DFG-gefördert: „Philosophieren in einer globalisierten Welt – historische und systematische Perspektiven“
An die Stelle der europäisch geprägten Philosophie soll ein polylogisches Philosophieren* treten, das die philosophischen Beiträge weltweit einbezieht. Bislang hat die Philosophie ein vor allem westlich geprägtes Selbstverständnis. Dieses aufzubrechen und eine umfassende vergleichende Auseinandersetzung mit Philosophietraditionen im transkulturellen Kontext zu betreiben, ist das Ziel der ab Oktober 2024 in der ersten Phase für vier Jahre von der DFG geförderten Kolleg-Forschungsgruppe „Philosophieren in einer globalisierten Welt – historische und systematische Perspektiven“ unter Leitung von Prof. Dr. Rolf Elberfeld.
Für den Polylog
„Ohne einen weltweiten Polylog bleibt die europäische Philosophie von Vorannahmen geprägt, die nicht mehr kritisch reflektiert werden können. Gerade die Möglichkeit einer kritischen Auseinandersetzung verschiedener philosophischer Ansätze weltweit, kann eine zentrale Rolle in der Frage spielen, wie wir den globalen Problemen und Krisen der Gegenwart begegnen können. Fragen der Ökologie, des Naturverständnisses, der globalen Gerechtigkeit und viele weitere Thematiken benötigen für ihre Klärung einen Polylog. Es geht somit um eine globale Neubestimmung des Philosophiebegriffs und der Wissensordnungen im Fach Philosophie“, erläutert Projektleiter Prof. Dr. Rolf Elberfeld.
In der ersten Phase sollen insbesondere Philosophien in Afrika und Lateinamerika in den Fokus gerückt werden; in der zweiten Phase stehen Philosophien in Indien, China, Korea und Japan im Zentrum. Die Forschungsgruppe strebt das Erforschen von Geschichten der Philosophie in globaler Perspektive an und möchte ein global orientiertes Werklexikon der Philosophie erarbeiten, um eine breit angelegte Materialbasis für ein Philosophieren in einer globalisierten Welt aufzubereiten.
Philosophie an der europäischen Universität
Die Philosophie als eigenständige universitäre Disziplin bildete sich in Europa im 18. und 19. Jahrhundert. Die Philosophiegeschichtsschreibung in deutscher Sprache spielte hierbei eine entscheidende Rolle. Während im 18. Jahrhundert noch immer viele außereuropäische Philosophien einbezogen wurden, verengte sich der Begriff der Philosophie im 19. Jahrhundert unter anderem durch den Einfluss der Kantischen Philosophie. Ende des 19. Jahrhunderts ist die Philosophie als universitäre Disziplin in verschiedenen Geschichten der Philosophie mit einem exklusiven Anfang in der griechischen Philosophie allein auf Europa begrenzt worden. Diese Sicht hat die Lehre der Philosophie an den Universitäten in Europa und Nordamerika im 20. Jahrhundert geprägt.
Zur (bisherigen) nichtkanonischen Philosophiegeschichtsschreibung
Dabei hat sich das Fach Philosophie nicht nur in Europa, sondern seit dem 19. Jahrhundert auch weltweit an verschiedenen Universitäten etabliert. In Asien, der arabischen Welt, in Afrika und Lateinamerika gibt es Ansätze der Philosophie, die in Europa kaum beachtet werden, aber bereits jetzt Beiträge zu vielen philosophischen Fragen geleistet haben. Darüber hinaus lassen sich auch abseits der Universität wichtige philosophische Beiträge finden, die das universitäre Philosophieren mit wichtigen und schwierigen Fragen konfrontiert: Philosophiert wird auch in Europa nicht nur an der Universität. Seitdem verschiedene Philologien im 19. Jahrhundert an europäischen Universitäten studierbar wurden – gemeint sind hier mitunter die Indologie, Sinologie, Arabistik, Judaistik, Japanologie – begannen Forscher*innen auch die Geschichten der entsprechenden Philosophien zu schreiben. Diese Geschichten wurden jedoch in der Fachphilosophie in Europa und Nordamerika selbst so gut wie nicht berücksichtigt. Strömungen wie vergleichende, interkulturelle oder dekoloniale Philosophie sollten dann im 20. und 21. Jahrhundert den allein auf Europa festgelegten Philosophiebegriff aufbrechen. „An die Vorarbeiten dieser Strömungen schließt die Arbeit der Kolleg-Forschungsgruppe an, die aus einer Gruppe von Forscher*innen vor Ort und aus Fellows bestehen wird, die aus verschiedenen Ländern nach Hildesheim eingeladen werden. Die Kolleg-Forschungsgruppe wird ihre Arbeitsräume auf dem Hauptcampus der Universität haben. Wir freuen uns daher auch auf einen interdisziplinären Austausch über die Philosophie hinaus“, so Rolf Elberfeld.
*Polylog: Ein gemäß Franz Martin Wimmer geprägter Begriff, der das Konzept eines interkulturellen Philosophierens ausdrückt. Er umschreibt den kommunikativen Austausch zwischen jeder an einem Diskurs beteiligten Kultur.
Weitere Informationen:
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