Cochrane Review „Massage zur Behandlung von Nackenschmerzen“
Wenn der Nacken verspannt ist und schmerzt, hoffen viele Menschen auf Linderung durch eine Massage. Ein Cochrane Review zeigt dafür allerdings keinen klaren Nutzen.
Nackenschmerzen sind weit verbreitet und können zu Kopfschmerzen, in den oberen Rücken und Arme ausstrahlenden Schmerzen bis hin zu Schwäche- oder Taubheitsgefühlen in den Armen führen. Für die Behandlung sind Massagen beliebt. „Massieren“ leitet sich vom griechischen Wort für „kneten“ ab. Dabei übt der Masseur oder die Masseurin durch verschiedene Techniken Druck auf die Weichteile aus. Das soll Muskelverspannungen und Schmerzen lindern und die Entspannung fördern. Aber hilft das bei Nackenschmerzen wirklich? Dieser Frage geht der eben aktualisierte Cochrane Review „Massage zur Behandlung von Nackenschmerzen“ nach.
Seit der letzten Version des Reviews kamen 28 neue Studien hinzu, so dass jetzt 33 Studien berücksichtigt wurden. Die Teilnehmenden litten an subakuten und anhaltenden Nackenschmerzen, deren Intensität von mäßig bis sehr stark variierte. In den Studien wurden sehr unterschiedliche Massagetechniken angewendet – am häufigsten die „ischämische Kompression“, bei der ein anhaltender Druck auf das zu behandelnde Weichteilgewebe ausgeübt wird.
Die Ergebnisse zur Wirksamkeit variieren abhängig vom Vergleich: Wenn man sie mit einer Scheinmassage vergleicht, führt eine Massage kurzfristig möglicherweise nur zu einer geringfügigen oder keiner Verbesserung der Schmerzen (Evidenzbasis: 8 Studien mit 403 Teilnehmenden, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Allerdings bewerteten die meisten Studien für diesen Vergleich die Wirkung nach einer einzigen Massagebehandlung; in der Praxis sind aber häufigere Anwendungen üblich.
Im Vergleich zu Patient*innen, die keine spezielle Behandlung erhielten, reduzierten Massagen die Schmerzen dagegen in deutlichem Umfang (moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz, 6 Studien mit 299 Teilnehmenden). Dieses Ergebnis überschätzt aber wahrscheinlich den wahren Behandlungseffekt, da sich dieser nicht von einem „Placebo“-Effekt unterscheiden lässt. Eben dieser sollte in den anderen Studien durch eine Scheinmassage für die Patient*innen der Kontrollgruppe ausgeschlossen werden.
Das Beispiel zeigt, dass es für viele Behandlungen eine methodische Herausforderung ist, eine geeignete Scheinbehandlung als Vergleich zu finden und so die für aussagekräftige Studien verlangte Verblindung der Teilnehmenden zu gewährleisten. Während dies für Medikamente zum Einnehmen in Form einer äußerlich und geschmacklich nicht unterscheidbaren, wirkstofffreien Placebo-Tablette meist gut funktioniert, bleibt bei vielen anderen Behandlungsformen offen, ob die Betroffenen die Scheinbehandlung nicht doch von der „richtigen“ Behandlung unterscheiden können – in diesem Fall also eine Scheinmassage von einer richtigen Massage.
Andererseits könnte gerade eine „glaubwürdige“ Scheinmassage bereits echte Behandlungseffekte hervorrufen. Wenn sich dann im Vergleich beider Varianten kein Unterschied zeigt, belegt dies nicht unbedingt eine Unwirksamkeit der Massage, sondern könnte auch auf eine Ebenbürtigkeit der Effekte von „echter“ und Scheinmassage hindeuten.
Dieses Dilemma gilt für zahlreiche Behandlungen, in denen eine Verblindung schwierig ist. Es kann teilweise dadurch kompensiert werden, wenn man den Patient*innen in beiden Behandlungsgruppen das Gefühl gibt, die bestmögliche Behandlung zu erhalten.
Im Cochrane Review zur Nackenmassage deutet eine Untergruppenanalyse darauf hin, dass die Dosis, also z. B. die Zahl von Massagen pro Woche, die Gesamtzahl der Behandlungswochen oder die Dauer der einzelnen Sitzungen einen erheblichen Einfluss auf die Wirkung hat. Mit einer einmaligen, vielleicht noch flüchtigen Nackenmassage ist also möglicherweise nicht viel gewonnen. Dies könnte auch ein Problem der an sich methodisch besseren Studien mit einer Scheinmassage als Kontrollbehandlung sein, die mehrheitlich nur eine einmalige Behandlung vorsahen.
Unklar bleibt zudem, welche der unterschiedlichen Massage-Techniken am vorteilhaftesten ist. Hier wären größere, gut konzipierte Studien mit höheren Dosierungen erforderlich, die das oben genannte Placebo-Dilemma durch geeignete Studiendesigns so gut wie möglich lösen müssten.
Originalpublikation:
Gross AR, Lee H, Ezzo J, Chacko N, Gelley G, Forget M, Morien A, Graham N, Santaguida PL, Rice M, Dixon C. Massage for neck pain. Cochrane Database of Systematic Reviews 2024, Issue 2. Art. No.: CD004871. DOI: 10.1002/14651858.CD004871.pub5