Kann Telemedizin eine Alternative zur physiotherapeutischen Versorgung vor Ort sein?
Forscherin der HS Gesundheit: „Telemedizin ist wirkungsvoll bei muskuloskelettalen Schmerzen und eine zusätzliche Option zur Therapie vor Ort“
Rücken-, Knie- und Hüftschmerzen sowie Osteoarthrose und Fibromyalgie zählen zu den häufigsten Gründen für Arbeitsunfähigkeit und Einschränkungen im alltäglichen Leben. Über 100 Millionen Menschen in Europa leiden darunter. Häufig werden diese Schmerzen klassisch in Arzt- und Physiotherapiepraxen vor Ort behandelt. In den letzten Jahren ist jedoch die Zahl der digitalen Therapieanwendungen rasant gestiegen. Das bringt einige Vorteile wie erhöhte Flexibilität und Selbstwirksamkeit mit sich. Doch kann eine digitale Therapie tatsächlich den gewünschten Behandlungserfolg bringen?
Ein Forschungsteam von der Hochschule für Gesundheit (HS Gesundheit) in Bochum um Svenja Kaczorowski, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin, und Prof. Dr. Daniel Belavy, Professor für Physiotherapie, ging dieser Frage auf den Grund und untersuchte die Ergebnisse von 97 randomisiert kontrollierten Studien mit insgesamt 15.872 Teilnehmenden mit muskuloskelettalen Schmerzen.
Die Ergebnisse zeigten, dass Telemedizin Schmerzen lindern und die körperliche Funktionsfähigkeit verbessern kann. „Jedoch muss sich die weitere Forschung vor allem mit der Frage beschäftigen, ob Telemedizin ähnlich effektiv ist wie qualitativ hochwertige Physiotherapie“, sagt Svenja Kaczorowski. „Bisher fokussierten sich die meisten Studien auf den Vergleich von Telemedizin mit keiner oder minimaler Intervention. Dieser Vergleich kann vor allem dann hilfreich sein, wenn zum Beispiel Wartezeiten bis zum Therapiebeginn effektiv überbrückt werden sollen.“ Weiterhin sollten vor allem Videokonsultationen mehr in den Fokus der Forschung rücken, um die persönliche Komponente bei der digitalen Therapie nicht zu vernachlässigen. „Insgesamt sehen wir aber eine Tendenz, dass Telemedizin wirkungsvoll bei muskuloskelettalen Schmerzen ist und als zusätzliche Option zur Therapie vor Ort in Betracht gezogen werden kann“, fasst Svenja Kaczorowski die Ergebnisse der Studie zusammen.
„Natürlich ist die Tauglichkeit von Telemedizin im Alltag der Menschen noch nicht zu Ende untersucht“, sagt Daniel Belavy. „Wenn mich aber jemand aus dem Freundeskreis oder der Familie nach meiner Meinung fragen würde, würde ich empfehlen, die Telemedizin auszuprobieren: Sie kann effektiv helfen und man spart die Zeit für den Weg in die Praxis.“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Svenja Kaczorowski, +49 234 77727 - 776, svenja.kaczorowski@hs-gesundheit.de
Originalpublikation:
Svenja Kaczorowski, Lars Donath, Patrick J. Owen, Tobias Saueressig, Niamh L. Mundell, Moritz Topp, Claire L. Samanna, Rebekka Döding, and Daniel L. Belavy: Telemedicine for Patients with Musculoskeletal Pain Lacks High-Quality Evidence on Delivery Modes and Effectiveness: An Umbrella Review
https://www.liebertpub.com/doi/10.1089/tmj.2023.0255?url_ver=Z39.88-2003&rfr_id=ori:rid:crossref.org&rfr_dat=cr_pub%20%200pubmed