SVR zu Arbeitspflicht für Asylsuchende nach § 5 AsylbLG
Asylsuchende, die Leistungen erhalten, können nach § 5 AsylbLG zur Wahrnehmung von Arbeitsgelegenheiten verpflichtet und im Falle einer Arbeitsverweigerung mit einer Leis-tungskürzung sanktioniert werden. Der SVR sieht diese Regelung aus mehreren Gründen kritisch.
Aus Anlass der laufenden politischen Debatte über diese Regelung macht der SVR rechtliche wie integrationspolitische Bedenken geltend. Nach Einschätzung von Prof. Dr. Winfried Kluth, Mitglied im Sachverständigenrat für Integration und Migration, ist die Regelung nach früherer Rechtsauslegung durch das Bundesverfassungsgericht möglicherweise nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. „Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 GG schreiben vor, dass niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden darf. Es gibt nur zwei Ausnahmen: eine herkömmliche allgemeine, für alle gleiche öffentliche Dienstleistungspflicht sowie Zwangsarbeit bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung. Weder der eine noch der andere Fall liegen hier vor. In Anlehnung an frühere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts könnte die Arbeitspflicht für Asylsuchende mit Sanktionsmöglichkeit als Eingriff in die persönliche Freiheit Einzelner verstanden werden. Eine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz ist dann fraglich. Zudem könnten die in § 5 AsylbLG vorgesehenen Sanktionen Unionsrecht widersprechen. Doch nicht nur aus juristischer Sicht ist unklar, inwieweit eine Arbeitspflicht für Asylsuchende und die aufnehmenden Gemeinden nützlich ist. Bei der Zuweisung von Arbeit und der gleichzeitigen Androhung von Sanktionen wird ein falsches Verständnis von Gemeinnützigkeit produziert. Dieses könnte sich nach Stimmen aus der Engagementforschung für das erwünschte ehrenamtliche Engagement als hinderlich erweisen.“
Zur Frage, inwiefern eine Arbeitspflicht einen Beitrag zur Integration von Asylsuchenden leisten kann, äußert sich der Vorsitzende des SVR, Prof. Dr. Hans Vorländer: „Es ist richtig, dass Beschäftigung einen wichtigen Beitrag zur Integration leistet. Doch ob dies im Zuge einer Arbeitspflicht für Asylsuchende geschehen kann, ist sehr zweifelhaft. Schließlich werden die Arbeitsgelegenheiten wohl kaum den etwaigen Qualifikationen und auch Interessen der Betroffenen entsprechen; sie tragen damit voraussichtlich nicht entscheidend zu einer nachhaltigen Arbeitsmarktintegration bei. Das schließt nicht aus, dass Personen, die ein Interesse an den rechtlich bereits möglichen Arbeitsgelegenheiten zeigen, hierdurch einen ersten Schritt zu einer Integration im allgemeinen Sinne tun. Grundsätzlich ist aber wichtig, dass der Zugang zu regulärer Beschäftigung eröffnet wird; den haben Personen im Asylverfahren nicht in allen Fällen. Im Rahmen der letzten Gesetzesänderungen wurden aber etliche Änderungen eingeführt, um weiteren Gruppen einen Arbeitsmarktzugang zu eröffnen – diese müssen nun zügig umgesetzt werden.“
Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium der wissenschaftlichen Politikberatung. Mit seinen Gutachten soll das Gremium zur Urteilsbildung bei allen integrations- und migrationspolitisch verantwortlichen Instanzen sowie der Öffentlichkeit beitragen. Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Hans Vorländer (Vorsitzender), Prof. Dr. Birgit Leyendecker (Stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Havva Engin, Prof. Dr. Birgit Glorius, Prof. Dr. Marc Helbling, Prof. Dr. Winfried Kluth, Prof. Dr. Matthias Koenig, Prof. Sandra Lavenex, Ph.D., Prof. Panu Poutvaara, Ph.D.
Weitere Informationen unter: https://www.svr-migration.de