Fraunhofer IPA auf der PaintEXPO 2024: Von Krebsen, Fledermäusen und Drohnen
Lacke aus Abfällen, Qualitätsprüfung nach dem Fledermaus-Prinzip, Auftrag von Beschichtungen mittels Drohnen: Auf der PaintEXPO vom 9. bis 12. April in Karlsruhe präsentieren Forscherinnen und Forscher nachhaltige und ressourcensparende Entwicklungen.
Vorträge des Fraunhofer IPA
PaintEXPO 2024, Halle 1, Stand 1322
9. bis 12. April
täglich 10 Uhr: zum Themenbereich Nachhaltigkeit
täglich 13 Uhr: zum Themenbereich Digitalisierung
täglich 15 Uhr: zum Themenbereich Automatisierung
»Unser Ziel sind nachhaltige Lösungen für die Lackierung und Beschichtung von Oberflächen. Dafür entwickeln wir ressourcensparende, automatisierte und digital optimierte Lösungen«, erklärt Dr. Volker Wegmann vom Fraunhofer IPA.
Biobasierte Materialien einsetzen
Forscherinnen und Forschern am Institut ist es beispielsweise gelungen, Farbpigmente auf der Basis von Lebensmittelabfällen herzustellen. Den Rohstoff für diese Produkte liefern Krabben: Aus deren Chitin-Panzern, die beim Pulen in großen Mengen anfallen, lässt sich Chitosan gewinnen. Die Oberflächen des Chitosan-Pulvers bilden stabile Verbindungen mit verschiedenen Farbstoffen, die dann Lacken zugegeben werden können. »Die Lackiertechnik ist eine energie- und ressourcenintensive Branche. Daher ist es wichtig, ressourceneffizienter zu werden. Biobasierte Rohstoffe wie die neuen Farbpigmente können dabei helfen«, betont Wegmann. Das zweite entscheidende Thema sei es, Verluste beim Lackieren und Beschichten zu minimieren.
Verluste reduzieren
Einen wichtigen Beitrag kann hier Automatisierungstechnik leisten: »Bisher wird diese in der Lackiertechnik noch nicht voll ausgeschöpft, weil der Programmieraufwand für Einzelstücke und kleine Serien zu hoch ist«, weiß IPA-Kollege Dr. Oliver Tiedje. Untersuchungen am IPA haben jedoch gezeigt, dass sich die Programmierung von Lackierrobotern mithilfe von Simulationen beschleunigen und vereinfachen lässt: Wird der komplette Lackierprozesses im Vorhinein modelliert und optimiert, so kann auf zeit- und ressourcenaufwendige Probelackierungen verzichtet werden.
Verluste lassen sich auch durch neue Lackiertechniken reduzieren: Bisher werden Lacke meist aufgesprüht, dabei entsteht zwangsläufig Sprühnebel. Durch diesen Overspray geht ein Teil der Ressourcen verloren. Eine Alternative ist die am IPA erarbeitete Drop-on-Demand-Technik, bei der Lack gezielt tröpfchenweise auf die Oberflächen aufgebracht wird. Dieses Auftropfen spart Material und macht Prozessschritte wie das schützende Abdecken von Flächen, die nicht lackiert werden sollen, sowie zeitaufwendige Reinigungsarbeiten überflüssig.
Hinter der neuen Technik verbirgt sich jahrelange Entwicklungsarbeit: In zahlreichen experimentellen und simulationstechnischen Versuchen wurden im Projekt »Digital-Painting« unterschiedliche Tropfenapplikationsparameter und Modelllacke erprobt. Dank eines Simulationsmodells gelang es, die Einzeleinflüsse von Lack, Lösemittel, Pigment und Additiv herauszuarbeiten.
In einem anderen Forschungsprojekt konnten die Ingenieurinnen und Ingenieuren eine automatisierte Beschichtungstechnik mittels Drohnen entwickeln, die Rotoren von Windkraftanlagen vor Vereisung schützen. Bisher waren Hubschrauber nötig, um die riesigen Rotorblätter mit Enteisungsmittel zu besprühen – dies ist nötig, um im Winter die Bildung von Eisschichten zu verhindern, die oft zu Unwuchten und Verschleiß führt. Drohnen bilden eine kostengünstige Alternative. Doch um sie nutzen zu können, musste eine Spritzvorrichtung entwickelt werden, die selbst bei starkem Wind noch sehr genau arbeitet, gleichzeitig aber wenig wiegt. Benötigt wurden ferner Drohnen, die die nötige Tragkraft haben und die sich sehr präzise steuern lassen. Die technischen Parameter – beispielsweise den benötigten Druck, die effiziente Zerstäubung und die optimale Tröpfchengröße – ermittelte Tiedjes Team mithilfe fluid-dynamischer Simulationen.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung ausschöpfen
»Weitere Möglichkeiten der Optimierung ergeben sich aus der Nutzung digitaler Daten«, ergänzt Tiedje. »In den Lackierbetrieben werden zwar viele Daten erfasst, aber nicht umfassend genutzt. Der Einsatz innovativer Sensoren, Simulationen und KI erlaubt jetzt neue effiziente Lösungen.«
Ein Beispiel für die effiziente Nutzung von Daten ist ein Rheometer, das den Verlauf von Lackschichten beim Aushärten digital erfasst. Das Gerät arbeitet nach einem ähnlichen Prinzip wie die Fledermaus: Diese sendet kurze Ultraschall-Rufe wechselnder Frequenz aus, die von der Umgebung, abhängig von der Oberflächenbeschaffenheit, reflektiert werden. Auch das neuartige Rheometer nutzt unterschiedliche Frequenzen, um die Materialeigenschaften auszuloten: Eine mit Löchern versehene Platte bewegt sich auf einer Lackschicht hin und her, während diese aushärtet. Da die Viskosität beim Aushärten abnimmt, wird die Schwingung der Deckplatte gebremst, die benötigte Kraft nimmt folglich zu. Aus der Messung dieser Schwingungsveränderungen kann ein Computerprogramm Rückschlüsse auf das Erscheinungsbild der lackierten Fläche ziehen. »Mithilfe dieser Daten lassen sich die optimalen Bedingungen für eine Lackierung – ohne aufwändige Trial- and Error-Versuche – ermitteln«, erklärt Tiedje.
Die Themenbereiche Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeit präsentieren die Expertinnen und Experten vom Fraunhofer IPA in Vorträgen am Stand 1322 in Halle 1 auf der PaintEXPO von 9. bis 12. April jeweils um 10 Uhr (Nachhaltigkeit), 13 Uhr (Digitalisierung) und 15 Uhr (Automatisierung).
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Oliver Tiedje | Telefon +49 711 970-1773 | oliver.tiedje@ipa.fraunhofer.de | Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA | www.ipa.fraunhofer.de
Dr. Volker Wegmann | Telefon +49 711 970-1753 | volker.wegmann@ipa.fraunhofer.de | Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA | www.ipa.fraunhofer.de