IPK-Forschungsteam klärt Variabilität der Internodienverlängerung bei Gerste auf
Die Hauptachsen von Gefäßpflanzen wie Gerste bestehen aus sich wiederholenden Grundeinheiten, sogenannten Phytomeren. Jeder Phytomer besteht aus einem Knoten, einem Seitenzweig und einem Internodium, dem Abschnitt zwischen zwei Knoten. Die Bildung der Knoten und die Verlängerung der Internodien sind dabei von entscheidender Bedeutung für die Fitness der Pflanze und ihren Ernteertrag; wie diese beiden Prozesse ablaufen, ist bisher aber weitestgehend unbekannt. Ein internationales Forscherteam unter Leitung des IPK Leibniz-Instituts hat die Muster der Knotenbildung und der Internodienverlängerung deshalb systematisch untersucht.
Die Architektur einer Pflanze ist letztlich das Ergebnis von zwei Entwicklungsprozessen, der Organogenese (also der Bildung ihrer Organe) und ihrer Verlängerung oder Streckung. Die Organogenese geht dabei von den Meristemen (Stammzellen) aus. Aus ihnen entstehen nicht nur verschiedene Organe (z. B. Blätter und Blüten) und Achselknospen, sondern auch die Internodien. Diese Organe bilden eine funktionelle Einheit, den Phytomer. Dieser Prozess wiederholt sich mehrfach, bis der Spross entweder abstirbt oder eine spezialisierte Struktur entsteht.
Die Hauptkörperachse der Gerste ist somit eine kontinuierliche Segmentierung von Phytomeren, bei der sowohl vegetative als auch reproduktive Organe an den jeweils gegenüberliegenden Enden entstehen. Wie diese Prozesse aber genau ablaufen und gesteuert werden, ist bisher unklar. Daher untersuchte das Forschungsteam des IPK systematisch die Bildung und Verlängerung von Phytomeren. Den Fokus legten die Forscher auf die Knotenanzahl und die Länge der Internodien.
„Durch die Messung von 15.000 Datenpunkten, die die Länge und Anzahl der Phytomere von 2.500 Gerstenpflanzen mit großer genetischer Vielfalt repräsentieren, haben wir ein bisher nicht bekanntes Verlängerungsmuster für die Internodien entlang der Hauptachse aufgedeckt“, sagt Dr. Yongyu Huang, Erstautor der Studie, die jetzt im Journal "Molecular Biology & Evolution" veröffentlicht worden ist.
„Dabei kann die Hauptkörperachse in drei Zonen unterteilt werden - und das unabhängig von der Zahl der Phytomere“, sagt Dr. Yongyu Huang. „Wir haben diese drei Unterzonen als proximale, zentrale und distale Internodien bezeichnet und waren in der Lage, deren genetische Komponenten genauer zu charakterisieren.“
In ihrer Arbeit konnten die Wissenschaftler sowohl bekannte als auch neue genomische Loci identifizieren, die die Internodienverlängerung bei Gerste beeinflussen. Ein wichtiges Beispiel ist das Blühinduktionsgen PHOTOPERIOD1, das über den Gibberellinsäure (GA)-Stoffwechselweg die Länge des proximalen Internodiums bestimmt. GA ist ein Hormon, das für die Verlängerung der Internodien erforderlich ist und eine bedeutende Rolle bei der „Grünen Revolution“ spielte. So haben die kurzstrohigen Genmutationen, die das GA-Hormonsystem in den 1960er Jahren veränderten, die Pflanzenhöhe sowohl von Weizen als auch von Reis verringert. Damit standen die Pflanzen deutlich stabiler, konnten in dichteren Beständen angebaut werden, ohne dass sie in sich zusammenfielen und erzielten höhere Erträge.
„Ein großer Nachteil kurzstrohiger Sorten ist jedoch die hohe Gabe von chemischen Düngemitteln, die erforderlich ist, um die Fruchtbarkeit der Blütenstände bei reduzierter Biomasse aufrechtzuerhalten“, sagt Dr. Yongyu Huang. Gerste gilt auch heute noch als wenig lagerungstolerant. „Unsere Studie zeigt, dass kürzere proximale Internodien mit einer höheren Überlebensrate der Blütenorgane verbunden sind.“ Dies deutet darauf hin, dass durch die Umverteilung von Ressourcen von den proximalen Internodien hin zu den Blütenorganen in frühen Entwicklungsstadien die Fruchtbarkeit des Blütenstandes erhalten bleibt und die kurzstrohige Gerste gleichzeitig stabil ist und nicht zusammenfällt.
Doch nicht nur das: die Forscher fanden auch heraus, dass verschiedene, lokal angepasste Gerstenpopulationen unterschiedliche proximale Internodienlängen aufweisen, während die distalen Internodien unverändert bleiben. „In dichten Pflanzenbeständen herrschen in den drei Zonen unterschiedliche Mikroklimata“, erläutert Prof. Dr. Thorsten Schnurbusch, Leiter der IPK-Forschungsgruppe „Pflanzenarchitektur“ und Professor für Entwicklungsgenetik der Nutzpflanzen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. „Das deutet darauf hin, dass die dynamische Ausdehnung verschiedener Internodien über den vertikalen Raum variieren kann.“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Thorsten Schnurbusch
Tel.: +49 39482 5341
schnurbusch@ipk-gatersleben.de
Dr. Yongyu Huang
Tel.: +49 39482 5519
huang@ipk-gatersleben.de
Originalpublikation:
Huang et al. (2024): Dynamic phytomeric growth contributes to local adaptation in barley. Molecular Biology & Evolution. DOI: 10.1093/molbev/msae011