Musterbildung im Nanokosmos
Ein neues Modell, das von Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPI-DS) entwickelt wurde, erweitert die Theorie der elastischen Phasentrennung auf Strukturen im Nanometerbereich. Solche Strukturen sind in biologischen Systemen häufig anzutreffen und werden auch in der Nanotechnik verwendet, beispielsweise zur Erzeugung von Strukturfarben. Mit ihren neuen Erkenntnissen sind die Wissenschaftler*innen in der Lage, die Längenskala von nanoskopischen Mustern vorherzusagen und damit bei der Herstellung besser zu kontrollieren.
Detaillierte strukturelle Muster finden sich häufig in biologischen Systemen. Ein bekanntes Beispiel ist die Färbung von Vogelfedern und Schmetterlingsflügeln, die auf einer regelmäßigen Anordnung von nanoskopischen Strukturen beruht, welche als Strukturfarben bekannt sind. Solche Muster entstehen oft durch Phasentrennung. Hierbei trennen sich verschiedene Komponenten voneinander, ähnlich wie bei einem Gemisch von Öl und Wasser. Es ist jedoch unklar, wie die Natur regelmäßige Muster erzeugt, die zu diesen Farben führen. Die Herstellung von synthetischen Materialien mit Strukturen auf dieser Submikron-Längenskala ist daher allgemein eine Herausforderung.
Eine Möglichkeit, die durch Phasentrennung entstandenen Strukturen zu erzeugen, beruht auf deren elastischem Verhalten: Die Verformung von Materialien wird durch die Elastizitätstheorie auf makroskopischer Ebene gut beschrieben, beispielsweise um zu erklären, wie sich ein Stück Gummi unter Krafteinwirkung verformt. Auf nanoskopischer Ebene sind die Materialien jedoch nicht mehr homogen, daher ist diese makroskopische Beschreibung nicht ausreichend. Vielmehr ist die tatsächliche Anordnung der Moleküle wichtig. Die Verformung eines jeden Materials erfordert zudem Energie, was große Verformungen erschwert. Durch Phasentrennung gebildete individuelle Tröpfchen können somit nicht unbegrenzt wachsen. Je nach ihrer Anordnung kann sich so ein regelmäßiges Muster ergeben
Wissenschaftler*innen um David Zwicker, Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe Theorie biologischer Flüssigkeiten am MPI-DS, haben nun ein Modell entwickelt, das diesen Aspekt berücksichtigt. Sie erarbeiteten eine Theorie, die auf nichtlokaler Elastizität basiert, um die Musterbildung durch Phasentrennung vorherzusagen. "Mit unserem neuen Modell können wir nun auch diesen zusätzlichen Aspekt zur Beschreibung des Systems berücksichtigen", sagt Zwicker. "Alle molekularen Komponenten im atomaren Detail zu modellieren, übersteigt derzeit die mögliche Rechenleistung. Stattdessen haben wir die bestehende Theorie auf kleinere Strukturen erweitert, die eine ähnliche Größe haben wie die Gittermaschen, in denen sie angeordnet sind", erklärt er.
Die neue Theorie sagt voraus, wie die Materialeigenschaften das geformte Muster beeinflussen. So kann sie Ingenieuren helfen, spezifische nanoskopische Strukturen zu schaffen, die den physikalischen Prinzipien der Selbstorganisation folgen, die sich die Natur zunutze macht.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
David Zwicker
Leiter einer Max-Planck-Forschungsgruppe
david.zwicker@ds.mpg.de
Originalpublikation:
https://journals.aps.org/prx/abstract/10.1103/PhysRevX.14.021009
Weitere Informationen:
https://www.ds.mpg.de/4053119/240424_phase_separation