Aktueller Themenband zu Gen- und Zelltherapien der AG Gentechnologiebericht
Die Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht am Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) hat eine aktuelle Übersicht zu Gen- und Zelltherapien herausgegeben. Die umfangreiche Publikation, die in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Gentherapie (DG-GT) und dem German Stem Cell Network (GSCN) entstanden ist, richtet sich an ein breites Publikum. Der Bedarf an sachkundigen Informationen über Entwicklungen der Gentechnologie ist groß. Hierbei sind Transparenz und ein verantwortungsvoller Umgang mit neuen Technologien unbedingt erforderlich.
Vor diesem Hintergrund wurde 2022 die AG „Gentechnologiebericht – Monitoring und interdisziplinärer Dialog“ am BIH angesiedelt, die mit regelmäßigen Publikationen zu einer sachlichen Debatte in der Gesellschaft beitragen möchte.
Haben CAR-T-Zellen etwas mit Autos zu tun? Wie funktionieren Genfähren? Welches therapeutische Potenzial besitzen Stammzellen? Das sind nur einige Fragen, die in der hochaktuellen Übersicht „Gen- und Zelltherapie 2.023 – Forschung, klinische Anwendung und Gesellschaft“ behandelt werden. Herausgeber*innen sind Boris Fehse (Sprecher der AG), Hannah Schickl (Koordinatorin der AG), Sina Bartfeld und Martin Zenke (Mitglieder der AG). Die Beiträge haben renommierte Expert*innen verschiedener Fachdisziplinen verfasst, die das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Es geht um den medizinischen Status quo, wobei auch Sicherheitsaspekte und ethische Fragen diskutiert werden.
Die Publikation erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem immer mehr Gen- und Zelltherapien den Sprung in die Klinik schaffen. Die innovativen Technologien eröffnen Therapie- und eventuell sogar Heilungschancen für unterschiedliche Erkrankungen, die bislang nicht oder nur schlecht behandelbar waren. Aufgrund dieses großen Potenzials entwickeln momentan Expert*innen aus allen Bundesländern unter Koordination des BIH für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine nationale Strategie, wie neue Erkenntnisse aus der Forschung in die Krankenversorgung übertragen werden können.
Ein Beispiel ist die Immuntherapie mit CAR-T-Zellen, die als Durchbruch bei manchen Blutkrebserkrankungen bewertet wird: Körpereigene Immunzellen (T-Zellen) werden mit der Erbinformation für einen künstlichen Antigenrezeptor (CAR) ausgestattet, der Zielstrukturen auf der Oberfläche von Krebszellen „erkennt“. Dadurch steigen die Chancen, dass T-Zellen Krebszellen aufspüren und sie zerstören können. Im Idealfall kann die Krebserkrankung dauerhaft gestoppt werden.
Gentransfer und Genome-Editing bald Routine?
Gentechnologische Veränderungen am menschlichen Erbgut sind relativ neue, tiefgreifende Eingriffe, deren therapeutisches Potenzial ebenso wie das Potenzial von Nebenwirkungen intensiv erforscht werden. Die therapeutisch wirksamen Gene werden – mithilfe viraler Vehikel und anderer Methoden – in die Zellkerne eingeschleust und entfalten dort Wirkungen, die krankheitsbedingt im Repertoire der Zellen nicht vorhanden sind.
Auf diesem Weg können zum Beispiel Proteine (Eiweiße) verfügbar gemacht werden, die aufgrund eines Gendefekts fehlen. Auch kann man – wie bei der CAR-T-Zelltherapie – Gene mit Informationen für „artifizielle“ Rezeptoren einschleusen. Die künstlichen, auf ihrer Oberfläche sitzenden Rezeptoren dienen den Immunzellen wie Fahndungsfotos dazu, die Krebszellen zu erkennen und so deren Zerstörung zu initiieren.
Ein weiterer gentechnologischer Ansatz ist das sogenannte Genome-Editing, das anfänglich als Genomchirurgie bezeichnet wurde. Hierbei werden krankheitsrelevante Gene durch einen Eingriff direkt am Erbgut korrigiert. Mit anderen Worten: Die Erbinformation soll an fehlerhaften Positionen umgeschrieben werden mit dem Ziel, die betreffende Krankheit zu heilen oder abzumildern.
Transfer veränderter Gene, Einschleusen von Virusvehikeln, Genome-Editing und als Zukunftsvision möglicherweise Keimbahninterventionen – die Methoden der Gentechnologie führen bei vielen Menschen zu Verunsicherung. „Fundierte Aufklärung ist daher ein Muss, um in der Gesellschaft eine Basis zu schaffen, auf der ein sachlicher Diskurs über die innovativen Technologien stattfinden kann“, betont Boris Fehse.
Dazu will der aktuelle Themenband beitragen, der ausführlich über die Bandbreite gen- und zelltherapeutischer Verfahren informiert. Die Autor*innen diskutieren dabei auch Sicherheitsaspekte einschließlich der Frage, wie eine bedarfsgerechte, qualitätsgesicherte Anwendung garantiert werden kann. Zudem gibt es Beiträge zu ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten. „Mit dem Band zur Gen- und Zelltherapie 2.023“, so Fehse, „möchten wir einen hochaktuellen Überblick über unterschiedliche Aspekte dieses sehr dynamischen Feldes bieten. Durch die Veröffentlichung im Open Access schaffen wir zugleich einen uneingeschränkten Zugang für alle am Thema Interessierten.“
Boris Fehse, Hannah Schickl, Sina Bartfeld, Martin Zenke (Hrsg.)
Gen- und Zelltherapie 2.023. Forschung, klinische Anwendung und Gesellschaft
Berlin: Springer (2023)
ISBN: 978-3-662-67907-4
eBook-ISBN: 978-3-662-67908-1
DOI: 10.1007/978-3-662-67908-1
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Über das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)
Die Mission des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) ist die medizinische Translation: Erkenntnisse aus der biomedizinischen Forschung werden in neue Ansätze zur personalisierten Vorhersage, Prävention, Diagnostik und Therapie übertragen, umgekehrt führen Beobachtungen im klinischen Alltag zu neuen Forschungsideen. Ziel ist es, einen relevanten medizinischen Nutzen für Patient*innen und Bürger*innen zu erreichen. Dazu etabliert das BIH als Translationsforschungsbereich in der Charité ein umfassendes translationales Ökosystem, setzt auf ein organübergreifendes Verständnis von Gesundheit und Krankheit und fördert einen translationalen Kulturwandel in der biomedizinischen Forschung. Das BIH wurde 2013 gegründet und wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und zu zehn Prozent vom Land Berlin gefördert. Die Gründungsinstitutionen Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max Delbrück Center waren bis 2020 eigenständige Gliedkörperschaften im BIH. Seit 2021 ist das BIH als so genannte dritte Säule in die Charité integriert, das Max Delbrück Center ist Privilegierter Partner des BIH.
Weitere Informationen:
https://www.bihealth.org/de/aktuell/aktueller-themenband-zu-gen-und-zelltherapien-der-ag-gentechnologiebericht