Historischer Preis für die Entdeckung der Kernspaltung
Die bahnbrechenden Arbeiten von Otto Hahn, Fritz Straßmann, Lise Meitner und Robert Frisch der 1930er Jahre zur Entdeckung der Kernspaltung werden mit dem renommierten Citation for Chemical Breakthrough Award der American Chemical Society ausgezeichnet.
Die Division of the History of Chemistry der American Chemical Society hat dem Max-Planck-Institut für Chemie den Citation for Chemical Breakthrough Award des Jahres 2023 verliehen. Das Mainzer Institut ist die Nachfolgeeinrichtung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie in Berlin, wo die historische Entdeckung stattfand. Direktor Ulrich Pöschl freut sich über die Auszeichnung: „Die Auszeichnung ist für uns eine herausragende Würdigung der Forschungsbeiträge und Leistungen von Otto Hahn, Fritz Straßmann, Lise Meitner, Robert Frisch, die wir am MPI für Chemiemit der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften und dem Niels-Bohr-Institut teilen“.
Der Citation for Chemical Breakthrough Award würdigt international wegweisende Veröffentlichungen, Bücher und Patente, die durch ihre revolutionäre Konzeption, große Reichweite und langfristige Bedeutung herausragen. Die Ehrung hat der Wissenschaftshistoriker und Chemiker Jeffrey I. Seeman 2006 ins Leben gerufen, der damals den Vorsitz der Division of the History of Chemistry (HIST) der American Chemical Society innehatte. Seeman will mit dem Preis "große wissenschaftliche Leistungen ehren und Forschende durch den gemeinsamen Stolz auf das Erreichte motivieren".
Die Auszeichnung unterstreicht die Bedeutung der Entdeckung von Otto Hahn und Fritz Straßmann im Dezember 1938. Die beiden Chemiker stellten beim Beschuss von Uran mit Neutronen fest, dass dabei Spaltprodukte wie radioaktives Barium entstehen – eine Erkenntnis, welche die etablierten Grundsätze der Kernphysik in Frage stellte. Auf der Suche nach einer Erklärung wandte sich Hahn an seine Kollegin, die Kernphysikerin Lise Meitner, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft im Sommer 1938 aus Deutschland geflohen war. In Zusammenarbeit mit ihrem Neffen, dem Physiker Otto Robert Frisch, lieferte Meitner die entscheidende Erklärung für das revolutionäre Phänomen der Kernspaltung. Kurz darauf, Anfang Januar 1939, stellten Hahn und Straßmann ihre Erkenntnisse in dem Artikel "Über den Nachweis und das Verhalten der bei der Bestrahlung des Urans mittels Neutronen entstehenden Erdalkalimetalle" vor, der in der Zeitschrift "Naturwissenschaft" veröffentlicht wurde.
Da Meitner und Frisch die physikalische Erklärung "Disintegration of Uranium by Neutrons: a New Type of Nuclear Reaction" im Februar 1939 im Forschungsmagazin Nature veröffentlichten, wurde der „Citation for Chemical Breakthrough Award 2023“ auch der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm, Schweden und dem Niels Bohr Institut der Universität Kopenhagen in Dänemark verliehen, wo Meitner und Frisch an ihrem wissenschaftlichen Artikel gearbeitet hatten.
Im Anschluss an die bahnbrechende Entdeckung erhielt Otto Hahn, der einige Jahre später Gründungspräsident der Max-Planck-Gesellschaft wurde, 1944 den Nobelpreis für Chemie. Die Entdeckung der Kernspaltung läutete eine neue Ära ein – das Atomzeitalter.
Kürzlich wurde die Anreicherung von Kernspaltungsprodukten in Sedimenten um das Jahr 1950 als Beginn des Anthropozäns vorgeschlagen, also des Zeitalters, in dem der massive Einfluss des Menschen überall auf dem Planeten Erde nachweisbar ist. Entdeckt hatte das neue geologische Zeitalter Paul Crutzen, Nobelpreisträger und langjähriger Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie.
Die von der Division of History of Chemistry der American Chemical Society verliehene Plakette wird im Rahmen einer Preisverleihung am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, das den Beinamen Otto-Hahn-Institut trägt, im Frühsommer 2024 ausgestellt, um die historische Leistung zu würdigen.
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