Historiker David Nirenberg erhält Leopold Lucas-Preis
Forschung zu Gewalt und friedvollem Miteinander der Religionen ‒ Nachwuchspreis für Theologen Jan Niklas Collet
Der diesjährige Dr. Leopold Lucas-Preis der Evangelisch-Theologischen Fakultät wird an den Historiker David Nirenberg verliehen. Die Fakultät der Universität Tübingen würdigt damit seine Forschungen zum Verhältnis von Judentum, Christentum und Islam im Mittelalter und der Gegenwart. Der Dr. Leopold Lucas-Preis für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler geht in diesem Jahr an den katholischen Theologen Dr. Jan Niklas Collet.
Die feierliche Verleihung findet statt am Dienstag, 14. Mai 2024, um 17:15 Uhr im Festsaal der Universität Tübingen (Neue Aula, Geschwister-Scholl-Platz, 72074 Tübingen). Medien sowie die interessierte Öffentlichkeit sind herzlich eingeladen. Der Preisträger David Nirenberg hält die Festrede zum Thema: „What theology and history can offer each other when thinking about Judaism, Christianity, and Islam.“
David Nirenberg steht zudem für eine Pressekonferenz zur Verfügung, am Dienstag, 14. Mai um 11 Uhr im Dekanat der Evangelisch-Theologischen Fakultät (Liebermeisterstr. 12, 72076 Tübingen, 2. OG). Wir bitten Medien um Anmeldung zur Pressekonferenz wie zur Veranstaltung unter ev.theologie@uni-tuebingen.de.
David Nirenberg (geb. 1964) ist Direktor und Leon Levy Professor am Institute for Advanced Study in Princeton, Träger zahlreicher Wissenschaftspreise und Mitglied der American Academy of Arts and Sciences und der Medieval Academy of America.
Nirenberg befasst sich in seinen Arbeiten mit dem Miteinander und Gegeneinander der drei Religionen sowohl in kleinräumigen Studien, speziell zum spätmittelalterlichen Spanien und Frankreich, als auch in großen epochenübergreifenden Überblicksdarstellungen. In seinen Publikationen zeigt er, dass sowohl gesellschaftlich vorgegebene Kategorien als auch individuelle Erfahrung dazu beitragen, wie Angehörige der drei Religionsgruppen einander wahrnehmen.
Besonderes Augenmerk legt er darauf, wie sich das eigene Erleben und übergreifend verbreitete Vorstellungen auch wechselseitig beeinflussen und verändern. Gewalt zwischen religiösen Gruppen oder Individuen kontextualisiert er behutsam historisch, erklärt ihre Ursachen und Intentionen, ohne die Gewalt zu entschuldigen oder sie einfach als Ausbruch der Irrationalität dem Verstehen zu entziehen. Er arbeitet den Antijudaismus im westlichen Denken seit der Antike heraus und ordnet dessen verschiedene Ausprägungen präzise in ihre jeweiligen historischen Kontexte ein. Indem er auch Phänomene der Ablehnung und Gewalt rational erklärt und in gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Zusammenhänge einordnet, zeigt er zugleich Möglichkeiten und Wege einer friedvollen Koexistenz der Religionen auf.
Damit erfüllt der Historiker laut der Jury in herausragender Weise in seinem wissenschaftlichen Werk die Ziele des Dr. Leopold Lucas-Preises. Mit dem Preis werden Menschen ausgezeichnet, deren wissenschaftliches Werk die Beziehungen zwischen Menschen und Völkern fördert und sich um die Verbreitung des Toleranzgedankens verdient macht.
Der Preis wurde 1972 von Generalkonsul Franz D. Lucas, Ehrensenator der Universität Tübingen, gestiftet ‒ aus Anlass des 100. Geburtstages seines Vaters, des jüdischen Gelehrten Dr. Leopold Lucas. Dieser wirkte als Rabbiner in Glogau und zuletzt an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin und kam 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt ums Leben. Der zu seinem Gedächtnis gestiftete Preis wird jährlich von der Evangelisch-Theologischen Fakultät im Namen der Universität Tübingen verliehen. Er ist mit 50.000 Euro dotiert.
Leopold Lucas-Preis für junge Forschende
Dr. Jan Niklas Collet erhält den Dr. Leopold Lucas-Preis für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für seine Dissertation in der Katholischen Theologie „Die Theologie der Befreiung weiterschreiben. Ignacio Ellacuría im Gespräch mit dem dekolonialen und postkolonialen Feminismus“.
Der 1989 ermordete Ellacuría ist ein Vertreter der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung, die das enge Verhältnis von Glaube und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt und einen herrschaftskritischen Ansatz verfolgt. Collet bringt Ellacuría ins Gespräch mit zeitgenössischen feministischen und postkolonialen Diskursen und unterzieht sein Werk einer kritischen Würdigung. Mit daran anschließenden weiterführenden Überlegungen zu einer aktualisierenden Rezeption der Befreiungstheologie in Europa leistet er in seiner Dissertation innovative theologische Grundlagenarbeit. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Birgit Weyel
Universität Tübingen
Evangelisch-Theologische Fakultät
Telefon +49 7071 29-72538
ev.theologie@uni-tuebingen.de