Invasive Malariamücke bedroht afrikanische Städte: BNITM fordert neuen Fokus
Hamburg am Weltmalariatag, dem 25. April 2024 – Malaria kommt vor allem in ländlichen Gebieten vor: Die Überträgermücke Anopheles bevorzugt saubere natürliche Gewässer, um ihre Eier abzulegen. Seit einigen Jahren breitet sich jedoch in Städten Subsahara-Afrikas Anopheles stephensi aus. Diese Anopheles-Art ist besonders anpassungsfähig, überdauert extrem hohe Temperaturen und Trockenheit und vermehrt sich sehr gut in Baugruben. „Malariaforschung und -bekämpfung muss deshalb in Zukunft auch die Städte einbeziehen“, sagt Prof. Dr. Jürgen May, Leiter des BNITM. „Sonst gefährden wir die Erfolge bei der Malariabekämpfung.“
Malaria ist nach wie vor eine der tödlichsten Infektionskrankheiten. Allein im Jahr 2022 starben weltweit mehr als 600.000 Menschen, schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Etwa 450.000 davon waren Kleinkinder unter fünf Jahren. Am stärksten betroffen sind Länder südlich der Sahara.
Sie stehen jetzt vor einer weiteren Herausforderung im Kampf gegen Malaria: Künftig könnte die Infektionskrankheit nicht nur ländliche, sondern zusätzlich urbane Regionen betreffen. Denn eine eingeschleppte Art der Überträgermücke Anopheles erobert die schnell wachsenden Städte: Anopheles stephensi ist im vergangenen Jahrzehnt von Südasien kommend nach Ostafrika vorgedrungen. In Dschibuti, Äthiopien, Sudan, Somalia und Kenia ist die Stechmücke laut WHO inzwischen fest etabliert. In Westafrika wurde sie ebenfalls nachgewiesen: 2020 in Nigeria und 2022 in Ghana.
Anopheles stephensi ist besonders anpassungsfähig. Ihre Larven überdauern Zeiten extrem hoher Temperaturen und großer Trockenheit. Setzt dann Regen ein, entwickeln sie sich problemlos zu erwachsenen Stechmücken. Diese können zwei Arten des Malaria-Parasiten übertragen: Plasmodium vivax und Plasmodium falciparum, den für den Menschen gefährlichsten Malaria-Erreger. Mit Anopheles stephensi könnten daher auch diese Malaria-Parasiten in die Städte in Subsahara-Afrika vordringen – und auf eine immunologisch eher naive Bevölkerung treffen. Das erhöht die Gefahr schwerer und tödlicher Verläufe, gerade bei Kleinkindern.
Gegen viele Insektizide ist Anopheles stephensi nach WHO-Angaben resistent. Außerdem legen die Stechmücken anders als andere Anopheles-Arten ihre Eier weniger in natürlichen Wasserquellen ab, wie Tümpel, Pfützen oder Sumpfgebiete. Sie bevorzugen Wassergruben, wie sie häufig auf Baustellen in den rasant wachsenden Städten Subsahara-Afrikas anzutreffen sind. Das haben Forschende in Äthiopien herausgefunden.
BNITM: Paradigmenwechsel nötig
„Die Invasion der Stechmücke Anopheles stephensi erfordert einen Paradigmenwechsel im Kampf gegen die Malaria“, sagt der Infektionsepidemiologe Jürgen May. „Bekämpfung, Erforschung und Forschungsförderung müssen nun auch mehr die Städte einbeziehen.“ Sämtliche Programme müssten um diese Perspektive erweitert werden, sowohl zur Bekämpfung der Stechmücken als auch der Malaria selbst.
Die WHO hat im vergangenen Jahr eine Initiative gestartet, um die Ausbreitung von Anopheles stephensi zu stoppen. Sie enthält Leitlinien zur Stechmückenüberwachung, -eindämmung und -beseitigung und zielt auf enge Kooperation und engen Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Stakeholdern. Das Rahmenprogramm der WHO und des UN-Habitats dient den Verantwortlichen in den Städten zudem als Leitfaden für die Malaria- und Stechmückenbekämpfung.
