ERC Advanced Grant für Paläoanthropologin Gabriele Macho
Die Paläoanthropologin Prof. Dr. Gabriele Macho erhält einen ERC Advanced Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC). Mit rund 2,5 Millionen Euro fördert der ERC ihr am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt angesiedeltes internationales Forschungsprojekt „PLIODIS“ über einen Zeitraum von fünf Jahren. In Kooperation mit Forschenden unter anderem der südafrikanischen Witwatersrand-Universität, der Universität Bordeaux und des University College London wird das interdisziplinäre Projekt die Populationsdynamik früher Homininen in Afrika untersuchen.
Heute besiedeln Menschen praktisch jeden Winkel der Erde. Möglich wurde diese beispiellose räumliche Ausbreitung unserer Spezies durch die einzigartige Fähigkeit des Menschen, sich an extrem unterschiedliche Umweltbedingungen anzupassen. Aber wann im Laufe der menschlichen Evolution hat sich diese Fähigkeit ausgebildet? Es gilt als weitgehend gesichert, dass sich die frühesten Homininen vor etwa 6 Millionen Jahren in den Tropen Afrikas entwickelt haben. Archäologische Funde weisen darauf hin, dass Hominine ab etwa 3,7 Millionen Jahren vor heute auch in höheren Breitengraden Südafrikas vorkamen. Im Vergleich zu Ostafrika sind die heutigen Umweltbedingungen dort herausfordernder und das Klima sowie die Ressourcen-Verfügbarkeit unterliegen stärkeren saisonalen Schwankungen.
„Aktuell ist nicht geklärt, ob die im südlichen Afrika lebenden Frühmenschen bereits über die notwendige Anpassungsfähigkeit in Physiologie und Verhalten verfügten, um aktiv in gemäßigtere Zonen im Süden zu wandern, oder ob sie durch zufällige tektonische oder klimatische Ereignisse dorthin gerieten“, erläutert Prof. Dr. Gabriele Macho, die aktuell am University College London forscht und fährt fort: „Welches dieser Szenarien zutrifft, ist relevant für die noch offene Frage, wann unsere Vorfahren ihre besondere Anpassungsfähigkeit an sehr unterschiedliche klimatische Bedingungen entwickelten, die es ihnen letztlich erlaubte, sich im Laufe des Pleistozäns über Afrika hinaus auszubreiten. Möglicherweise waren die Grundlagen dafür sogar schon vor mehr als 3,7 Millionen Jahren vorhanden, noch vor der Entstehung der Gattung Homo.“
Bisher war es schwierig, dieser Frage nachzugehen – es gibt insgesamt nur wenige erhalten gebliebene Fossilien und zwischen Ost- und Südafrika sind für den betreffenden Zeitraum, das Pliozän, gar keine Fossilienfundstätten bekannt. „Im Rahmen des Forschungsprojekts ‚PLIODIS‘ bei Senckenberg werden wir einen neuartigen multidisziplinären Ansatz nutzen, der in der Ökologie und Populationsdynamik verankert ist und das dynamische Zusammenspiel zwischen Paläoklima, Ökologie, geomorphologischen Veränderungen und biologischer Evolution in den Blick nimmt“, so Macho.
Senckenberg-Generaldirektor Prof. Dr. Klement Tockner gratuliert Prof. Dr. Gabriele Macho zur Förderung ihres Projektes: „Ein ERC Grant gilt als Goldstandard in der Spitzenforschung – und zwar weltweit. Senckenberg zeigt erneut, dass ein offenes, wertschätzendes und kreatives Forschungsumfeld ausschlaggebend ist, um international federführend zu sein. Der innovative interdisziplinäre Forschungsansatz von Gabriele Macho und ihrem internationalen Team verspricht Antworten auf die spannende und in der Paläoanthropologie seit 100 Jahren diskutierten Frage, welche Rolle das temperierte südliche Afrika und die dort gefundenen vielfältigen fossilen Homininen in der Evolution zum modernen Homo sapiens spielten.“
Gemeinsam mit Forschenden unterschiedlicher Disziplinen von der Witwatersrand-Universität, dem EPOC Laboratory (Universität Bordeaux, CNRS), dem University College London und dem Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt sollen zunächst die Fragen geklärt werden, ob sich die damaligen paläoklimatischen und paläoökologischen Bedingungen grundlegend von den heutigen unterschieden und ob Populationen früher Homininen möglicherweise durch tektonische, geomorphologische oder klimatische Ereignisse isoliert wurden. „Aus diesen Erkenntnissen können wir dann Rückschlüsse ziehen, ob sich unsere Vorfahren vor 3,7 Millionen Jahren bereits ausreichend vielseitig entwickelt hatten, um aktiv gemäßigte Zonen zu besiedeln“, schließt Macho.
Der Europäische Forschungsrat (ERC) ist eine von der Europäischen Kommission eingerichtete Institution zur Finanzierung grundlagenorientierter und exzellenter Forschung. Mit den ERC Advanced Grants fördert der ERC bahnbrechende Forschungsvorhaben von erfahrenen Wissenschaftler*innen. Für die Projekte erhalten sie bis zu 2,5 Millionen Euro über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren. https://erc.europa.eu/funding/advanced-grants
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gabriele Macho
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt
gabriele.a.macho@gmail.com