(Weltwassertag 22. März) Die Landschaft als Schwamm: Warum Hochwasserschutz in Wald und Flur beginnt
Wer das Risiko von Hochwasser minimieren will, muss vor Ort etwas tun. Genauer gesagt: noch vor dem Ortsschild. In einem neuen Forschungsprojekt will die Hochschule Coburg ein Baukastensystem entwickeln, das Kommunen bei einer klugen Planung der unbebauten Flächen außerorts unterstützt. Das Projekt wird über DATIpilot des Bundeforschungsministeriums gefördert. Projektpartner ist TNL Umweltplanung aus Buttenheim (Kreis Bamberg).
Immer häufiger kommt es vor, dass starke Regenfälle Hochwasser verursachen und dadurch enorme Schäden entstehen. In Bremen drohten im Dezember und Januar Deiche zu brechen, in Bayern wurden zahlreiche Straßen und Bahngleise geflutet und auch die Region rund um Coburg war stark betroffen. Aber das ist nicht der Grund, warum Prof. Dr. Andreas Weiß von der Hochschule Coburg sich mit dem Thema beschäftigt. „Der Ansatz ist meist, bei Hochwasser auf das aktuelle Ereignis zu reagieren“, sagt Weiß. Es gibt technische Lösungen wie Rückhaltesysteme und viele organisatorische Lösungen der Vorsorge. Aber der Coburger Wissenschaftler will nicht nur das Problem bekämpfen. Sondern die Ursachen.
Weiß forscht und lehrt an der Fakultät Design der Hochschule Coburg unter anderem zu Siedlungswasserwirtschaft und zukunftsorientierter Stadtentwässerung. Mit seinem Team startet er in diesem Jahr ein Forschungsprojekt, das Kommunen künftig dabei helfen soll, die Ursachen von Hochwasser durch eine kluge Flächenplanung zu bekämpfen. Er freut sich sehr, dass sein Konzept für ein „Baukastensystem für eine wasserwirtschaftlich optimierte, klimaresiliente, multifunktionale Flächennutzung“ (BauWaOpKliNu) für eine Förderung durch die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ausgewählt wurde. Von deutschlandweit 3000 Bewerbungen für das neue Format DATIpilot haben 300 eine Zusage erhalten. Die Hochschule Coburg ist mit zwei Projekten vertreten: Nach UltraHip von Prof. Dr. Klaus Drese und Master-Student Jan Lützelberger nun auch mit BauWaOpKliNu. 150.000 Euro wurden beantragt, um das Projekt an der Hochschule voranzutreiben, hinzu kommen 130.000 für den Projektpartner TNL Umweltplanung aus Buttenheim. „Dieses Planungsbüro passt perfekt zu unserem Ansatz: Sie denken weitsichtig und hinterfragen bei der Umweltplanung wo nötig auch die Vorstellungen der Auftraggeberinnen und Auftraggeber“, sagt Weiß. „Außerdem stärkt die Zusammenarbeit auch den Forschungstransfer in die Region – das ist wichtig.“ Um das Baukastensystem zu entwickeln, sollen gemeinsam mit TNL die Flächen verschiedener Kommunen der Region genau bewertet werden.
Das Besondere ist, dass es hier nicht um Hochwasserschutz in den Ortschaften geht, sondern die Einzugsgebiete analysiert werden: Wald, Wiese, Acker, Photovoltaik- oder Windparks. „Wenn das Wasser schon in den Einzugsgebieten besser versickert, kommt gar nicht soviel auf die Ortschaften zu. Deshalb betrachten wir unbebaute Flächen außerorts“, erklärt Weiß. Es geht darum, im Einzugsgebiet großflächig zu ermitteln, wo Wasser nicht versickert, sondern wegfließt. Und warum. Wie wirken diese so genannten Abflüsse zusammen? Welche Fläche hat Potenzial, Wasser zurückzuhalten? Und wieviel? Was muss sich dafür ändern? Mit solchen Fragen werden sich die Forschenden der Hochschule Coburg genau beschäftigen. Dafür wollen sie vor allem vorhandene Daten nutzen, beispielsweise aus Geoinformationssystemen und Geländemodellen der Kommunen und des Landes. Auch die Unterstützung von Künstlicher Intelligenz soll geprüft werden. Abhängig von verschiedenen Parametern für die Durchlässigkeit des Bodens lässt sich ermitteln, wie sich der Wasserrückhalt verbessern lässt: Vielleicht reicht ein einfaches technisches Bauwerk, eine Mulde oder eine Erhöhung? Vielleicht sollte eine Fläche anders bewirtschaftet werden? Oder lassen sich verschiedene Nutzungsmöglichkeiten sinnvoll kombinieren?
Schwamm-Stadt und Schwamm-Land
Ähnlich wie beim gerade sehr beliebten Konzept von so genannten „Schwamm-Städten“ ist auch Weiß‘ Ansatz, Wasser nicht abzuleiten oder wegfließen zu lassen, sondern für trockene Perioden zu speichern. Er zuckt die Schultern: „Ziel der Wasserwirtschaft ist immer, das Wasser zu halten.“ Aber ein viel größeres Potenzial als in den Städten sieht der Coburger Professor außerorts. Das Problem ist: Das betrifft auch mehr Flächen. Mehr Interessen. Deshalb sollen für das Baukastensystem Maßnahmenmodule zusammengestellt, kategorisiert und bewertet werden, die alle Nutzungsinteressen berücksichtigen: Kriterien wie Kosten für eine Maßnahme, die Auswirkungen auf den Naturhaushalt sowie Wechselwirkungen mit anderen Flächennutzungen und gesellschaftliche Akzeptanz können so berücksichtigt werden. Die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort miteinzubeziehen ist für den Studiengangsleiter des Coburger Masterstudiengangs „Ressourceneffizientes Planen und Bauen“ entscheidend.
Das geplante Baukastensystem zur Flächennutzung soll deshalb vielseitige Ansatzpunkte aufzeigen. So wird es für Kommunen, aber beispielsweise auch für Flächeneigentümer und Zweckverbände leichter, wirksame Maßnahmen zu finden, um ihr direktes Umfeld widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels zu machen.
Text: Natalie Schalk