Internationales Projekt EVERSE startet: Standardisierung von Forschungssoftware soll sie fit für die Zukunft machen
Forschungsgemeinschaften weltweit entwickeln eine Vielzahl von Softwareanwendungen, die als unerlässliche Werkzeuge für den wissenschaftlichen Fortschritt dienen. Ein gemeinsames Anliegen besteht darin, die Zuverlässigkeit dieser Anwendungen sicherzustellen und gleichzeitig Fragen zur effektiven Wiederverwendbarkeit sowie ihrer langfristigen Nachhaltigkeit zu klären. Dieser Aufgabe widmet sich das internationale Projekt EVERSE (European Virtual Institute for Research Software Excellence), mit dem die Beteiligten ein Netzwerk für die Sicherung der Qualität von Forschungssoftware schaffen wollen und bei dem das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) federführend mitwirkt.
Software durchdringt unsere moderne Gesellschaft, sie steckt nahezu überall: in Mobiltelefonen oder Verkehrsmitteln, in der Steuerung von Haushaltsgeräten bis hin zu hochkomplexen industriellen Anwendungen. Und sie spielt auch in der Forschung eine immer wichtigere Rolle. Dr. Guido Juckeland, Leiter Computational Science am HZDR, kennt die dabei auftretenden Schwierigkeiten: „Forschende vieler Bereiche entwickeln Programme, die zum Teil äußerst spezifische Aufgaben übernehmen, für die es oftmals keine kommerziellen Lösungen gibt. Die Programmierer*innen in den Instituten haben jedoch meist keine formale Software-Ausbildung: Ihr Enthusiasmus führt die Beteiligten zwar zu funktionierenden Anwendungen, die jedoch häufig ohne Standardisierung der Softwareentwicklungstechniken und den damit verbundenen Vorteilen entwickelt werden.“
Das notwendige Vertrauen in die Langlebigkeit von Software erfordert eine transparente Darstellung guter Techniken und klare organisatorische Prozesse, die im Ergebnis auch anderen Nutzer*innen eine problemlose Verwendung ermöglichen. Dieser Aufgabe will sich das internationale Projekt EVERSE widmen, an dem 18 Einrichtungen beteiligt sind und das über seine Laufzeit von drei Jahren am HZDR mit 550.000 Euro gefördert wird.
Den Stellenwert von Forschungssoftware verbessern
Forschungssoftware ist eine Sammelbezeichnung für Computer-Codes, die direkt am Forschungsprozess beteiligt sind und zum Erkenntnisgewinn beitragen. Das können Steuerprogramme der Großforschungsanlagen über Computer-Simulationen bis hin zu auf spezielle Fragestellungen von Forschungsproblemen zugeschnittene Software sein. Bekannte Vertreter am HZDR sind beispielsweise PIConGPU, OpenFOAM, Tridyn und MALA.
Um sicherzustellen, dass Forschungssoftware von der für den Einsatz erforderlichen Qualität und stets aktuell ist, bedarf es eines Ansatzes, der sich an Entwickler*innen auf verschiedenen Erfahrungsebenen richtet. Dies schließt zum einen Forschende ein, die programmieren, zum anderen auch spezialisierte Ingenieur*innen für Forschungssoftware (Research Software Engineers, RSEs). Dieser Ansatz soll auch die vielfältigen Herausforderungen in den Entwicklungsprozessen berücksichtigen. Um die damit verbundene Komplexität zu bewältigen, wurde bereits ein dreistufiges Modell für Forschungssoftware entwickelt, das Analysecode, Prototyp-Tools und erstklassige Forschungssoftware dienen. „Es ist entscheidend, dass wir die Wertschätzung von Entwicklern und Software als integralen Bestandteil einer Strategie zur Förderung nachhaltiger Softwarepraktiken verstehen. Deshalb steht bei EVERSE nicht nur die eigentliche Entwicklung von Forschungssoftware im Vordergrund, sondern auch das Community Engagement“, beschreibt Juckeland das Anliegen von EVERSE. Hier wird sich das Team des HZDR vordergründig betätigen.
