Wunderschöner Nebel, dramatische Geschichte: Zusammenprall von Sternen löst Sternenrätsel
Als Astronominnen und Astronomen ein Sternpaar im Herzen einer eindrucksvollen Gas- und Staubwolke beobachteten, erlebten sie eine Überraschung. Sternpaare sind sich normalerweise sehr ähnlich, wie Zwillinge. Doch bei HD 148937 scheint ein Stern jünger und im Gegensatz zum anderen magnetisch zu sein. Neue Daten der Europäischen Südsternwarte (ESO) deuten darauf hin, dass das System ursprünglich aus drei Sternen bestand, bis zwei von ihnen zusammenstießen und verschmolzen. Durch dieses einschneidende Ereignis entstand die umgebende Wolke und veränderte das Schicksal des Systems für immer.
„Beim Recherchieren der Hintergründe fiel mir auf, wie besonders dieses System zu sein schien“, sagt Abigail Frost. Sie ist Astronomin bei der ESO in Chile und Hauptautorin der heute in Science veröffentlichten Studie. Das System, HD 148937, befindet sich etwa 3800 Lichtjahre von der Erde entfernt in Richtung des Sternbilds Norma. Es besteht aus zwei Sternen, die viel massereicher sind als die Sonne und von einem wunderschönen Nebel, einer Wolke aus Gas und Staub, umgeben sind. „Ein Nebel, der zwei massereiche Sterne umgibt, ist eine Seltenheit, und wir hatten wirklich das Gefühl, dass in diesem System etwas Außergewöhnliches passiert sein muss. Als wir uns die Daten ansahen, wurde die Verblüffung nur noch größer.“
„Nach einer detaillierten Analyse konnten wir feststellen, dass der massereichere Stern viel jünger zu sein scheint als sein Begleiter, was keinen Sinn ergibt, da sie zur gleichen Zeit entstanden sein müssten!“, sagt Frost. Der Altersunterschied – der eine Stern scheint mindestens 1,5 Millionen Jahre jünger zu sein als der andere – deutet darauf hin, dass etwas den massereicheren Stern verjüngt haben muss.
Ein weiteres Teil des Puzzles ist der Nebel, der die Sterne umgibt, bekannt als NGC 6164/6165. Er ist 7500 Jahre alt, also Hunderte Male jünger als die beiden Sterne. Der Nebel weist auch sehr hohe Mengen an Stickstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff auf. Dies verwundert, da diese Elemente normalerweise tief im Inneren eines Sterns und nicht außerhalb erwartet werden; es scheint, als ob ein gewaltsames Ereignis sie freigesetzt hätte.
Um das Geheimnis zu lüften, sammelte das Team Daten aus neun Jahren mit den Instrumenten PIONIER und GRAVITY, die beide am Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der ESO in der chilenischen Atacamawüste installiert sind. Sie verwendeten außerdem Archivdaten des FEROS-Instruments am La Silla-Observatorium der ESO.
„Wir gehen davon aus, dass dieses System ursprünglich aus mindestens drei Sternen bestand, von denen zwei zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Umrundung sehr nahe beieinander lagen, während ein anderer Stern viel weiter entfernt war“, erklärt Hugues Sana, Professor an der KU Leuven in Belgien und Hauptverantwortlicher für die Beobachtungen. „Die beiden inneren Sterne verschmolzen auf gewaltsame Weise, wodurch ein magnetischer Stern entstand. Dabei wurde einiges an Material herausgeschleudert, das den Nebel entstehen ließ. Der weiter entfernte Stern bildete eine neue Umlaufbahn mit dem neu verschmolzenen, nun magnetischen Stern, wobei der Doppelstern entstand, den wir heute im Zentrum des Nebels sehen.“
„Das Fusionsszenario hatte ich bereits 2017 im Kopf, als ich Nebelbeobachtungen mit dem Herschel-Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumorganisation untersuchte“, fügt Mitautor Laurent Mahy hinzu, derzeit leitender Forscher am Königlichen Observatorium von Belgien. „Die Entdeckung einer Altersdiskrepanz zwischen den Sternen deutet darauf hin, dass dieses Szenario das plausibelste ist, und nur die neuen ESO-Daten konnten es bestätigen.“
Dieses Szenario erklärt auch, warum einer der Sterne in diesem System magnetisch ist und der andere nicht – eine weitere Besonderheit von HD 148937, die in den VLTI-Daten entdeckt wurde.
