Bedarf statt Wettbewerb: Erfolgsmodell Hochschulpakt 2020
Auf Bitte der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) hat der Wissenschaftsrat (WR) den Hochschulpakt 2020 evaluiert, das mit 39 Mrd. Euro bis heute umfangreichste Förderprogramm für das deutsche Hochschulsystem. Der Pakt war als gemeinsame Initiative von Bund und Ländern Mitte der 2000er Jahre ins Leben gerufen worden, um die deutschen Hochschulen für absehbar starke Kohorten von Studierenden offen zu halten. Zwischen 2007 und 2020 konnten dank des Hochschulpakts rund 1,6 Mio. zusätzliche Studienanfängerinnen und -anfänger aufgenommen werden.
„Der Pakt trug zur Stabilisierung eines durch zahlreiche Reformen beanspruchten Hochschulsystems bei, betonte kooperatives Handeln statt Wettbewerb und stärkte die Veränderungsfähigkeit des Hochschulsystems insgesamt“, sagt der Vorsitzende des WR, Wolfgang Wick. „Angesichts der aktuellen Herausforderungen der Hochschulen etwa durch Fachkräftemangel, demographischen Wandel, Digitalisierung oder Sanierungsstau sind gemeinsame Anstrengungen aller Akteure im deutschen Hochschulsystem nötig. Die Lehren aus dem Hochschulpakt sollten hierfür genutzt werden“, so Wick.
Die zusätzlichen Mittel aus dem Hochschulpakt ermöglichten es, die Grundaufgaben der Hochschulen während des Kapazitätsausbaus zu finanzieren, wodurch der Bund langfristig in die Finanzierung der Hochschullehre einstieg. Der Pakt zeugte von Solidarität zwischen den Ländern, die nicht alle in gleichem Maß von einer wachsenden Studiennachfrage betroffen waren. Der WR bewertet den Hochschulpakt in weiten Teilen als ein Erfolgsmodell für eine gelungene Bund-Länder-Zusammenarbeit. Positiv wertet der Wissenschaftsrat eine bedarfsorientierte Förderung ohne komplizierte Antragsverfahren und wettbewerbliche Mittelvergabe, einen einfachen Finanzierungsmechanismus zwischen Bund und Ländern sowie die Setzung wichtiger Nebenziele zur Weiterentwicklung des gesamten Hochschulsystems. Durch eine weitgehend flexible Mittelverwendung in den Ländern und an den Hochschulen wurden die verschiedenen Ausgangsbedingungen berücksichtigt. Die Steuerungssysteme der Länder und die Gestaltungshoheit über ihre Hochschulen wurden dadurch nicht eingeschränkt.
Allerdings wurden zugunsten der Flexibilität auch Fehlentwicklungen in Kauf genommen. Präzisere und ambitioniertere Zielvorgaben hätten dem möglicherweise entgegenwirken können. Hierzu zählen die Bildung von Rücklagen in erheblichem Umfang, wodurch die Mittel nicht vollständig und unmittelbar den Kohorten zusätzlicher Studienanfänger zugutekamen, eine starke Zunahme befristeter Beschäftigungsverhältnisse für Lehrpersonal sowie eine zu geringe Aufmerksamkeit für die Qualitätsentwicklung des Studiums während des Ausbaus. Unter anderem durch die Erhöhung der Pauschalen wurde während der Laufzeit des Programms allerdings gegengesteuert. Der gewünschte Aufwuchs in den MINT-Fächern wurde dadurch erschwert, dass kostenintensive Infrastrukturen nicht durch die Pauschalen abgedeckt wurden, sondern von den Hochschulen aus Grundmitteln geleistet werden mussten.
Zum 1. Januar 2021 wurde der Hochschulpakt 2020 vom Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken abgelöst, der auf manche dieser Beobachtungen bereits reagiert hat. Der WR wird auf Bitte der GWK dieses Programm evaluieren und 2026 einen Bericht vorlegen.
Originalpublikation:
www.wissenschaftsrat.de/download/2024/pm_1224.html
Weitere Informationen:
http://doi.org/10.57674/ecee-e117 - Zur Stellungnahme