Brücken zwischen den Disziplinen schlagen
Forschung, die sich mit den großen gesellschaftlichen Herausforderungen befasst, erfordert eine disziplinübergreifende Zusammenarbeit. Dabei gilt es, die naturgemäße Heterogenität zwischen den einzelnen beteiligten Bereichen zu überbrücken. Zu diesem Zweck wurden in Europa sogenannte Wissenschaftscluster initiiert. Allein ein Blick auf die beteiligten, ganz unterschiedlichen Disziplinen lässt die Größe dieser Aufgabe erahnen: ESCAPE (Astro- und Teilchenphysik), ENVRI (Umweltwissenschaften), EOSC-Life (Lebenswissenschaften), PaNOSC (Photon- und Neutronenwissenschaften) und SSHOC (Sozial- und Gesellschaftswissenschaften) sind hier gebündelt. Mit einer gemeinsamen Strategie sollen die verfügbaren wissenschaftlichen Instrumente und Forschungsinfrastrukturen des Kontinents für die disziplinübergreifende Forschung verbessert werden. Das betrifft auch die Qualität der dazugehörigen Forschungssoftware. An dieser Stelle kommt wieder EVERSE ins Spiel. Das Projekt wird hier die Herausforderung angehen, einheitliche Strukturen zu schaffen.
Beitrag des HZDR: Erfahrungen aus dem Zentrum weitergeben
Unter anderem mit der Plattform HIFIS (Helmholtz Federated IT Services) verfolgt die Helmholtz-Gemeinschaft das Ziel, die Datenschätze und die vielfältige, dezentrale Expertise der 18 Helmholtz-Zentren zusammenzuführen. Die Informatiker*innen des HZDR unterstützen maßgeblich bei der Entwicklung von Forschungssoftware und bieten dafür eine Vielzahl von Services an. Juckeland sieht in der Arbeit seines Teams ein Gleichnis zur analogen Welt: „Wenn ich beispielsweise eine Fabrik qualitativ verbessern möchte, benötige ich gute Werkzeuge und das Verständnis des Personals im Umgang damit. Das ist in der Forschungssoftware ganz ähnlich. Wir bieten zum Beispiel Schulungen, Toolkits und Handbücher an und machen den Nachwuchs mit Techniken wie dem automatisierten Testen vertraut. Wir informieren darüber hinaus auch über verschiedene Kategorien von Software und die ihnen innewohnenden rechtlichen Besonderheiten und geben Empfehlungen für den konkreten Anwendungsfall.“
Ein Anzeichen für den Erfolg der Anstrengungen: Die vom HZDR betriebene Softwareentwicklungsplattform auf Basis der GitLab Community Edition hat sich mittlerweile zum populärsten Dienst in der Helmholtz-Cloud mit über 16.000 Nutzer*innen gemausert. Das lässt den Stellenwert von Software-Entwicklung bei Helmholtz erahnen. Denn dieses Versionsverwaltungssystem erleichtert den Entwickler*innen ihre Arbeit: So können mehrere Programmierer*innen zeitgleich arbeiten, indem sie sich zum Beispiel verschiedene Teile eines Programms vornehmen.
Neben dem Schwerpunkt des Community Engagements wird das HZDR auch die League of European Accelerator-based Photon Sources (LEAPS) als Teil eines der beteiligten Wissenschaftsclusters vertreten.
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Finanziert von der Europäischen Union. Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können für sie verantwortlich gemacht werden.
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Weitere Informationen:
Dr. Guido Juckeland
Leiter Computational Science am HZDR
Tel.: +49 351 260 3660 | E-Mail: g.juckeland@hzdr.de
Medienkontakt:
Simon Schmitt | Leitung und Pressesprecher
Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
Tel.: +49 351 260 3400 | Mobil: +49 175 874 2865 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat sechs Standorte (Dresden, Freiberg, Görlitz, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt fast 1.500 Mitarbeiter*innen – davon etwa 670 Wissenschaftler*innen inklusive 220 Doktorand*innen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Guido Juckeland
Leiter Computational Science am HZDR
Tel.: +49 351 260 3660 | E-Mail: g.juckeland@hzdr.de
Weitere Informationen:
https://www.hzdr.de/presse/everse