Hochschulmedizin Dresden zeigt Bücher der „Schwarzen Reihe“
Auf dem Hochschulcampus ist die größte Buchreihe zum Thema Nationalsozialismus zu sehen. // Das Institut für Geschichte der Medizin rückt die medizinhistorischen Titel der rund 220 Bücher in den Fokus. // Rund um das Thema sind bis 2025 Veranstaltungen,
Führungen und Vorträge geplant.
Die Schwarze Reihe hat – wie keine andere Buchreihe – dazu beigetragen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse und Analysen zur Geschichte der NS-Diktatur eine weite Verbreitung in der deutschen Öffentlichkeit gefunden haben. Die Hochschulmedizin Dresden widmet dieser bedeutenden Reihe nun eine Sonderausstellung, die Wissenswertes über die Veröffentlichungen und ihre Hintergründe vermittelt. Der Fokus der Ausstellung liegt dabei auf den medizinischen Themen. Der 2021 verstorbene Historiker Walter Pehle begründetet die „Schwarze Reihe“ 1977 im Frankfurter S. Fischer Verlag und lektorierte sie bis 2011. Einige der schwarzen Taschenbücher erreichten Auflagen von 100.000 Exemplaren und mehr. In der Reihe sind bis heute über 220 Bände erschienen, viele sind nur noch in Bibliotheken oder antiquarisch erhältlich. In der Sonderausstellung wird die komplette Buchreihe nebst Hintergrundinformationen ab dem 29. April 2024 im Medizinisch-Theoretischen Zentrum (MTZ) des Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden gezeigt.
Wie war das möglich? Diese Frage stand von Anfang an im Zentrum der weltweit größten Buchreihe zum Thema Nationalsozialismus, die der Historiker Walter Pehle 1977 im Frankfurter S. Fischer Verlag begründete und bis 2011 lektorierte. Aufgrund ihrer überwiegend in nüchternem Schwarz gehaltenen Umschlaggestaltung war schnell von der „Schwarzen Reihe“ die Rede. Abgesehen vom äußeren Erscheinungsbild erregten die Titel vor allem inhaltlich große Aufmerksamkeit. Die Bücher zu Judenverfolgung und Holocaust, zu den Verbrechen von Wehrmacht und SS, zur vermeintlichen „Volksgemeinschaft“ oder zur „Medizin ohne Menschlichkeit“ und „Euthanasie“ richten sich an eine breite Öffentlichkeit und stehen in vielen deutschen Wohn- und Studierzimmern. „Opa war kein Nazi!“ – auch diese in den Jahrzehnten nach 1945 häufig zu hörende Behauptung sprach und spricht als kritischer Buchtitel eine große Leserschaft an.
„Auch und gerade angehenden Ärztinnen und Ärzten bietet die Schwarze Reihe die Möglichkeit, sich kritisch mit der Medizingeschichte des 20. Jahrhunderts auseinanderzusetzen“, sagt Prof. Florian Bruns vom Institut für Geschichte der Medizin an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden. Deshalb präsentiert er die imposante Serie von über 220 Bänden bewusst im zentralen Lehrgebäude des Universitätsklinikums, das auch öffentlich zugänglich ist. Ausgewählte Titel können vor Ort ausgeliehen werden. „Die Bücher von Ernst Klee oder Götz Aly zum Krankenmord im Nationalsozialismus sind nicht nur solide recherchiert, sondern auch gut lesbar“, so der Initiator der Ausstellung im MTZ zwischen Blasewitzer und Fiedlerstraße. Damit richten sich die Buchtitel nicht nur an ein wissenschaftliches Publikum. „Nicht zuletzt geht es auch darum, die Studierenden auf die Bedeutung und den Wert sorgfältig lektorierter Bücher hinzuweisen, die einen sachlich fundierten Wissensstand bieten und dauerhaft sichern“, so Bruns. Die ausgestellten Bücher sind eine Leihgabe des S. Fischer Verlags, ergänzt mit Bänden aus Privatbesitz. Die Mehrzahl der Titel ist nur noch antiquarisch erhältlich.
Wie kommt die bedeutsame Buchreihe zu ihrem Namen?
Da das „Nürnberger Tagebuch“ von Gustave M. Gilbert über Psyche und Charakter führender Nationalsozialisten 1977 vergriffen war, wollte es Walter Pehle damals noch einmal herausbringen und wählte für das Taschenbuch einen schwarzen Einband, ebenso wie bei zahlreichen folgenden Veröffentlichungen zu diesem Thema. 1988 wurden die schwarzen Bücher von der Verlagschefin Monika Schoeller (1939 – 2019) zu einer eigenen offiziellen Reihe befördert und fanden weltweit große Beachtung. „Die Schwarze Reihe ist eine Errungenschaft sondergleichen. Sie stellt die besten wissenschaftlichen Beiträge einem allgemeinen, interessierten Publikum zur Verfügung und erreicht dadurch eine begrüßenswerte Verbreitung des Wissens über die Zeit des nationalsozialistischen Verbrecherregimes“, so Prof. Yehuda Bauer, Yad Vashem, Jerusalem.
Prof. Esther Troost, Dekanin der Medizinischen Fakultät der TU Dresden, begrüßt die Ausstellung der Buchreihe in Dresden: „Die Auseinandersetzung und der kritische Umgang mit diesem Teil der Medizingeschichte ist für unsere angehenden Medizinerinnen und Mediziner unabdingbar – auch, damit er nie in Vergessenheit gerät. Deshalb freuen wir uns, dass diese bedeutsame Ausstellung unseren Studierenden, aber auch Besucherinnen und Besuchern bis Anfang 2025 zur Verfügung steht.“ Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand am Uniklinikum, ergänzt: „Die Medizingeschichte ist neben aktueller Forschung und moderner Patientenversorgung ein wichtiger Teil der Hochschulmedizin Dresden. Die Forschung zu historischen, aber auch ethischen Aspekten der Medizin und der Krankenversorgung sind uns ein wichtiges Anliegen. Die Schwarze Reihe trägt zur sachlichen Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus bei und ist deshalb bis heute von großer Bedeutung.“
Zur Eröffnung der Ausstellung am 29. April 2024, 11 Uhr, im MTZ (Haus 91), Fiedlerstraße 42, wird auch Prof. Siegfried Lokatis anwesend sein, Buchwissenschaftler an der Universität Leipzig. Er hat die überwiegende Zahl der Bände als Leihgabe vom S. Fischer Verlag beschafft und, mit thematisch anderem Schwerpunkt, 2023 in Leipzig präsentiert. Auch ihn hatte die Reihe bereits in seiner Studienzeit begleitet.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Medizinische Fakultät der TU Dresden
Institut für Geschichte der Medizin
Prof. Dr. med. Florian Bruns, Direktor
Tel.: +49 351 3177 402
E-Mail: florian.bruns@uniklinikum-dresden.de
Weitere Informationen:
http://www.tu-dresden.de/med/mf/ges