Kirchen digitaler als gedacht, aber KI noch kaum Thema
Bisher umfangreichste Studie zur Digitalisierung im Raum der Kirchen
mit über 5.000 Befragten veröffentlicht
Detmold/Köln. Kirchenmitglieder und -mitarbeitende in Deutschland sind viel digitaler als bisher oft angenommen, es gibt jedoch institutionell weiterhin viel Aufholbedarf. Das sind einige Ergebnisse der Studie „Digitalisierung im Raum der Kirchen“ (DiRK 2023), die der Versicherer im Raum der Kirchen (VRK) in Kooperation mit der Hochschule Macromedia im vergangenen Jahr durchgeführt hat. Über 5.000 Befragte aller Konfessionen hatten im Rahmen der bisher mit Abstand umfangreichsten Studie zu diesem Thema teilgenommen, deren Ergebnisse jetzt erstmals öffentlich vorgestellt wurden.
Bereits im allgemeinen Teil für Kirchenmitglieder wie -mitarbeitende zeigt sich die klare Dominanz des Internets auch im kirchlichen Bereich: So nutzen 48,9 Prozent der Befragten das Internet 1-3 Stunden am Tag, 22,5 Prozent bis zu fünf Stunden und 17,0 Prozent sogar sechs und mehr Stunden; die gedruckte Tageszeitung hingegen wird bereits von 53,5 Prozent gar nicht mehr gelesen. Interessant ist, dass im Gegensatz zur Gesamtbevölkerung die christliche Klientel bei Social Media-Kanälen bereits Instagram (58,4 Prozent) gegenüber Facebook (52,6 Prozent) bevorzugt. Vieles davon gilt dabei auch bis ins hohe Alter.
Kirchenmitarbeitende arbeiten beruflich digital vor allem an seitens des Arbeitgebers gestellten Notebooks (58,6 Prozent) sowie an privat eingebrachten Smartphones (62,7 Prozent). Wichtigen Weiterbildungsbedarf sieht diese Gruppe bei basalen Themen wie rechtlichen Grundlagen im Internet (39,6 Prozent), richtigem Verhalten in Chats und sozialen Netzwerken (38,7 Prozent) oder allgemeiner Handhabung digitaler Technik (38,5 Prozent). Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Job spielt zumeist noch gar keine Rolle (83,3 Prozent), jedoch erleben 5,1 Prozent bereits erste KI-Technologien im beruflichen Einsatz.
Bei Kirchenmitgliedern wird religiös vor allem die Internetseite der eigenen Kirchen- oder Pfarrgemeinde genutzt (46,6 Prozent); die Angebote desselben Trägers in sozialen Medien wie Facebook finden hingegen nur etwa halb so viel Beachtung (22,5 Prozent). Online-Gottesdienste werden auch nach der Corona-Zeit weiterhin klar (56,2 Prozent) als Angebot gewünscht. Immerhin jedes fünfte Kirchenmitglied (19,6 Prozent) folgt bereits einem christlichen Influencer oder einer christlichen Influencerin – mehr als die Hälfte davon, weil man die Person als „authentisch im Glauben“ empfindet (10,1 Prozent).
„Digitalisierung ist in den letzten Jahren auch in den Kirchen, bei der kirchlichen Klientel und bei uns als Versicherer immer wichtiger geworden. Mit dieser Studie wollten wir wissen, wie es wirklich mit der Digitalisierung im kirchlichen Kontext bestellt ist“, erläutert VRK-Vorstand Jürgen Stobbe. Und Studienleiter Prof. Dr. Holger Sievert von der Hochschule Macromedia ergänzt: „Die Studie stellt einen umfassenden Atlas der Digitalisierung in einem spezifischen Umfeld dar und kann mit vielen Vorurteilen in diesem Kontext aufräumen. Es zeigt aber auch deutlich, dass vor allem institutionell weiterhin ein großer Aufholbedarf besteht.“
Teilgenommen an der Studie haben insgesamt 5.365 Personen. Der Link dazu wurde einerseits über Landeskirchen und Bistümer verbreitet, andererseits unter Kundinnen und Kunden des VRK. Die meisten Befragten waren weiblich (53,7 Prozent), zwischen 40 und 49 Jahren alt (32,5 Prozent) und haben ein abgeschlossenes (Fach-) Hochschulstudium (52,7 Prozent). 86,2 Prozent sind Mitglieder einer christlichen Kirche in Deutschland, davon wieder 59,8 Prozent evangelisch und 33,2 Prozent römisch-katholisch. Von der Gesamtzahl der Befragten arbeiten 52,3 Prozent hauptberuflich in einer kirchlichen Einrichtung.
Studienleiter Sievert hat Publizistik und Evangelische Theologie studiert. Er leitet die Fakultät „Kultur – Medien – Psychologie“ der Hochschule Macromedia in Köln, ist Experte für digitales Kommunikationsmanagement und arbeitet sowohl für große privatwirtschaftliche Unternehmen als auch für Kirchen. Beispielsweise hat er gemeinsam mit fünf evangelischen Landeskirchen zwei Studien über Online-Gottesdienste mit je um 5.000 Befragten erstellt oder für die Landeskirchen in Baden, Bayern und Württemberg das Projekt „Die digitale Mustergemeinde“ konzeptionell und wissenschaftlich begleitet.
Der Versicherer im Raum der Kirchen, der die Studie mitinitiiert und finanziert hat, ist für Menschen in Kirche, Diakonie, Caritas und Freier Wohlfahrtspflege der führende Anbieter für Vorsorgekonzepte und Schutz im Alltag. Für mehr als 500.000 Menschen mit ca. 1,6 Mio. Verträgen verwaltet der Versicherer ein Gesamtvermögen von mehr als 4 Mrd. Euro. Die Hochschule Macromedia zählt zu den wichtigsten privaten Trägern akademischer und beruflicher Aus- und Weiterbildung in Deutschland. Sie hat aktuell über 5.000 Studierende und 140 festangestellte Professor:innen an neun Standorten.
Die Ergebnisse der Studie, die auch vielerlei konfessions- und berufsgruppenspezifische Auswertungen erlaubt, erscheinen 2024 in verschiedenen Fachveröffentlichungen sowie bei diversen Veranstaltungen. Bereits erschienen ist ein Beitrag in der Fachzeitschrift „Theologische Beiträge“. Vorab-Vorträge gab es auf der „European Christian Internet Conference“ (ECIC) sowie bei kirchlichen Barcamps; die nächste internationale Präsentation erfolgt im März bei der IPRRC in den USA. Bereits am 30. Januar beschäftigt sich der YEET-Podcast ausführlich damit; für Juni ist eine Veröffentlichung bei epd-Dokumentation geplant.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
h.sievert@macromedia.de
Weitere Informationen:
http://Link zu ausgewählten Ergebnisfolien:
https://www.vrk.de/content/dam/vrk/pdfs/links/Ausgewaehlte_Ergebnisse_DiRK_Januar_2024.pdf
http://Link zum bereits erschienen Fachbeitrag in den „Theologische Beiträgen“:
https://www.xn--theologische-beitrge-szb.de/lesen/appetith%C3%A4ppchen/
http://Link zum Yeet-Podcast (Folge zur DiRK dort am 30. Januar online):
https://yeet-podcast.podigee.io/