, um dieses „Unterland“ zu erforschen.
Wissenschaftliche Innovation: Archive der Natur einbeziehen
Als weitere Beispiele nennt Prof. Dürbeck einen Dokumentarfilm über den Klang schmelzender Gletscher oder ein Gedicht des Künstlers Asmus Trautsch über das Verbrennen eines Stücks vor 300.000 Millionen Jahre entstandener Kohle, das für drei Stunden Wärme viel schädlichen Ruß entlässt. „Durch die ästhetische Form der Darstellung bekommen wir eine andersartige Möglichkeit, Informationen aufzunehmen. Darum wirken sie anders auf uns“, meint die Wissenschaftlerin. Das Projekt schließt an die Grundlagenforschung in den Memory Studies an, die das durch Texte, Bilder und Riten geformte kulturelle Gedächtnis erforschen. Die zentrale Innovation dazu besteht nun darin, das kulturelle Gedächtnis zu erweitern, indem Archive der Natur und die Erdgeschichte in die kulturwissenschaftliche und ästhetische Auseinandersetzung einbezogen werden. So soll erklärt werden, wie Mensch-Natur-Beziehungen zu einem wichtigen Bestandteil von Erinnerungskultur werden.
Hochkarätige Wissenschaftler*innen begleiten das Projekt
Durchgeführt wird das Projekt für drei Jahre unter Mitarbeit von Dr. Simon Probst. Zusätzlich begleiten Mentor*innen das Vorhaben wie die vielfach ausgezeichnete Kulturwissenschaftlerin Prof. (em.) Dr. Aleida Assmann, die Humboldt-Professorin Dr. Kate Rigby und die Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Birgit Schneider. Die Entwicklung der neuen Theorie erfolgt so eingebettet in ein Netzwerk mit interdisziplinärer Expertise.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gabriele Dürbeck
Korrekturen
16.10.2024 11:10
* Korrektur zum Alter der Kohle | Richtig muss es lauten:
"Als weitere Beispiele nennt Prof. Dürbeck einen Dokumentarfilm über den Klang schmelzender Gletscher oder ein Gedicht des Künstlers Asmus Trautsch über das Verbrennen eines Stücks vor 300 Millionen Jahre entstandener Kohle, das für drei Stunden Wärme viel schädlichen Ruß entlässt.