Überprüfung der Quantenelektrodynamik in extremen Feldern mit dem schwersten Zwei-Elektronen-Ion
Ein internationales Forschungsteam hat vor Kurzem röntgenspektroskopische Messungen mit höchster Präzision an heliumähnlichem Uran, dem einfachsten und zugleich schwersten Vielelektronensystem, durchgeführt. Die Ergebnisse ermöglichen zum ersten Mal für den Bereich der extrem starken Coulomb-Felder schwerster Kerne die Trennung und separate Überprüfung von Zwei-Schleifen- und Zwei-Elektronen-QED-Effekten hoher Ordnung und stellen einen bedeutenden Maßstab für die QED im Starkfeldbereich dar.
Darüber hinaus erlaubt die erreichte Genauigkeit von 37 Millionsteln eine Unterscheidung zwischen verschiedenen theoretischen Ansätzen, die in den letzten Jahrzehnten zur Beschreibung von He-ähnlichen Systemen entwickelt wurden. Die Messungen wurden am Experimentierspeicherring ESR von GSI/FAIR in Darmstadt im Rahmen des FAIR-Phase-0-Forschungsprogramms durchgeführt. Das Forschungsteam unter der Leitung von CNRS und Sorbonne Université (Institut des Nanosciences de Paris), Frankreich,und mit Beteiligung von, unter anderem, GSI/FAIR, dem Helmholtz-Institut Jena und der Friedrich-Schiller-Universität Jena präsentiert die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature.
Die Quantenelektrodynamik (QED) – die Quantenfeldtheorie, die die Wechselwirkung zwischen Licht und Materie beschreibt – ist einer der wichtigsten Eckpfeiler des Standardmodells und gilt als die am besten überprüfte Quantenfeldtheorie. Allerdings zeigen jüngste hochpräzise Messungen des gyromagnetischen Faktors des Myons und der Feinstruktur von Positronium erhebliche Abweichungen von den neuesten theoretischen QED-Berechnungen und unterstreichen so den Bedarf an weiteren, ergänzenden Tests.
Derzeit basieren die meisten rigorosen Überprüfungen der QED auf sehr präzisen Untersuchungen, die im Bereich relativ geringer elektromagnetischer Feldstärken und leichter Atome und Ionen durchgeführt werden. Dort ermöglichen es störungstheoretische Methoden sehr effizient, die Effekte der QED zu beschreiben. Im Bereich der extremen Felder schwerer Ionen bewegen sich die QED-Berechnungen hingegen in einem völlig anderen, nicht-störungstheoretischen Bereich (in Bezug auf die Kernladung), was genaue theoretische Vorhersagen erheblich erschwert. Gleichzeitig sind Experimente in diesem Bereich ebenfalls äußerst anspruchsvoll, so dass QED-Tests in starken Feldern derzeit noch nicht mit der hohen Präzision erreicht werden konnten, wie sie für leichte Atome erzielt wird. Für den Bereich der schwersten Ionen sind somit neue Überprüfungen erforderlich. Dort sind die gebundenen Elektronen dem extrem starken elektromagnetischen Feld des schweren Kerns ausgesetzt, welches die Feldstärken der intensivsten heute verfügbaren Laser um mehrere Größenordnungen überschreitet.
Die GSI/FAIR-Beschleunigeranlage verfügt derzeit über die weltweit einzigartige Möglichkeit selbst schwerste Ionen in beliebigen Ladungszuständen zu erzeugen und in dem dedizierten Speicherring ESR zu speichern und zu kühlen. Das internationale Forschungsteam nutzte den ESR, um auf der Grundlage von Röntgenspektroskopiemessungen einen neuen stringenten Test an heliumähnlichem Uran (mit zwei gebundenen Elektronen), dem einfachsten und schwersten Vielelektronen-Atomsystem, durchzuführen und seine Übergangsenergie mit der Energie ähnlicher Übergänge in lithiumähnlichen (drei Elektronen) und berylliumähnlichen Uran-Ionen (vier Elektronen) zu vergleichen.
Für die Messung wurden spezielle Bragg-Kristallspektrometer entwickelt und an der Gas-Jet-Wechselwirkungskammer des ESR installiert. Im Gegensatz zu früheren Experimenten nutzten die Forschenden eine neue Kalibrierungsmethode, die auf einer Kombination aus variablen und stationären Energiereferenzen beruht. Unter anderem diese neue Methode ermöglichte einen Genauigkeitsgewinn bei der Bestimmung der absoluten Übergangsenergie von fast einer Größenordnung. Die erzielte Genauigkeit von 37 Millionsteln erlaubt zum ersten Mal für schwere heliumähnliche Ionen die Prüfung von QED-Effekten hoher Ordnung und setzt einen neuen, wegweisenden Maßstab für die QED im Starkfeldbereich. Außerdem ermöglicht diese Genauigkeit insbesondere die Unterscheidung zwischen verschiedenen theoretischen Modellen und Näherungen, die in den letzten Jahrzehnten entwickelt wurden. Darüber hinaus konnten durch den Vergleich der Übergangsenergien für die verschiedenen Uranionen erstmals die Ein-Elektronen- und Mehrelektronen-QED-Effekte in einem solchen Starkfeldbereich getrennt überprüft werden.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1038/s41586-023-06910-y
Weitere Informationen:
https://www.gsi.de/start/aktuelles/detailseite/2024/01/28/qed-esr