Prof. Dr. Jürgen May, Vorstandsvorsitzender am BNITM: „Das Vordringen der invasiven Malariamücke Anopheles stephensi nach Subsahara-Afrika kann die Menschen in städtischen Regionen vor existenzielle Probleme stellen“, so May. Sie bräuchten mehr denn je unsere Unterstützung.
Internationaler Aktionstag erinnert an drei Milliarden Betroffene
Im Jahr 2000 hat die WHO den Weltmalariatag als jährlichen internationalen Aktionstag eingeführt. Er erinnert daran, dass mehr als drei Milliarden Menschen auf der Welt von Malaria bedroht sind. Die WHO und andere Organisationen bemühen sich, die Infektionskrankheit zurückzudrängen. Dies ist mit großem finanziellem und logistischem Aufwand verbunden und hatte in den vergangenen Jahren zu einem stetigen Rückgang der Neuerkrankungen geführt.
BNITM-Expertendienst anlässlich des Weltmalariatags 2024
Anlässlich des Weltmalaria-Tags stehen die aufgeführten Wissenschaftler:innen der Presse für Interviews zur Verfügung (alle Anfragen bitte auch über presse(at)bnitm.de):
Prof. Dr. Jürgen May
Epidemiologie, Malaria in Afrika, Medikamentenentwicklung
Tel.: +49 (0)40 285380-369
E-Mail: may(at)bnitm.de
Dr. Oumou Maïga-Ascofaré
Klinische Studien, Medikamentenresistenz, Malaria bei Kleinkindern und Schwangeren
Tel.: +233 32 206 0351
E-Mail: maiga@kccr.de; maiga@bnitm.de
Prof. Dr. Michael Ramharter
Klinik der Malaria, Behandlung, Prophylaxe, Therapie- und Impfstudien
Tel.: +49 (0)40 285380-511,
E-Mail: presse(at)bnitm.de
Dr. Tobias Spielmann
Meilensteine in der Grundlagenforschung, Antibiotikaresistenz von Malariaparasiten
Tel.: +49 (0)40 285380-486
E-Mail: spielmann(at)bnitm.de
Dr. Anna Bachmann
Wirt-Parasit-Interaktion
Tel.: +49 (0)40 285380-439
E-Mail: bachmann@bnitm.de
PD Dr. Thomas Jacobs
Immunologie, Impfstoffe
Tel.: +49 (0)40 285380-850
E-Mail: tjacobs@bnitm.de
Wir bitten, bei Nennung in Texten und Interviews sowie bei der Verwendung von O-Tönen in TV- und Online-Beiträgen als Quelle das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin zu erwähnen.
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Hintergrundinformationen:
Welt Malaria Report zum Download:
https://www.who.int/teams/global-malaria-programme/reports/world-malaria-report-2023
Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (UN-HABITAT)
Das Rahmenprogramm von WHO und UN-Habitat “Global framework for the response to malaria in urban areas”:
https://www.who.int/news-room/feature-stories/detail/responding-to-malaria-in-urban-areas-a-new-framework-from-who-and-un-habitat
zum Download: https://www.who.int/publications/i/item/9789240061781
Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg widmet einen erheblichen Teil seiner Arbeit der Malariaforschung und arbeitet auf diesem Gebiet eng mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) zusammen. Das Spektrum reicht von molekularen Untersuchungen des Malariaparasiten über die Erforschung der Verbreitung und des klinischen Verlaufs bis hin zu Impf- und Medikamentenstudien in Afrika. Um beispielsweise eine Malariatherapie mit einer Dreifachkombination der nächsten Generation testen zu können, führt das BNITM gemeinsam mit dem Kumasi Centre for Collaborative Research (KCCR) eine multizentrische klinische Studie in vier afrikanischen Ländern (Ghana, Mali, Gabun und Benin) durch. Im Fokus stehen hier die Wirksamkeit und Sicherheit einer Malariabehandlung, die vor allem für Kinder in Subsahara-Afrika lebensnotwendig ist.