Gleichzeitig hilft es, ein langjähriges Rätsel der Astronomie zu lösen: nämlich wie massereiche Sterne ihre Magnetfelder erhalten. Während Magnetfelder bei massearmen Sternen wie unserer Sonne üblich sind, können massereichere Sterne Magnetfelder nicht auf die gleiche Weise aufrechterhalten. Dennoch sind einige massereiche Sterne tatsächlich magnetisch.
Astronominnen und Astronomen hatten schon seit einiger Zeit vermutet, dass massereiche Sterne bei der Verschmelzung zweier Sterne Magnetfelder entwickeln können. Jetzt haben die Forscher zum ersten Mal direkte Beweise für diesen Vorgang gefunden. Im Falle von HD 148937 muss die Verschmelzung erst in jüngster Vergangenheit stattgefunden haben. „Man nimmt an, dass der Magnetismus in massereichen Sternen im Vergleich zur Lebensdauer des Sterns nicht sehr lange anhält. Es scheint also, dass wir dieses seltene Ereignis sehr kurz nach seiner Entstehung beobachtet haben“, fügt Frost hinzu.
Das Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das derzeit in der chilenischen Atacamawüste gebaut wird, wird es den Forschern ermöglichen, die Vorgänge in diesem System genauer zu untersuchen und vielleicht noch mehr Überraschungen zu entdecken.
Weitere Informationen
Diese Forschungsergebnisse wurden in einem Artikel mit dem Titel „A magnetic massive star has experienced a stellar merger“ (Ein magnetischer massereicher Stern hat eine Sternverschmelzung erlebt) vorgestellt, der in Science (www.science.org/doi/10.1126/science.adg7700) erscheint. Der Artikel wird von Science am Freitag, dem 12. April 2024, in gedruckter Form veröffentlicht und am Donnerstag, dem 11. April 2024, um 14:00 Uhr US-Ostzeit (20:00 Uhr MESZ) online gestellt. Solange die Sperrfrist läuft, finden Sie die endgültige Version der mit einer Sperrfrist versehenen Arbeit unter https://www.eurekalert.org/press/scipak/ oder kontaktieren Sie scipak@aaas.org.
Das Projekt wurde vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union gefördert (Fördervereinbarung Nr. 772225: MULTIPLES; PI: Hugues Sana).
Das Team besteht aus A. J. Frost (Europäische Südsternwarte, Santiago, Chile [ESO Chile] und Institut für Astronomie, KU Leuven, Belgien [KU Leuven]), H. Sana (KU Leuven), L. Mahy (Königliches Observatorium von Belgien, Belgien und KU Leuven), G. Wade (Abteilung für Physik und Weltraumwissenschaften, Royal Military College of Canada, Kanada [RMC Space Science]), J. Barron (Abteilung für Physik, Ingenieurwesen und Astronomie, Queen's University, Kanada und RMC Space Science), J.- B. Le Bouquin (Université Grenoble Alpes, Nationales Zentrum für wissenschaftliche Forschung, Institut für Planetologie und Astrophysik in Grenoble, Frankreich), A. Mérand (Europäische Südsternwarte, Garching, Deutschland [ESO]), F. R. N. Schneider (Heidelberger Institut für Theoretische Studien, Deutschland und Astronomisches Rechen-Institut, Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg, Deutschland), T. Shenar (The School of Physics and Astronomy, Tel Aviv University, Israel und KU Leuven), R. H. Barbá (Departamento de Física y Astronomía, Universidad de La Serena, Chile), D. M. Bowman (School of Mathematics, Statistics and Physics, Newcastle University, Großbritannien und KU Leuven), M. Fabry (KU Leuven), A. Farhang (School of Astronomy, Institut für Forschung in Grundlagenwissenschaften, Iran), P. Marchant (KU Leuven), N. I. Morrell (Las Campanas Observatory, Carnegie Observatories, Chile) und J. V. Smoker (ESO Chile und UK Astronomy Technology Centre, Königliches Observatorium, Großbritannien).
Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftler*innen weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt. Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie Durchmusterungsteleskope wie z. B. VISTA. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
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Originalpublikation:
A. J. Frost et al., "Observational constraints on mergers creating
magnetism in massive stars", Science (2024). DOI: 10.1126/science.adg7700
Weitere Informationen:
https://www.eso.org/public/news/eso2407/ - Originalpressemitteilung der ESO mit weiteren Bildern und Videos.
http://Solange die Sperrfrist läuft, finden Sie die endgültige Version der mit einer Sperrfrist versehenen Arbeit unter https://www.eurekalert.org/press/scipak/ oder kontaktieren Sie scipak@aaas.org.