Nachleuchtende, antimikrobielle Verbundgläser
Unter der Marke Lumentics vertreibt die Dr. Falko Böttger-Hiller & Lars Ehrhardt Leuchtstoffe GbR qualitativ hochwertige nachleuchtende Pigmente. Die angebotenen Phosphoreszenz-Leuchtstoffe basieren alle auf neuesten Entwicklungen und zeichnen sich gegenüber den bekannten, älteren Phosphoreszenzfarbstoffen durch eine immens höhere und längere Leuchtkraft aus. Ein neues Applikationsfeld für solche nachleuchtenden Pigmente könnte sich durch den Einsatz im Bereich Einfach- und Verbundglasscheiben für den gestalterischen Innenausbau ergeben.
Im Rahmen einer vom Land Thüringen unterstützten Machbarkeitsstudie, an der die Partner UNDER PRESSURE GmbH aus Gera, die Wolf-Dierk Lohnitz glas + spiegel KG aus Machern und die Forschungseinrichtung INNOVENT e.V. aus Jena beteiligt waren, wurden erstmalig Prototypen von Verbundglasscheiben unter Verwendung dieser nachleuchtenden Materialien hergestellt. Zu diesem Zweck wurden die Gläser zunächst mit Hilfe der Pyrosil®-Technik mit dünnen Haftvermittlerschichten versehen [1]. Im nächsten Schritt erfolgte der Siebdruck der nachleuchtenden Partikel auf die so vorbehandelten Glasoberflächen.
Die Herstellung der Verbundgläser erfolgte unter Verwendung von Ethylen-Vinylacetat (EVA). Für die Anwendung im Glasbau kommt EVA als sogenannter Schmelzklebstoff zur Anwendung, da er neben einer hohen Kohäsion auch deutlich höhere Adhäsionsgrade aufweist als Polyvinylbutyral (PVB). In einem letzten Schritt wurden die Glasoberflächen unter Verwendung der Beflammungstechnik mit einer antimikrobiell wirksamen Beschichtung versehen [2]. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass mit Hilfe einer Atmosphären-druckplasma- oder flammgestützten Gasphasenbeschichtung ca. 100–200 nm dünne, silikatische Schichten auf unterschiedliche Oberflächen aufgebracht werden können. Während des Schichtwachstums können dabei antimikrobiell wirksame Bestandteile in die glasartige Schichtmatrix eingebunden werden. In dem Zusammenhang kamen den Industriepartnern die langjährigen Erfahrungen von INNOVENT e.V. auf diesem Gebiet zugute [3], so dass die Produkte innerhalb weniger Wochen entwickelt werden konnten. Als antimikrobielle Komponenten können je nach Kundenanfrage Wirkstoffe auf Basis von Silber-, Kupfer- oder Zinkverbindungen oder entsprechende Kombination verwendet werden, wobei die Art der verwendeten Wirkstoffe und deren Konzentration Einfluss auf die antimikrobielle Effizienz und auf die Langzeitwirkung haben.
Die Transmission der Gläser bleibt vom Einsatz der Wirkstoffe weitestgehend unbeeinflusst. Durch die hohe Beschichtungseffizienz und die Skalierbarkeit der flammgestützten Gasphasenabscheidung auch auf große Flächen ist eine wirtschaftliche Umsetzung dieser Technologie gegeben. Alternativ zu den hergestellten Verbundglasscheiben wurden auch Einfachverglasungen realisiert, bei denen auf der Glasrückseite der Siebdruck der nachleuchtenden Farbstoffe erfolgte und auf der Vorderseite des Glases die antimikrobiell wirksame Beschichtung aufgebracht wurde.
Die Einsatzmöglichkeiten der innovativen Gläser sind vielseitig. In Einrichtungen mit hohem Publikumsverkehr, wie Einkaufszentren, wären Schaufenster mit hygienischer Oberfläche und integrierter Notbeleuchtung denkbar. In Krankenhäusern und Pflegeheimen kann der Leuchteffekt der antibakteriellen Oberflächen zusätzlich zur nächtlichen Orientierung (Leichtes Auffinden von Brille und Tabletten bei Dunkelheit) genutzt werden.
Über INNOVENT
Die Industrieforschungseinrichtung INNOVENT e.V. analysiert, forscht und entwickelt seit 25 Jahren in den Bereichen Oberflächentechnik, Magnetisch-Optische Systeme und Biomaterialen. Das Institut aus Jena beschäftigt etwa 130 Mitarbeiter, leitet verschiedene Netzwerke und führt bundesweit Fachtagungen durch. INNOVENT ist Gründungsmitglied der Deutschen Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse.
Quellen:
[1] A. Heft, T. Hädrich, T. Struppert, A. Pfuch, M. Homuth, B. Grünler; „Abscheidung von dünnen funktionellen Schichten bei Atmosphärendruck“, in: Jahrbuch Oberflächentechnik Bd. 64, Hrsg. R. Suchentrunk, Leuze Verlag Bad Saulgau, Germany, ISBN 978-3-87480-245-1, S. 137-149
[2] O. Beier, A. Pfuch, K. Horn, J. Weisser, M. Schnabelrauch, A. Schimanski; „Low Temperature Deposition of Antibacterially Active Silicon Oxide Layers Containing Silver Nanoparticles, Prepared by Atmospheric Pressure Plasma Chemical Vapour Deposition“ Plasma Processes and Polymers, Volume 10, Issue 1, 2013, pages 77–87
[3] S. Spange, O. Beier, E. Jäger, L. Friedrich, A. Pfuch, J. Schmidt, A. Schimanski, B. Grünler; "Antibakterielle Schichten für die Medizintechnik, hergestellt mittels Atmosphärendruckplasmen", Galvanotechnik 08/2015, S. 1666 – 1674, Fortsetzung Galvanotechnik 09/2015, S.1672 – 1676
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
INNOVENT e. V. Technologienentwicklung Jena
Dr. Andreas Pfuch
E-Mail: ap@innovent-jena.de