Positionspapier zur Klimakrise: Was jetzt akut für die Frauengesundheit getan werden muss
Medizinische Fachverbände rund um die Frauengesundheit fordern in einem gemeinsamen
Positionspapier zu Maßnahmen auf, die aufgrund des Einflusses des Klimawandels ergriffen
werden sollten, um nötige Transformationsprozesse im Gesundheitswesen einzuleiten. Nur so könne das Wohl der Patientinnen und ihrer Kinder hierzulande langfristig gewährleistet
werden. Das Positionspapier wurde anlässlich des Internationalen Frauentags am 07. März 2024 in Berlin an die Bundesministerin für Senioren, Frauen und Jugend, Frau Lisa Paus übergeben.
Berlin und München, im März 2024 – Die Umwelt- und Klimakrise ist die größte Bedrohung
für unsere Gesundheit im 21. Jahrhundert, von der bereits heute alle Menschen in
Deutschland, jedoch Frauen und ihre Kinder ungleich stark betroffen sind. Auch
Frauenärztinnen, Frauenärzte, Hebammen und Entbindungspfleger müssen sich diesem
gesellschaftlich zentralen Thema stellen. Das neue Positionspapier „Klimakrise – was jetzt für Geburtshilfe und Frauengesundheit in Deutschland zu tun ist“ stützt sich auf Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, die gezielt aufzeigen, welche gesundheitlichen Risiken die globale Erwärmung für Frauen und Kinder, insbesondere Schwangere und ihre Ungeborenen, mit sich bringt.
Mithilfe des Papiers machen die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG), der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF), der Deutsche Hebammenverband e.V. (DHV), die Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM), die Deutsche Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin (DGPGM) sowie viele weitere Fachverbände rund um Frauengesundheit in Zusammenarbeit mit der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) auf die wichtigsten gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise in ihrem Fachgebiet aufmerksam, weisen auf strukturelle Probleme hin, benennen konkrete Lösungsansätze und motivieren zum aktiven Handeln.
„Es ist unsere Aufgabe, die nachhaltige Versorgung von Frauen, Schwangeren,
Gebärenden sowie Neugeborenen gemeinsam zu gewährleisten. Grundsätzlich ist es
wichtig, proaktiv zu handeln und medizinische Maßnahmen zu optimieren. Wir sollten
nicht zögern, unsere Gewohnheiten zu ändern und neue Innovationen zuzulassen.“
- Prof. Barbara Schmalfeldt, Klinikdirektorin der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie des
Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf, Präsidentin der DGGG e.V.
Einfluss der globalen Erwärmung auf Schwangere, Ungeborene und Kinder
Die Redaktionsgruppe des Positionspapiers hebt hervor, dass die in Deutschland immer
häufiger auftretenden Hitzewellen und auch Luftverschmutzung zu erhöhter prä- und
perinataler Morbidität und Mortalität führen. Durch Hitzestress und Feinstaubbelastung aus
Verbrennung fossiler Energieträger und immer größeren Waldbränden treten häufiger
Schwangerschaftskomplikationen wie Tot- und Frühgeburten sowie Plazentationsstörungen mit fetaler Wachstumsrestriktion auf.
Die Fachgesellschaften betonen angesichts der schlechten Prognosen der Entwicklung der globalen Temperatur die Dringlichkeit konkreter Maßnahmen für das deutsche Gesundheitswesen und führen dabei Handlungsvorschläge in den Bereichen „stationärer und ambulanter Versorgungsbereich“, „Praxen“, „Kliniken“ sowie „Patientinnen- und
Patientenkontakt“ und „Berufspolitischer Bereich“ an, die jetzt für ein nachhaltiges
Gesundheitsweisen und eine klimaresiliente Gesellschaft umgesetzt werden können. Dazu
zählt auch ein Paket mit 15 Sofortmaßnahmen zur CO2-Reduktion im Klinikalltag.
Praxen stehen vor großen Anforderungen, die Patientenversorgung an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen und begleitend die eigene Praxisorganisation klimafreundlich zu gestalten.
