EU-Klimapolitik: Wie die EU CO2-Entnahme steuern könnte
Damit in der EU in Zukunft in großem Umfang CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden kann, braucht es neben technischen Gegebenheiten einen steuernden Rahmen. In einer neuen Studie legt ein Forschungsteam um PIK-Direktor Ottmar Edenhofer dafür ein ökonomisch fundiertes Konzept vor. Eine Schlüsselrolle spielt dabei eine zu errichtende Europäischen Kohlenstoff-Zentralbank.
Für zügiges Mindern der Klimagas-Emissionen hat die EU weitreichende Beschlüsse gefasst. So wird sie, wie in Energiewirtschaft und Industrie, ab 2027 auch in den Problemsektoren Wärme und Verkehr den CO2-Ausstoß per Emissionshandel deckeln um so Klimaneutralität zu erreichen. Nicht vermeidbare Restemissionen sollen vor allem durch den Einsatz von Technologien kompensiert werden, die der Atmosphäre direkt oder indirekt CO2 entziehen und es dann einlagern. „CO2-Entnahme als die zweite Säule des Klimaschutzes wird uns in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts viel Geld kosten – die Schätzungen reichen von 0,3 bis 3 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung“, sagt Ottmar Edenhofer, Direktor vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und einer der Autoren. „Wir liefern ein sehr konkretes Konzept, wie diese Herkulesaufgabe bewältigt werden kann.“
+++ EU-Subventionen an Dauerhaftigkeit von CO2-Entnahme koppeln +++
Die in der Fachzeitschrift FinanzArchiv veröffentlichte Studie widmtet sich dem Thema CO2-Entnahme aus ökonomischer Sicht: So wie der Staat den CO2-Ausstoß verteuert, um seine negative Folgen zu begrenzen, sollte er die CO2-Entnahme subventionieren. Max Franks, PIK-Forscher und Autor der Studie, erklärt: "Als grundlegendes Prinzip zur Kostenminimierung sollte dabei für jede entnommene und dauerhaft gespeicherte Tonne CO2 der gleiche Preis verwendet werden wie für die Emission einer Tonne CO2 in die Atmosphäre. Eine Herausforderung dabei ist die nicht dauerhafte CO2-Entnahme, bei der das Treibhausgas immer wieder neu aus der Atmosphäre entnommen werden muss."
Unmittelbar kostengünstige landbasierte Optionen, wie die Aufforstung oder das Anreichern von Kohlenstoff auf Äckern, können dadurch etwa im Vergleich zu Luftfilter-Anlagen mit dauerhafter unterirdischer Speicherung entscheidend an Attraktivität verlieren. Deshalb erscheint es sinnvoll, die EU-Subventionen zunächst an die Dauerhaftigkeit der Entnahme zu koppeln („Upstream pricing“), so die Autoren. Erst wenn auch die CO2-Emissionen im Landsektor umfassend ermittelt sind und der Bepreisung unterliegen, können Entnahmen unterschiedslos gefördert werden. Die vier entscheidenden Stellschrauben sind die Mengensteuerung der Netto-Emissionen, die Regelung der Haftung bei nicht permanenten Entnahmen, die finanzielle Förderung von Entnahme-Ausbau und Innovation sowie die Zertifizierung der Anbieter.
Für die ersten beiden Aufgaben schlägt die Studie eine Europäische Kohlenstoff-Zentralbank vor, außerdem zwei Behörden für Finanzierung und Qualitätssicherung. Den Studienautoren zufolge wäre dieser Vorschlag im Rahmen der derzeitigen politischen Architektur der EU gut durchführbar.
Artikel: Edenhofer, O., Franks, M., Kalkuhl, M., Runge-Metzger, A. (2024): On the Governance of Carbon Dioxide Removal – A Public Economics Perspective. FinanzArchiv. [DOI: 10.1628/fa-2023-0012]
Weblink zum Artikel: https://viewer.content-select.com/pdf/viewer?ip=145.253.110.218&id_type=doi&identifiers=10.1628%2Ffa-2023-0012&signature=f071898f0326313e407e094e9e36cbfcbf29614c&frontend=1&language=eng
Originalpublikation:
Edenhofer, O., Franks, M., Kalkuhl, M., Runge-Metzger, A. (2024): On the Governance of Carbon Dioxide Removal – A Public Economics Perspective. FinanzArchiv. [DOI: 10.1628/fa-2023-0012]