Neuer Ansatz zur Echtzeit-Überwachung nach Pankreas-Operationen
Komplikationen nach Operationen an der Bauchspeicheldrüse sind häufig und können lebensbedrohlich sein. Eine der schwersten und zugleich häufigsten Komplikationen ist die postoperative Pankreasfistel. Diagnostiziert wird sie anhand erhöhter Konzentrationen des Bauchspeicheldrüsenenzyms Alpha-Amylase in den Drainagesekreten. Derzeit wird die Analyse dieser Enzyme standardmäßig nur am ersten und dritten postoperativen Tag durchgeführt. Wissenschaftler*innen des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und des UKD berichten nun im Fachblatt Biosensors and Bioelectronics über die Entwicklung eines portablen Gerätes, das die Enzymbestimmung kontinuierlich und in Echtzeit durchführen kann.
Bis zu 30 Prozent der Patient*innen leiden nach einer Teilentfernung der Bauchspeicheldrüse an der Komplikation einer sogenannten postoperativen Pankreasfistel. Dabei gelangen Bauchspeicheldrüsenenzyme in die Bauchhöhle, was den stationären Aufenthalt erheblich verlängern und zu einer Verzögerung oder vollständigen Aussetzung der bei Bauchspeicheldrüsenkrebs erforderlichen Chemotherapie führen kann. Diagnostiziert wird die Fistel durch die Untersuchung des Verdauungsenzyms Alpha-Amylase in den Drainagesekreten hinsichtlich seiner biochemischen Reaktion mit dem Speicher-Kohlenhydrat Stärke. Das Enzym Alpha-Amylase spaltet das Kohlenhydrat Stärke in seine Bestandteile. Zeigen die Untersuchungen hohe Alpha-Amylase-Werte, so spricht das für das Vorliegen einer postoperativen Pankreasfistel. Bisher wird dieser Nachweis nur am ersten und dritten Tag nach der Operation durchgeführt. Bis die Ergebnisse dieser Untersuchungen verfügbar sind, kann es bis zu sechs Stunden dauern. Außerdem erreicht man damit nur Aussagen zum Zustand des Patienten zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Da eine kontinuierliche Überwachung der Alpha-Amylase bislang nicht möglich ist, kann sich die Anpassung der medizinischen Behandlung bei Komplikationen verzögern und damit die Prognose für die Patient*innen verschlechtern. Deshalb hat das Team um Dr. Larysa Baraban am HZDR-Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung gemeinsam mit Kolleg*innen der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden (UKD) ein tragbares, auf Tröpfchen basierendes Millifluidik-Gerät entwickelt, mit dem die Alpha-Amylase-Aktivität der Drainageflüssigkeit zur postoperativen Überwachung von Patienten in Echtzeit gemessen werden kann. Millifluidik bedeutet, dass Flüssigkeiten durch Schläuche von rund einem Millimeter Durchmesser geleitet werden. Dazu wird eine winzige Menge der Drainageflüssigkeit von Patientenproben kontinuierlich gesammelt und mit einem Stärkereagenz in Tröpfchen von Nanolitergröße verkapselt. Die Verwendung dieses mikrofluidischen Tröpfchenformats verkürzt die Zeit zwischen Probenahme und Auslesung auf ein bis zwei Minuten.
Um die Stärke der Reaktion bestimmen zu können, arbeiten Baraban und ihr Team mit einem Fluoreszenzfarbstoff. Die Fluoreszenz steigt mit wachsender Konzentration der Alpha-Amylase. Einfach ausgedrückt: Je intensiver der Farbstoff, desto höher ist die Konzentration der Alpha-Amylase im Drainagesekret, was für das Vorliegen einer postoperativen Pankreasfistel spricht. In der klinischen Praxis könnten sich an ein solches Ergebnis frühzeitig weitere Untersuchungen anschließen, um schwerwiegende Komplikationsfolgen für Patient*innen zu vermeiden.
Zur Validierung ihrer neu entwickelten Technologie haben die Forschenden bei 32 Patient*innen nach einer Operation an der Bauchspeicheldrüse die mit dem herkömmlichen Verfahren ermittelten Alpha-Amylase-Werte mit denen des neuen Gerätes verglichen. Bei 31 der 32 Patient*innen stimmten die Werte überein. Damit gilt die Zuverlässigkeit des neuen Millifluidik-Gerätes als gesichert.
Die Vorteile des neuen Gerätes liegen auf der Hand: „Unsere Methode verkürzt die Dauer der Alpha-Amylase-Bestimmung von sechs Stunden auf etwa zwei Minuten und ermöglicht eine Überwachung der Amylase-Aktivität am Krankenbett in Echtzeit. Darüber hinaus findet unser tropfenbasiertes Millifluidik-Gerät bequem am Bett der Patientinnen und Patienten Platz“, resümiert Baraban. „Damit können Komplikationen schneller erkannt und entsprechende Therapien eingeleitet werden.“
Da die neue Entwicklung für die Analyse verschiedener Körperflüssigkeiten und Krankheiten sowie für ein breiteres Spektrum von Biomarkern erweitert werden kann, gehen die Forschenden davon aus, dass die neue Methodik in Zukunft in der postoperativen Patientenüberwachung zum Standard werden könnte. HZDR, UKD und Medizinische Fakultät der TU Dresden unterstützen dieses gemeinsame Projekt mit einem internen Fonds.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Larysa Baraban I Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung
Tel.: +49 351 260 3091 I E-Mail: l.baraban@hzdr.de
Prof. Marius Distler I Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Thorax- u. Gefäßchirurgie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Tel.: +49 351 458 18264 I E-Mail: marius.distler@uniklinikum-dresden.de
Originalpublikation:
X. Zhao, F. R. Kolbinger, M. Distler, J. Weitz, D. Makarov, M. Bachmann, L. Baraban: Portable droplet-based real-time monitoring of pancreatic α-amylase in postoperative patients, Biosensors and Bioelectronics, 2024 (DOI: 10.1016/j.bios.2024.116034)
Weitere Informationen:
https://www.hzdr.de/presse/millifluidik