„Mit Blick etwa auf Räumlichkeiten, Energie- und Wasserverbrauch, Abfallvermeidung
und -entsorgung sowie Nachhaltigkeitsaspekten bei Einkauf und Lieferketten oder auch
bei der Verschreibung von Behandlungen sind Praxen mit sehr komplexen
Handlungsfeldern konfrontiert. Ihrem Bemühen um Nachhaltigkeit können sie nur dann
zielführend nachkommen, wenn sie verlässlich unterstützt werden und geeignete
wirtschaftlich Rahmenbedingungen für den Transformationsprozess vorliegen.“
- Markus Haist, Zweiter Vorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V. (BVF)
Implementierung des 5R-Ansatzes: „Reduce, Reuse, Recycle, Rethink and Research“
Es werden konkrete Vorschläge zur Umstrukturierung gemacht, um Nachhaltigkeit und die
notwendige Klima-Resilienz zu erreichen. Der Fokus liegt sowohl auf der Anpassung von
Gesundheitseinrichtungen an die Klimakrise als auch in der Bekämpfung ihrer Ursachen, allem voran dem Gebrauch fossiler Energien. Die Implementierung des 5-R – Ansatzes „Reduce, Reuse, Recycle, Rethink and Research“ kann das Bewusstsein der Belegschaft der Krankenhäuser und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Praxen schulen. Dies kann auch positive Effekte auf den Zusammenhalt und die Entwicklung nachhaltiger medizinischer Einrichtungen haben, betonen die Autorinnen und Autoren.
„Durch eine gesunde Lebensweise und verbesserte Lebenswelten ließen sich
überzeugend Krebs- und Herzkreislauferkrankungen vermeiden und damit erhebliche
Ressourcen für Diagnostik und Therapie im Gesundheitswesen einsparen. Dazu
braucht es z.B. eine optimierte Vergütungspolitik präventiver Ansätze wie ärztlichen
Beratungsgesprächen, konsequente und schnelle Maßnahmen zur Verbesserung der
Luft- und Wasserqualität, die Förderung aktiver Mobilität und verbindliche politische
Maßnahmen für eine pflanzenbasierte Ernährung und Reduktion von Industriezucker in
verarbeiteten Lebensmitteln.“
- Prof. Annette Hasenburg, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und
Frauengesundheit Mainz, Leiterin der Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit in der DGGG e.V., Mitglied im internationalen FIGO Committee on Climate Change and Toxic Environmental Exposures
Gerade Frauenärztinnen und Frauenärzte sowie Hebammen und Entbindungspfleger sollten sich als gesellschaftliche Vorbilder für eine nachhaltige Transformation im Gesundheitswesen einsetzen. Wenn sich die Berufsgruppen als Teil der Lösung begreifen, sich vernetzen und aktiv werden, werden positive Veränderungen erreicht. Gemeinsam können Zusammenhänge zwischen gesundheitlichen Problemen und Klimakrise erkannt, der eigene Arbeitsbereich kann nachhaltig gestaltet und Patientinnen und Patienten können über Möglichkeiten, die eigene Gesundheit und die ihrer Kinder zu schützen, aufgeklärt werden.
Mit dem klaren Appell, dass Klimaschutz immer auch Gesundheitsschutz ist, rufen die
Autorinnen und Autoren nicht zuletzt Angehörige von Gesundheitsberufen dazu auf,
sich aktiv für eine Transformation zur Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen und in der
Gesellschaft einzusetzen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Susanne Bechert (Hauptautorin)
Frauenärztinnen am ZOB, Kiel
BVF-Beirat Schleswig-Holstein
E-Mail: gyn@klimawandel-gesundheit.de
Dr. med. Elisabeth Holthaus-Hesse
Frauenärztliche Praxisgemeinschaft im Medicum Bremen
E-Mail: gyn@klimawandel-gesundheit.de
Prof. Dr. Eva Kantelhardt
Klinik für Gynäkologie und
Arbeitsgruppe Globale & Planetare Gesundheit
Universitätsmedizin Halle (Saale)
E-Mail: eva.kantelhardt@uk-halle.de
Prof. Dr. Annette Hasenburg
Direktorin der Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Vorsitzende der Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit in der DGGG e.V.
E-Mail: annette.hasenburg@unimedizin-mainz.de
Weitere Informationen:
https://www.dggg.de/
https://www.klimawandel-gesundheit.de/
https://www.dggg.de/presse/pressemitteilungen-und-nachrichten/diagnostik-und-therapie-muessen-umweltfreundlicher-werden